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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Römisches Recht.
schrieben "Vom Naturrechte". 1) In der Ethik jedoch (T. IV, Anhang, 8)
steht schwarz auf weiss: "Nach dem höchsten Recht der Natur ist
einem jeden Menschen unbeschränkt das zu thun gestattet, was nach
seinem Urteil zu seinem Nutzen gereichen wird"; und in der Ab-
handlung Von der wahren Freiheit heisst es: "Um das, was wir
zu unsrem Heil und zu unserer Ruhe fordern, zu erlangen, bedürfen
wir keiner anderen Grundsätze, als allein, dass wir das beherzigen,
was zu unsrem eigenen Vorteil gereicht". 2) Dass ein so edler Mann
nicht verlegen ist, auf derartigen Grundlagen eine reine Morallehre
aufzubauen, stellt seinen angeborenen kasuistischen Gaben das schönste
Zeugnis aus; man sieht aber, auf jüdischem Boden hätte römisches
Recht nicht wachsen können, sondern höchstens ein simplifiziertes Gesetz-
buch, wie es etwa König Tippu Tib am Kongo brauchen mag. 3)
Erst auf der Grundlage eines von Indoeuropäern erfundenen und bis
ins Einzelne ausgeführten Rechtes konnte der Jude seine staunens-
werten juristischen Fähigkeiten entdecken. -- Ganz anders verhält es
sich mit den Deutschen. Die Selbstaufopferung, der Drang, "von innen
nach aussen zu bauen", die Betonung des ethischen Momentes, der
unbändige Freiheitssinn, kurz, die moralischen Eigenschaften hätten
sie schon in reicher Fülle besessen. Nicht dagegen die geistigen.
Der Scharfsinn war nie ein Nationalbesitz der Teutonen; das liegt so

1) Was für Augen hätten Cicero und Seneca, Scaevola und Papinian zu
einer derartigen Auffassung des Naturrechtes gemacht!
2) Die Ähnlichkeit zwischen den Prinzipien (nicht den Folgerungen) Spinoza's
und Nietzsche's ist auffallend genug, um die Aufmerksamkeit zu erregen.
3) Vor wenigen Jahren traf ich in Gesellschaft einen gebildeten Juden,
Besitzer von Petroleumquellen und Mitglied des verruchten Petroleumringes; kein
Argument vermochte es, den ehrenhaften Mann, der keine Fliege getötet hätte,
von der moralischen Verwerflichkeit eines solchen Ringes zu überzeugen; seine
beständige Antwort war: "ich kann's, folglich darf ich es!" Buchstäblich Spinoza,
wie man sieht. -- Hiermit hängt jene schwere Frage zusammen, ob es in germa-
nischen Ländern gestattet sein sollte, Männer jüdischen Stammes zu Richtern zu
ernennen. Ohne jede Leidenschaftlichkeit und Voreingenommenheit, ohne das
Wissen und die fleckenlose Ehrenhaftigkeit der Betreffenden anzuzweifeln, sollte
man sich auf Grund historischer und ethischer Ergebnisse fragen, ob es denn
vorauszusetzen sei, dass jene Männer die Fähigkeit besitzen, eine Rechtsauffassung
sich vollkommen zu assimilieren, die ihren eingeborenen Anlagen so tief wider-
spricht? ob sie dieses Recht, welches sie meisterhaft handhaben, auch wirklich
verstehen und fühlen? Wer die scharf ausgesprochene Individualität der verschiedenen
Menschenrassen erkennen gelernt hat, kann im tiefsten Ernst und ohne jede Ge-
hässigkeit eine derartige Frage aufwerfen.

Römisches Recht.
schrieben »Vom Naturrechte«. 1) In der Ethik jedoch (T. IV, Anhang, 8)
steht schwarz auf weiss: »Nach dem höchsten Recht der Natur ist
einem jeden Menschen unbeschränkt das zu thun gestattet, was nach
seinem Urteil zu seinem Nutzen gereichen wird«; und in der Ab-
handlung Von der wahren Freiheit heisst es: »Um das, was wir
zu unsrem Heil und zu unserer Ruhe fordern, zu erlangen, bedürfen
wir keiner anderen Grundsätze, als allein, dass wir das beherzigen,
was zu unsrem eigenen Vorteil gereicht«. 2) Dass ein so edler Mann
nicht verlegen ist, auf derartigen Grundlagen eine reine Morallehre
aufzubauen, stellt seinen angeborenen kasuistischen Gaben das schönste
Zeugnis aus; man sieht aber, auf jüdischem Boden hätte römisches
Recht nicht wachsen können, sondern höchstens ein simplifiziertes Gesetz-
buch, wie es etwa König Tippu Tib am Kongo brauchen mag. 3)
Erst auf der Grundlage eines von Indoeuropäern erfundenen und bis
ins Einzelne ausgeführten Rechtes konnte der Jude seine staunens-
werten juristischen Fähigkeiten entdecken. — Ganz anders verhält es
sich mit den Deutschen. Die Selbstaufopferung, der Drang, »von innen
nach aussen zu bauen«, die Betonung des ethischen Momentes, der
unbändige Freiheitssinn, kurz, die moralischen Eigenschaften hätten
sie schon in reicher Fülle besessen. Nicht dagegen die geistigen.
Der Scharfsinn war nie ein Nationalbesitz der Teutonen; das liegt so

