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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

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und holte mich dahin ab. Wir machten uns auf
die Reise.

Ungefähr eine Stunde vom Orte, auf einem
sonnigen Plan, ward uns der Weg durch eine
festlich geschmückte Menge versperrt. Der Wagen
hielt. Musik, Glockengeläute, Kanonenschüße wur¬
den gehört, ein lautes Vivat durchdrang die Luft, --
vor dem Schlage des Wagens erschien in weißen
Kleidern ein Chor Jungfrauen von ausnehmen¬
der Schönheit, die aber vor der Einen, wie die
Sterne der Nacht vor der Sonne verschwanden.
Sie trat aus der Mitte der Schwestern hervor;
die hohe zarte Bildung kniete verschämt erröthend
vor mir nieder, und hielt mir auf seidenem Kis¬
sen, einen aus Lorbeer, Oelzweigen und Rosen
geflochtenen Kranz entgegen, indem sie von Ma¬
jestät, Ehrfurcht und Liebe einige Worte sprach,
die ich nicht verstand, aber deren zauberischer Sil¬
berklang mein Ohr und Herz berauschten, -- es
war mir, als wäre schon einmal die himmlische
Erscheinung an mir vorüber gewallt. Der Chor
fiel ein, und sang das Lob eines guten Königes
und das Glück seines Volkes.

und holte mich dahin ab. Wir machten uns auf
die Reiſe.

Ungefaͤhr eine Stunde vom Orte, auf einem
ſonnigen Plan, ward uns der Weg durch eine
feſtlich geſchmuͤckte Menge verſperrt. Der Wagen
hielt. Muſik, Glockengelaͤute, Kanonenſchuͤße wur¬
den gehoͤrt, ein lautes Vivat durchdrang die Luft, —
vor dem Schlage des Wagens erſchien in weißen
Kleidern ein Chor Jungfrauen von ausnehmen¬
der Schoͤnheit, die aber vor der Einen, wie die
Sterne der Nacht vor der Sonne verſchwanden.
Sie trat aus der Mitte der Schweſtern hervor;
die hohe zarte Bildung kniete verſchaͤmt erroͤthend
vor mir nieder, und hielt mir auf ſeidenem Kiſ¬
ſen, einen aus Lorbeer, Oelzweigen und Roſen
geflochtenen Kranz entgegen, indem ſie von Ma¬
jeſtaͤt, Ehrfurcht und Liebe einige Worte ſprach,
die ich nicht verſtand, aber deren zauberiſcher Sil¬
berklang mein Ohr und Herz berauſchten, — es
war mir, als waͤre ſchon einmal die himmliſche
Erſcheinung an mir voruͤber gewallt. Der Chor
fiel ein, und ſang das Lob eines guten Koͤniges
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[38/0058] und holte mich dahin ab. Wir machten uns auf die Reiſe. Ungefaͤhr eine Stunde vom Orte, auf einem ſonnigen Plan, ward uns der Weg durch eine feſtlich geſchmuͤckte Menge verſperrt. Der Wagen hielt. Muſik, Glockengelaͤute, Kanonenſchuͤße wur¬ den gehoͤrt, ein lautes Vivat durchdrang die Luft, — vor dem Schlage des Wagens erſchien in weißen Kleidern ein Chor Jungfrauen von ausnehmen¬ der Schoͤnheit, die aber vor der Einen, wie die Sterne der Nacht vor der Sonne verſchwanden. Sie trat aus der Mitte der Schweſtern hervor; die hohe zarte Bildung kniete verſchaͤmt erroͤthend vor mir nieder, und hielt mir auf ſeidenem Kiſ¬ ſen, einen aus Lorbeer, Oelzweigen und Roſen geflochtenen Kranz entgegen, indem ſie von Ma¬ jeſtaͤt, Ehrfurcht und Liebe einige Worte ſprach, die ich nicht verſtand, aber deren zauberiſcher Sil¬ berklang mein Ohr und Herz berauſchten, — es war mir, als waͤre ſchon einmal die himmliſche Erſcheinung an mir voruͤber gewallt. Der Chor fiel ein, und ſang das Lob eines guten Koͤniges und das Gluͤck ſeines Volkes.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/58>, abgerufen am 28.04.2024.