Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Er schwankte aus der Höhle bis auf sei-
nen Hofplaz. Hier hob er seine Augen gen
Himmel; ein sanfterwärmender Strahl der
Morgensonne fiel durch die Bäume auf sein
Angesicht, und es ward ihm, als wenn er
neu gebohren würde. "O du ewiger Quel
des Lebens, rief er aus, indem er sich auf
seine Knie warf; Gott! Gott! habe Dank,
daß du mich noch einmahl deine schöne Sonne
erblikken, und in ihrem Lichte die Wunder
deiner Schöpfung sehen läßt! Habe Dank!
Dank! Dank! daß du mich nicht verlassen
hast in meiner Noth; daß du noch einmahl
mich zurük gerufen hast ins Leben, um mir
noch mehr Zeit zu meiner Besserung zu schen-
ken! Laß mich doch ja jeden Tag meines noch
übrigen Lebens dazu anwenden, damit ich zu
jeder Zeit bereit gefunden werde, hinzureisen
nach dem Orte unserer ewigen Bestimmung,
wo wir den Lohn unserer guten und bösen
Thaten empfangen werden!"

Nach diesem kurzen, aber herzlichen Ge-
bete weidete er seine Augen bald an dem gros-

sen

Er ſchwankte aus der Hoͤhle bis auf ſei-
nen Hofplaz. Hier hob er ſeine Augen gen
Himmel; ein ſanfterwaͤrmender Strahl der
Morgenſonne fiel durch die Baͤume auf ſein
Angeſicht, und es ward ihm, als wenn er
neu gebohren wuͤrde. „O du ewiger Quel
des Lebens, rief er aus, indem er ſich auf
ſeine Knie warf; Gott! Gott! habe Dank,
daß du mich noch einmahl deine ſchoͤne Sonne
erblikken, und in ihrem Lichte die Wunder
deiner Schoͤpfung ſehen laͤßt! Habe Dank!
Dank! Dank! daß du mich nicht verlaſſen
haſt in meiner Noth; daß du noch einmahl
mich zuruͤk gerufen haſt ins Leben, um mir
noch mehr Zeit zu meiner Beſſerung zu ſchen-
ken! Laß mich doch ja jeden Tag meines noch
uͤbrigen Lebens dazu anwenden, damit ich zu
jeder Zeit bereit gefunden werde, hinzureiſen
nach dem Orte unſerer ewigen Beſtimmung,
wo wir den Lohn unſerer guten und boͤſen
Thaten empfangen werden!„

Nach dieſem kurzen, aber herzlichen Ge-
bete weidete er ſeine Augen bald an dem groſ-

ſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0014" n="8"/>
          <p>Er &#x017F;chwankte aus der Ho&#x0364;hle bis auf &#x017F;ei-<lb/>
nen Hofplaz. Hier hob er &#x017F;eine Augen gen<lb/>
Himmel; ein &#x017F;anfterwa&#x0364;rmender Strahl der<lb/>
Morgen&#x017F;onne fiel durch die Ba&#x0364;ume auf &#x017F;ein<lb/>
Ange&#x017F;icht, und es ward ihm, als wenn er<lb/>
neu gebohren wu&#x0364;rde. &#x201E;O du ewiger Quel<lb/>
des Lebens, rief er aus, indem er &#x017F;ich auf<lb/>
&#x017F;eine Knie warf; Gott! Gott! habe Dank,<lb/>
daß du mich noch einmahl deine &#x017F;cho&#x0364;ne Sonne<lb/>
erblikken, und in ihrem Lichte die Wunder<lb/>
deiner Scho&#x0364;pfung &#x017F;ehen la&#x0364;ßt! Habe Dank!<lb/>
Dank! Dank! daß du mich nicht verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ha&#x017F;t in meiner Noth; daß du noch einmahl<lb/>
mich zuru&#x0364;k gerufen ha&#x017F;t ins Leben, um mir<lb/>
noch mehr Zeit zu meiner Be&#x017F;&#x017F;erung zu &#x017F;chen-<lb/>
ken! Laß mich doch ja jeden Tag meines noch<lb/>
u&#x0364;brigen Lebens dazu anwenden, damit ich zu<lb/>
jeder Zeit bereit gefunden werde, hinzurei&#x017F;en<lb/>
nach dem Orte un&#x017F;erer ewigen Be&#x017F;timmung,<lb/>
wo wir den Lohn un&#x017F;erer guten und bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Thaten empfangen werden!&#x201E;</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;em kurzen, aber herzlichen Ge-<lb/>
bete weidete er &#x017F;eine Augen bald an dem gro&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;en</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0014] Er ſchwankte aus der Hoͤhle bis auf ſei- nen Hofplaz. Hier hob er ſeine Augen gen Himmel; ein ſanfterwaͤrmender Strahl der Morgenſonne fiel durch die Baͤume auf ſein Angeſicht, und es ward ihm, als wenn er neu gebohren wuͤrde. „O du ewiger Quel des Lebens, rief er aus, indem er ſich auf ſeine Knie warf; Gott! Gott! habe Dank, daß du mich noch einmahl deine ſchoͤne Sonne erblikken, und in ihrem Lichte die Wunder deiner Schoͤpfung ſehen laͤßt! Habe Dank! Dank! Dank! daß du mich nicht verlaſſen haſt in meiner Noth; daß du noch einmahl mich zuruͤk gerufen haſt ins Leben, um mir noch mehr Zeit zu meiner Beſſerung zu ſchen- ken! Laß mich doch ja jeden Tag meines noch uͤbrigen Lebens dazu anwenden, damit ich zu jeder Zeit bereit gefunden werde, hinzureiſen nach dem Orte unſerer ewigen Beſtimmung, wo wir den Lohn unſerer guten und boͤſen Thaten empfangen werden!„ Nach dieſem kurzen, aber herzlichen Ge- bete weidete er ſeine Augen bald an dem groſ- ſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/14
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/14>, abgerufen am 29.03.2024.