1) Was für Augen hätten Cicero und Seneca, Scaevola und Papinian zu
einer derartigen Auffassung des Naturrechtes gemacht!
2) Die Ähnlichkeit zwischen den Prinzipien (nicht den Folgerungen) Spinoza’s
und Nietzsche’s ist auffallend genug, um die Aufmerksamkeit zu erregen.
3) Vor wenigen Jahren traf ich in Gesellschaft einen gebildeten Juden,
Besitzer von Petroleumquellen und Mitglied des verruchten Petroleumringes; kein
Argument vermochte es, den ehrenhaften Mann, der keine Fliege getötet hätte,
von der moralischen Verwerflichkeit eines solchen Ringes zu überzeugen; seine
beständige Antwort war: »ich kann’s, folglich darf ich es!« Buchstäblich Spinoza,
wie man sieht. — Hiermit hängt jene schwere Frage zusammen, ob es in germa-
nischen Ländern gestattet sein sollte, Männer jüdischen Stammes zu Richtern zu
ernennen. Ohne jede Leidenschaftlichkeit und Voreingenommenheit, ohne das
Wissen und die fleckenlose Ehrenhaftigkeit der Betreffenden anzuzweifeln, sollte
man sich auf Grund historischer und ethischer Ergebnisse fragen, ob es denn
vorauszusetzen sei, dass jene Männer die Fähigkeit besitzen, eine Rechtsauffassung
sich vollkommen zu assimilieren, die ihren eingeborenen Anlagen so tief wider-
spricht? ob sie dieses Recht, welches sie meisterhaft handhaben, auch wirklich
verstehen und fühlen? Wer die scharf ausgesprochene Individualität der verschiedenen
Menschenrassen erkennen gelernt hat, kann im tiefsten Ernst und ohne jede Ge-
hässigkeit eine derartige Frage aufwerfen.
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[171/0194] Römisches Recht. schrieben »Vom Naturrechte«. 1) In der Ethik jedoch (T. IV, Anhang, 8) steht schwarz auf weiss: »Nach dem höchsten Recht der Natur ist einem jeden Menschen unbeschränkt das zu thun gestattet, was nach seinem Urteil zu seinem Nutzen gereichen wird«; und in der Ab- handlung Von der wahren Freiheit heisst es: »Um das, was wir zu unsrem Heil und zu unserer Ruhe fordern, zu erlangen, bedürfen wir keiner anderen Grundsätze, als allein, dass wir das beherzigen, was zu unsrem eigenen Vorteil gereicht«. 2) Dass ein so edler Mann nicht verlegen ist, auf derartigen Grundlagen eine reine Morallehre aufzubauen, stellt seinen angeborenen kasuistischen Gaben das schönste Zeugnis aus; man sieht aber, auf jüdischem Boden hätte römisches Recht nicht wachsen können, sondern höchstens ein simplifiziertes Gesetz- buch, wie es etwa König Tippu Tib am Kongo brauchen mag. 3) Erst auf der Grundlage eines von Indoeuropäern erfundenen und bis ins Einzelne ausgeführten Rechtes konnte der Jude seine staunens- werten juristischen Fähigkeiten entdecken. — Ganz anders verhält es sich mit den Deutschen. Die Selbstaufopferung, der Drang, »von innen nach aussen zu bauen«, die Betonung des ethischen Momentes, der unbändige Freiheitssinn, kurz, die moralischen Eigenschaften hätten sie schon in reicher Fülle besessen. Nicht dagegen die geistigen. Der Scharfsinn war nie ein Nationalbesitz der Teutonen; das liegt so 1) Was für Augen hätten Cicero und Seneca, Scaevola und Papinian zu einer derartigen Auffassung des Naturrechtes gemacht! 2) Die Ähnlichkeit zwischen den Prinzipien (nicht den Folgerungen) Spinoza’s und Nietzsche’s ist auffallend genug, um die Aufmerksamkeit zu erregen. 3) Vor wenigen Jahren traf ich in Gesellschaft einen gebildeten Juden, Besitzer von Petroleumquellen und Mitglied des verruchten Petroleumringes; kein Argument vermochte es, den ehrenhaften Mann, der keine Fliege getötet hätte, von der moralischen Verwerflichkeit eines solchen Ringes zu überzeugen; seine beständige Antwort war: »ich kann’s, folglich darf ich es!« Buchstäblich Spinoza, wie man sieht. — Hiermit hängt jene schwere Frage zusammen, ob es in germa- nischen Ländern gestattet sein sollte, Männer jüdischen Stammes zu Richtern zu ernennen. Ohne jede Leidenschaftlichkeit und Voreingenommenheit, ohne das Wissen und die fleckenlose Ehrenhaftigkeit der Betreffenden anzuzweifeln, sollte man sich auf Grund historischer und ethischer Ergebnisse fragen, ob es denn vorauszusetzen sei, dass jene Männer die Fähigkeit besitzen, eine Rechtsauffassung sich vollkommen zu assimilieren, die ihren eingeborenen Anlagen so tief wider- spricht? ob sie dieses Recht, welches sie meisterhaft handhaben, auch wirklich verstehen und fühlen? Wer die scharf ausgesprochene Individualität der verschiedenen Menschenrassen erkennen gelernt hat, kann im tiefsten Ernst und ohne jede Ge- hässigkeit eine derartige Frage aufwerfen.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/194>, abgerufen am 28.04.2024.