Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Eylffte Predigt
2. Exomologesis, die Kirchen-Buß/ offentliche Abbitt und Bekantnuß.
Irenaeus l. 1. gedencket etlicher von dem Ketzer Marco verführter Weiber/
welche mit heulen und klagen ihre Bekantnuß abgeleget. Dessen soll sich
niemand schämen/ dieweil dadurch GOttes Gnade gewonnen/ die Engel
erfreuet/ und das Gewissen beruhiget wird. Männiglich soll da Mitlei-
den haben/ und gedencken/ was diesem begegnet/ kan einem andern auch
begegnen/ und habe ein jeder/ der da meynt er stehe/ wol zu zusehen/ daß er
nicht falle. 3. Paradeigma, das Beyspiel/ das sich andere daran stossen/
und für Sünden hüten. 4. Lucrum ovis, der Seelen Gewinn daß
man dem Ertz-Hirten sein Schäfflein wieder zuführe/ welches ihm ans
Hertz gewachsen ist. Der Schaaff-Diebstal war vor zeiten ein grosses
Verbrechen/ weil es dem Hirten gleichsam ans Hertz gebacken/ wer ihm
sein Schaaff angreifft/ der greifft ihm ans Hertz. Daher schreibet Jo-
sephus l. 4. antiq. c. 8. Wer Gold oder Silber gestohlen/ mußte es zwey-
fach/ wer aber ein Schaaff gestohlen/ vierfach wieder erstatten. Men-
schen- und Seelen-Diebstahl ist der gröste Diebstahl. Um so viel grösser
aber der Diebstahl/ um so viel köstlicher ist die Errettung der Seelen vom
ewigen Tod.

Dieses dienet uns allen 1. tanquam motiva oculorum ad sympa-
thian,
daß wann wir von dergleichen Vorstellung hören/ wir dieselbe mit
verständigen mitleidenden Augen ansehen/ woher es kommet/ und wohin
es gemeinet seye/ und uns nicht damit kützlen. 2. Tanquam conscientiae
campana,
als ein Gewissens-Wecker. Dann dieweil solche Vorstellungen
nicht genugsam/ nur allein auff die Unzucht/ Ehe-Händel/ Fluchen und
Schwören gehen/ soll ein jeder in sich selbs zuruck schlagen und gedencken/
so solte es mir auch ergehen/ ich hab eben das verdienet. Ey ich habe/
möchte einer sagen/ gemeynet/ es seye genug/ wann ich meine Beicht thue?
Antwort: Jn geheimen/ aber nicht offentlichen Aergernussen mag es
wol dabey bleiben. 3. Ad revocationem antiquitatis Christianae, zur
Wiedergedächtnuß der alten Christlichen Kirchen: Zeitlich hats in die-
sem Stuck anfangen zu hincken. August. epist. 64. klaget von seiner
Zeit: Impudicitia & cubilia acerrime in Ecclesia vindicantur, sed com-
messationes & contentiones tolerabilia videntur hominibus, & sic pau-
latim fiet, ut nec vitia putentur.
Das ist: Unkeuschheit und Hure-
rey werden in der Kirch hefftig geandet/ aber zechen und balgen
komt den Leuten erträglich vor/ und wird noch darzu kommen/
daß man es für kein Laster mehr achten wird. Und eben daselbst
schreibet er von der Africanischen Kirchen: quod per dies solennes

