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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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todeswürdigen und mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe be-
drohten das geringere Maximum der zeitlichen Freiheitsstrafe
zu bestimmen, welches -- es mögen diese Verbrechen nur
unter einander oder mit Verbrechen noch geringerer Kategorie
concurriren -- von der Strafe nicht überschritten werden
soll. Das nämliche Verhältniß würde dann aber natürlich
stets zwischen der größtmöglichsten Anzahl der Verbrechen
eines höheren und des nächst niederen Grades bis zu den
geringsten strafbaren Verbrechen herunter festzustellen sein.
Die Folge muß sein, daß, wenn das für eine Mehrheit von
Straffällen überhaupt zulässige Maximum der Strafe durch
eine geringere Anzahl von Verbrechen bereits erschöpft ist,
die weiteren Verbrechen nicht mehr gestraft werden können. --
Von der Gesetzgebung ist dieser Gesichtspunkt nur dahin
berücksichtigt worden, daß sie, nicht bei jedem einzelnen
Verbrechen, sondern nur im Allgemeinen, das überhaupt
zulässige Maß der einzelnen Freiheitsstrafen festsetzt, welches
im Falle der Concurrenz nicht solle überschritten werden
können. Nach dem deutschen Strafgesetzbuch steht hiernach
z. B. die größtmöglichste Anzahl von Pfandveräußerungen
(§. 289) der größtmöglichsten Anzahl einfacher Diebstähle
(§. 242) durchaus gleich (§. 74 Al. 3).

Das deutsche Strafgesetzbuch bestimmt in §. 73,
daß, wenn durch eine Handlung mehrere Strafgesetze verletzt
worden seien, nur dasjenige Gesetz, welches die schwerste
Strafe androhe, zur Anwendung komme; und in §. 74,
daß, wenn durch mehrere selbstständige Handlungen mehrere
Verbrechen oder Vergehen, oder das nämliche Verbrechen oder
Vergehen mehrmals, begangen worden, auf eine Gesammt-
strafe zu erkennen sei, welche in einer Erhöhung der ver-
wirkten schwersten Strafe bestehe. Wenn es nun auch von
dem Gesetz in §. 73 nicht bestimmt vorgeschrieben wird, so

todeswürdigen und mit lebenslänglicher Freiheitsſtrafe be-
drohten das geringere Maximum der zeitlichen Freiheitsſtrafe
zu beſtimmen, welches — es mögen dieſe Verbrechen nur
unter einander oder mit Verbrechen noch geringerer Kategorie
concurriren — von der Strafe nicht überſchritten werden
ſoll. Das nämliche Verhältniß würde dann aber natürlich
ſtets zwiſchen der größtmöglichſten Anzahl der Verbrechen
eines höheren und des nächſt niederen Grades bis zu den
geringſten ſtrafbaren Verbrechen herunter feſtzuſtellen ſein.
Die Folge muß ſein, daß, wenn das für eine Mehrheit von
Straffällen überhaupt zuläſſige Maximum der Strafe durch
eine geringere Anzahl von Verbrechen bereits erſchöpft iſt,
die weiteren Verbrechen nicht mehr geſtraft werden können. —
Von der Geſetzgebung iſt dieſer Geſichtspunkt nur dahin
berückſichtigt worden, daß ſie, nicht bei jedem einzelnen
Verbrechen, ſondern nur im Allgemeinen, das überhaupt
zuläſſige Maß der einzelnen Freiheitsſtrafen feſtſetzt, welches
im Falle der Concurrenz nicht ſolle überſchritten werden
können. Nach dem deutſchen Strafgeſetzbuch ſteht hiernach
z. B. die größtmöglichſte Anzahl von Pfandveräußerungen
(§. 289) der größtmöglichſten Anzahl einfacher Diebſtähle
(§. 242) durchaus gleich (§. 74 Al. 3).

Das deutſche Strafgeſetzbuch beſtimmt in §. 73,
daß, wenn durch eine Handlung mehrere Strafgeſetze verletzt
worden ſeien, nur dasjenige Geſetz, welches die ſchwerſte
Strafe androhe, zur Anwendung komme; und in §. 74,
daß, wenn durch mehrere ſelbſtſtändige Handlungen mehrere
Verbrechen oder Vergehen, oder das nämliche Verbrechen oder
Vergehen mehrmals, begangen worden, auf eine Geſammt-
ſtrafe zu erkennen ſei, welche in einer Erhöhung der ver-
wirkten ſchwerſten Strafe beſtehe. Wenn es nun auch von
dem Geſetz in §. 73 nicht beſtimmt vorgeſchrieben wird, ſo

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[52/0056] todeswürdigen und mit lebenslänglicher Freiheitsſtrafe be- drohten das geringere Maximum der zeitlichen Freiheitsſtrafe zu beſtimmen, welches — es mögen dieſe Verbrechen nur unter einander oder mit Verbrechen noch geringerer Kategorie concurriren — von der Strafe nicht überſchritten werden ſoll. Das nämliche Verhältniß würde dann aber natürlich ſtets zwiſchen der größtmöglichſten Anzahl der Verbrechen eines höheren und des nächſt niederen Grades bis zu den geringſten ſtrafbaren Verbrechen herunter feſtzuſtellen ſein. Die Folge muß ſein, daß, wenn das für eine Mehrheit von Straffällen überhaupt zuläſſige Maximum der Strafe durch eine geringere Anzahl von Verbrechen bereits erſchöpft iſt, die weiteren Verbrechen nicht mehr geſtraft werden können. — Von der Geſetzgebung iſt dieſer Geſichtspunkt nur dahin berückſichtigt worden, daß ſie, nicht bei jedem einzelnen Verbrechen, ſondern nur im Allgemeinen, das überhaupt zuläſſige Maß der einzelnen Freiheitsſtrafen feſtſetzt, welches im Falle der Concurrenz nicht ſolle überſchritten werden können. Nach dem deutſchen Strafgeſetzbuch ſteht hiernach z. B. die größtmöglichſte Anzahl von Pfandveräußerungen (§. 289) der größtmöglichſten Anzahl einfacher Diebſtähle (§. 242) durchaus gleich (§. 74 Al. 3). Das deutſche Strafgeſetzbuch beſtimmt in §. 73, daß, wenn durch eine Handlung mehrere Strafgeſetze verletzt worden ſeien, nur dasjenige Geſetz, welches die ſchwerſte Strafe androhe, zur Anwendung komme; und in §. 74, daß, wenn durch mehrere ſelbſtſtändige Handlungen mehrere Verbrechen oder Vergehen, oder das nämliche Verbrechen oder Vergehen mehrmals, begangen worden, auf eine Geſammt- ſtrafe zu erkennen ſei, welche in einer Erhöhung der ver- wirkten ſchwerſten Strafe beſtehe. Wenn es nun auch von dem Geſetz in §. 73 nicht beſtimmt vorgeſchrieben wird, ſo

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/56>, abgerufen am 29.04.2024.