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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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daß mehrere Rechtsverletzungen stets nur reell concurriren
können, und daß in der Construction der allgemeinen straf-
rechtlichen Principien kein Hinderniß besteht, auch die Haftbarkeit
für die durch eine gemeingefährliche Handlung verursachten
mehreren Rechtsverletzungen -- wie sonst überall -- aus
dem Verhältniß der Subjectivität zu diesen Rechtsverletzungen
abzuleiten. -- Gerade vielleicht in der Erwägung, daß die
mehreren durch eine gemeingefährliche Handlung angerichteten
Rechtsverletzungen nur ideell concurrirten -- beziehungsweise
die durch eine solche Handlung verursachte Eigenthums-
beschädigung von so außerordentlichem Umfang sein könne,
daß zur Bestrafung dieser Rechtsverletzungen der ordentliche
Strafrahmen nicht ausreiche, ist man dahin gelangt, bei
Beurtheilung der gemeingefährlichen Verbrechen von den
allgemeinen rechtlichen Grundsätzen abzugehen und aus diesen
Verbrechen ganz besonders geartete Verbrechen zu gestalten.
Man sieht hierbei, obwohl die gemeingefährlichen Verbrechen
eminent materieller Natur sind, von dem Verhältniß des
Willens zu dem Erfolge ganz ab,
legt, indem man
einen polizeilichen Gesichtspunkt zu einem criminellen stempelt,
das Hauptgewicht in die Gemeingefährlichkeit der Handlung,
erklärt also die besondere Beschaffenheit des gebrauchten
Mittels für das Wesen des Verbrechens und betrachtet den
Erfolg, sei er Tödtung, Körperverletzung oder Eigenthums-
beschädigung, nur als ein Moment für die Strafausmessung,
wodurch man denn zur Fixirung maßlos ausgedehnter Straf-
rahmen genöthigt wird, um alle möglichen Erfolge in denselben
unterbringen zu können.

Das deutsche Strafgesetzbuch hat sogar bei dem
Verbrechen der Brandstiftung von einer besonderen Her-
vorhebung der Gemeingefahr ganz abstrahirt. Es soll viel-
mehr schon derjenige, welcher eine der in §. 306 bezeichneten

daß mehrere Rechtsverletzungen ſtets nur reell concurriren
können, und daß in der Conſtruction der allgemeinen ſtraf-
rechtlichen Principien kein Hinderniß beſteht, auch die Haftbarkeit
für die durch eine gemeingefährliche Handlung verurſachten
mehreren Rechtsverletzungen — wie ſonſt überall — aus
dem Verhältniß der Subjectivität zu dieſen Rechtsverletzungen
abzuleiten. — Gerade vielleicht in der Erwägung, daß die
mehreren durch eine gemeingefährliche Handlung angerichteten
Rechtsverletzungen nur ideell concurrirten — beziehungsweiſe
die durch eine ſolche Handlung verurſachte Eigenthums-
beſchädigung von ſo außerordentlichem Umfang ſein könne,
daß zur Beſtrafung dieſer Rechtsverletzungen der ordentliche
Strafrahmen nicht ausreiche, iſt man dahin gelangt, bei
Beurtheilung der gemeingefährlichen Verbrechen von den
allgemeinen rechtlichen Grundſätzen abzugehen und aus dieſen
Verbrechen ganz beſonders geartete Verbrechen zu geſtalten.
Man ſieht hierbei, obwohl die gemeingefährlichen Verbrechen
eminent materieller Natur ſind, von dem Verhältniß des
Willens zu dem Erfolge ganz ab,
legt, indem man
einen polizeilichen Geſichtspunkt zu einem criminellen ſtempelt,
das Hauptgewicht in die Gemeingefährlichkeit der Handlung,
erklärt alſo die beſondere Beſchaffenheit des gebrauchten
Mittels für das Weſen des Verbrechens und betrachtet den
Erfolg, ſei er Tödtung, Körperverletzung oder Eigenthums-
beſchädigung, nur als ein Moment für die Strafausmeſſung,
wodurch man denn zur Fixirung maßlos ausgedehnter Straf-
rahmen genöthigt wird, um alle möglichen Erfolge in denſelben
unterbringen zu können.

Das deutſche Strafgeſetzbuch hat ſogar bei dem
Verbrechen der Brandſtiftung von einer beſonderen Her-
vorhebung der Gemeingefahr ganz abſtrahirt. Es ſoll viel-
mehr ſchon derjenige, welcher eine der in §. 306 bezeichneten

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[56/0060] daß mehrere Rechtsverletzungen ſtets nur reell concurriren können, und daß in der Conſtruction der allgemeinen ſtraf- rechtlichen Principien kein Hinderniß beſteht, auch die Haftbarkeit für die durch eine gemeingefährliche Handlung verurſachten mehreren Rechtsverletzungen — wie ſonſt überall — aus dem Verhältniß der Subjectivität zu dieſen Rechtsverletzungen abzuleiten. — Gerade vielleicht in der Erwägung, daß die mehreren durch eine gemeingefährliche Handlung angerichteten Rechtsverletzungen nur ideell concurrirten — beziehungsweiſe die durch eine ſolche Handlung verurſachte Eigenthums- beſchädigung von ſo außerordentlichem Umfang ſein könne, daß zur Beſtrafung dieſer Rechtsverletzungen der ordentliche Strafrahmen nicht ausreiche, iſt man dahin gelangt, bei Beurtheilung der gemeingefährlichen Verbrechen von den allgemeinen rechtlichen Grundſätzen abzugehen und aus dieſen Verbrechen ganz beſonders geartete Verbrechen zu geſtalten. Man ſieht hierbei, obwohl die gemeingefährlichen Verbrechen eminent materieller Natur ſind, von dem Verhältniß des Willens zu dem Erfolge ganz ab, legt, indem man einen polizeilichen Geſichtspunkt zu einem criminellen ſtempelt, das Hauptgewicht in die Gemeingefährlichkeit der Handlung, erklärt alſo die beſondere Beſchaffenheit des gebrauchten Mittels für das Weſen des Verbrechens und betrachtet den Erfolg, ſei er Tödtung, Körperverletzung oder Eigenthums- beſchädigung, nur als ein Moment für die Strafausmeſſung, wodurch man denn zur Fixirung maßlos ausgedehnter Straf- rahmen genöthigt wird, um alle möglichen Erfolge in denſelben unterbringen zu können. Das deutſche Strafgeſetzbuch hat ſogar bei dem Verbrechen der Brandſtiftung von einer beſonderen Her- vorhebung der Gemeingefahr ganz abſtrahirt. Es ſoll viel- mehr ſchon derjenige, welcher eine der in §. 306 bezeichneten

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/60>, abgerufen am 29.04.2024.