ebrietates

Die Eylffte Predigt
2. Exomologeſis, die Kirchen-Buß/ offentliche Abbitt und Bekantnuß.
Irenæus l. 1. gedencket etlicher von dem Ketzer Marco verfuͤhrter Weiber/
welche mit heulen und klagen ihre Bekantnuß abgeleget. Deſſen ſoll ſich
niemand ſchaͤmen/ dieweil dadurch GOttes Gnade gewonnen/ die Engel
erfreuet/ und das Gewiſſen beruhiget wird. Maͤnniglich ſoll da Mitlei-
den haben/ und gedencken/ was dieſem begegnet/ kan einem andern auch
begegnen/ und habe ein jeder/ der da meynt er ſtehe/ wol zu zuſehen/ daß er
nicht falle. 3. Παράδειγμα, das Beyſpiel/ das ſich andere daran ſtoſſen/
und fuͤr Suͤnden huͤten. 4. Lucrum ovis, der Seelen Gewinn daß
man dem Ertz-Hirten ſein Schaͤfflein wieder zufuͤhre/ welches ihm ans
Hertz gewachſen iſt. Der Schaaff-Diebſtal war vor zeiten ein groſſes
Verbrechen/ weil es dem Hirten gleichſam ans Hertz gebacken/ wer ihm
ſein Schaaff angreifft/ der greifft ihm ans Hertz. Daher ſchreibet Jo-
ſephus l. 4. antiq. c. 8. Wer Gold oder Silber geſtohlen/ mußte es zwey-
fach/ wer aber ein Schaaff geſtohlen/ vierfach wieder erſtatten. Men-
ſchen- und Seelen-Diebſtahl iſt der groͤſte Diebſtahl. Um ſo viel groͤſſer
aber der Diebſtahl/ um ſo viel koͤſtlicher iſt die Errettung der Seelen vom
ewigen Tod.

Dieſes dienet uns allen 1. tanquam motiva oculorum ad ſympa-
thian,
daß wann wir von dergleichen Vorſtellung hoͤren/ wir dieſelbe mit
verſtaͤndigen mitleidenden Augen anſehen/ woher es kommet/ und wohin
es gemeinet ſeye/ und uns nicht damit kuͤtzlen. 2. Tanquam conſcientiæ
campana,
als ein Gewiſſens-Wecker. Dann dieweil ſolche Vorſtellungen
nicht genugſam/ nur allein auff die Unzucht/ Ehe-Haͤndel/ Fluchen und
Schwoͤren gehen/ ſoll ein jeder in ſich ſelbs zuruck ſchlagen und gedencken/
ſo ſolte es mir auch ergehen/ ich hab eben das verdienet. Ey ich habe/
moͤchte einer ſagen/ gemeynet/ es ſeye genug/ wann ich meine Beicht thue?
Antwort: Jn geheimen/ aber nicht offentlichen Aergernuſſen mag es
wol dabey bleiben. 3. Ad revocationem antiquitatis Chriſtianæ, zur
Wiedergedaͤchtnuß der alten Chriſtlichen Kirchen: Zeitlich hats in die-
ſem Stuck anfangen zu hincken. Auguſt. epiſt. 64. klaget von ſeiner
Zeit: Impudicitia & cubilia acerrimè in Eccleſia vindicantur, ſed com-
meſſationes & contentiones tolerabilia videntur hominibus, & ſic pau-
latim fiet, ut nec vitia putentur.
Das iſt: Unkeuſchheit und Hure-
rey werden in der Kirch hefftig geandet/ aber zechen und balgen
komt den Leuten ertraͤglich vor/ und wird noch darzu kommen/
daß man es fuͤr kein Laſter mehr achten wird. Und eben daſelbſt
ſchreibet er von der Africaniſchen Kirchen: quod per dies ſolennes

