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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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Angriff statt. (Schütze Lehrbuch §. 35 N. 4. Oppenhoff zu
§. 53 N. 10, §. 113 N. 18. 19. d. Strafgesetzbuchs, Schwarze
Commentar S. 231. Richtig dagegen S. 316. 317, ferner
S. 322. Eine ganz besondere Gefahr setzt die Nothwehr
überhaupt nicht voraus und darum auch nicht einem Beamten
gegenüber). Jn der That aber wurzelt das Nothwehrrecht
nicht in einer Verschuldung des Angreifers, sondern in dem
Recht der Vertheidigung, welches seinen Regulator nur in
der objectiven Gestalt des Angriffs, seiner Mächtigkeit und
Richtung, finden kann. -- Warum auch der Angriff eines
Unzurechnungsfähigen unter §. 52 oder 54 subsumirt werden,
der Angegriffene hier sich also nur dann mit einer an und
für sich strafbaren Handlung straflos schützen können soll,
wenn es ihm an Leib oder Leben geht, und er daher hier
der Zerstörung werthvollen Eigenthums ruhig zuzusehen habe,
dürfte nicht erklärlich sein. -- Derjenige, welcher in der
irrthümlichen Unterstellung, es drohe ihm ein Angriff, selbst
zur Abwehr einen Angriff macht, kann für die hierbei ange-
richtete vorsätzliche Verletzung höchstens nur wegen culpa
bestraft werden. Denn, wenn er auch in Folge seines
Jrrthums einen Menschen vorsätzlich getödtet hat, so hat er
dies doch nicht mit rechtswidrigem Vorsatz gethan (m.
Abh. Archiv für praktische RW. B. VIII 1860. v. B. l. c.
S. 84 N. 22). Wäre daher zur Ausübung der Nothwehr
ein subjectiv rechtswidriger Angriff erforderlich, so würde sie
dem mit der bona fides des Angreifers bekannten Ange-
griffenen nicht zustehen. -- 3) Auch die Unterscheidung, daß
nur im Falle der Nothwehr, nicht aber im Falle einer
Nothlage, jeder Dritte dem Gefährdeten straflos zur Hülfe
kommen dürfe, ist nicht durchaus richtig. Dem Richter
wird es nicht einfallen, Diejenigen zu bestrafen, welche in
eine fremde Hofraithe eingebrochen sind, um leichter zu dem

Angriff ſtatt. (Schütze Lehrbuch §. 35 N. 4. Oppenhoff zu
§. 53 N. 10, §. 113 N. 18. 19. d. Strafgeſetzbuchs, Schwarze
Commentar S. 231. Richtig dagegen S. 316. 317, ferner
S. 322. Eine ganz beſondere Gefahr ſetzt die Nothwehr
überhaupt nicht voraus und darum auch nicht einem Beamten
gegenüber). Jn der That aber wurzelt das Nothwehrrecht
nicht in einer Verſchuldung des Angreifers, ſondern in dem
Recht der Vertheidigung, welches ſeinen Regulator nur in
der objectiven Geſtalt des Angriffs, ſeiner Mächtigkeit und
Richtung, finden kann. — Warum auch der Angriff eines
Unzurechnungsfähigen unter §. 52 oder 54 ſubſumirt werden,
der Angegriffene hier ſich alſo nur dann mit einer an und
für ſich ſtrafbaren Handlung ſtraflos ſchützen können ſoll,
wenn es ihm an Leib oder Leben geht, und er daher hier
der Zerſtörung werthvollen Eigenthums ruhig zuzuſehen habe,
dürfte nicht erklärlich ſein. — Derjenige, welcher in der
irrthümlichen Unterſtellung, es drohe ihm ein Angriff, ſelbſt
zur Abwehr einen Angriff macht, kann für die hierbei ange-
richtete vorſätzliche Verletzung höchſtens nur wegen culpa
beſtraft werden. Denn, wenn er auch in Folge ſeines
Jrrthums einen Menſchen vorſätzlich getödtet hat, ſo hat er
dies doch nicht mit rechtswidrigem Vorſatz gethan (m.
Abh. Archiv für praktiſche RW. B. VIII 1860. v. B. l. c.
S. 84 N. 22). Wäre daher zur Ausübung der Nothwehr
ein ſubjectiv rechtswidriger Angriff erforderlich, ſo würde ſie
dem mit der bona fides des Angreifers bekannten Ange-
griffenen nicht zuſtehen. — 3) Auch die Unterſcheidung, daß
nur im Falle der Nothwehr, nicht aber im Falle einer
Nothlage, jeder Dritte dem Gefährdeten ſtraflos zur Hülfe
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[91/0095] Angriff ſtatt. (Schütze Lehrbuch §. 35 N. 4. Oppenhoff zu §. 53 N. 10, §. 113 N. 18. 19. d. Strafgeſetzbuchs, Schwarze Commentar S. 231. Richtig dagegen S. 316. 317, ferner S. 322. Eine ganz beſondere Gefahr ſetzt die Nothwehr überhaupt nicht voraus und darum auch nicht einem Beamten gegenüber). Jn der That aber wurzelt das Nothwehrrecht nicht in einer Verſchuldung des Angreifers, ſondern in dem Recht der Vertheidigung, welches ſeinen Regulator nur in der objectiven Geſtalt des Angriffs, ſeiner Mächtigkeit und Richtung, finden kann. — Warum auch der Angriff eines Unzurechnungsfähigen unter §. 52 oder 54 ſubſumirt werden, der Angegriffene hier ſich alſo nur dann mit einer an und für ſich ſtrafbaren Handlung ſtraflos ſchützen können ſoll, wenn es ihm an Leib oder Leben geht, und er daher hier der Zerſtörung werthvollen Eigenthums ruhig zuzuſehen habe, dürfte nicht erklärlich ſein. — Derjenige, welcher in der irrthümlichen Unterſtellung, es drohe ihm ein Angriff, ſelbſt zur Abwehr einen Angriff macht, kann für die hierbei ange- richtete vorſätzliche Verletzung höchſtens nur wegen culpa beſtraft werden. Denn, wenn er auch in Folge ſeines Jrrthums einen Menſchen vorſätzlich getödtet hat, ſo hat er dies doch nicht mit rechtswidrigem Vorſatz gethan (m. Abh. Archiv für praktiſche RW. B. VIII 1860. v. B. l. c. S. 84 N. 22). Wäre daher zur Ausübung der Nothwehr ein ſubjectiv rechtswidriger Angriff erforderlich, ſo würde ſie dem mit der bona fides des Angreifers bekannten Ange- griffenen nicht zuſtehen. — 3) Auch die Unterſcheidung, daß nur im Falle der Nothwehr, nicht aber im Falle einer Nothlage, jeder Dritte dem Gefährdeten ſtraflos zur Hülfe kommen dürfe, iſt nicht durchaus richtig. Dem Richter wird es nicht einfallen, Diejenigen zu beſtrafen, welche in eine fremde Hofraithe eingebrochen ſind, um leichter zu dem

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/95>, abgerufen am 29.04.2024.