ebrietates
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0318" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Eylffte Predigt</hi></fw><lb/>
2. <hi rendition="#aq">Exomologe&#x017F;is,</hi> die Kirchen-Buß/ offentliche Abbitt und Bekantnuß.<lb/><hi rendition="#aq">Irenæus l.</hi> 1. gedencket etlicher von dem Ketzer <hi rendition="#aq">Marco</hi> verfu&#x0364;hrter Weiber/<lb/>
welche mit heulen und klagen ihre Bekantnuß abgeleget. De&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oll &#x017F;ich<lb/>
niemand &#x017F;cha&#x0364;men/ dieweil dadurch GOttes Gnade gewonnen/ die Engel<lb/>
erfreuet/ und das Gewi&#x017F;&#x017F;en beruhiget wird. Ma&#x0364;nniglich &#x017F;oll da Mitlei-<lb/>
den haben/ und gedencken/ was die&#x017F;em begegnet/ kan einem andern auch<lb/>
begegnen/ und habe ein jeder/ der da meynt er &#x017F;tehe/ wol zu zu&#x017F;ehen/ daß er<lb/>
nicht falle. 3. &#x03A0;&#x03B1;&#x03C1;&#x03AC;&#x03B4;&#x03B5;&#x03B9;&#x03B3;&#x03BC;&#x03B1;, das Bey&#x017F;piel/ das &#x017F;ich andere daran &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
und fu&#x0364;r Su&#x0364;nden hu&#x0364;ten. 4. <hi rendition="#aq">Lucrum ovis,</hi> der Seelen Gewinn daß<lb/>
man dem Ertz-Hirten &#x017F;ein Scha&#x0364;fflein wieder zufu&#x0364;hre/ welches ihm ans<lb/>
Hertz gewach&#x017F;en i&#x017F;t. Der Schaaff-Dieb&#x017F;tal war vor zeiten ein gro&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Verbrechen/ weil es dem Hirten gleich&#x017F;am ans Hertz gebacken/ wer ihm<lb/>
&#x017F;ein Schaaff angreifft/ der greifft ihm ans Hertz. Daher &#x017F;chreibet Jo-<lb/>
&#x017F;ephus <hi rendition="#aq">l. 4. antiq. c.</hi> 8. Wer Gold oder Silber ge&#x017F;tohlen/ mußte es zwey-<lb/>
fach/ wer aber ein Schaaff ge&#x017F;tohlen/ vierfach wieder er&#x017F;tatten. Men-<lb/>
&#x017F;chen- und Seelen-Dieb&#x017F;tahl i&#x017F;t der gro&#x0364;&#x017F;te Dieb&#x017F;tahl. Um &#x017F;o viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er<lb/>
aber der Dieb&#x017F;tahl/ um &#x017F;o viel ko&#x0364;&#x017F;tlicher i&#x017F;t die Errettung der Seelen vom<lb/>
ewigen Tod.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es dienet uns allen 1. <hi rendition="#aq">tanquam motiva oculorum ad &#x017F;ympa-<lb/>
thian,</hi> daß wann wir von dergleichen Vor&#x017F;tellung ho&#x0364;ren/ wir die&#x017F;elbe mit<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen mitleidenden Augen an&#x017F;ehen/ woher es kommet/ und wohin<lb/>
es gemeinet &#x017F;eye/ und uns nicht damit ku&#x0364;tzlen. 2. <hi rendition="#aq">Tanquam con&#x017F;cientiæ<lb/>
campana,</hi> als ein Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Wecker. Dann dieweil &#x017F;olche Vor&#x017F;tellungen<lb/>
nicht genug&#x017F;am/ nur allein auff die Unzucht/ Ehe-Ha&#x0364;ndel/ Fluchen und<lb/>
Schwo&#x0364;ren gehen/ &#x017F;oll ein jeder in &#x017F;ich &#x017F;elbs zuruck &#x017F;chlagen und gedencken/<lb/>
&#x017F;o &#x017F;olte es mir auch ergehen/ ich hab eben das verdienet. Ey ich habe/<lb/>
mo&#x0364;chte einer &#x017F;agen/ gemeynet/ es &#x017F;eye genug/ wann ich meine Beicht thue?<lb/>
Antwort: Jn geheimen/ aber nicht offentlichen Aergernu&#x017F;&#x017F;en mag es<lb/>
wol dabey bleiben. 3. <hi rendition="#aq">Ad revocationem antiquitatis Chri&#x017F;tianæ,</hi> zur<lb/>
Wiedergeda&#x0364;chtnuß der alten Chri&#x017F;tlichen Kirchen: Zeitlich hats in die-<lb/>
&#x017F;em Stuck anfangen zu hincken. <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;t. epi&#x017F;t.</hi> 64. klaget von &#x017F;einer<lb/>
Zeit: <hi rendition="#aq">Impudicitia &amp; cubilia acerrimè in Eccle&#x017F;ia vindicantur, &#x017F;ed com-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;ationes &amp; contentiones tolerabilia videntur hominibus, &amp; &#x017F;ic pau-<lb/>
latim fiet, ut nec vitia putentur.</hi> Das i&#x017F;t: Unkeu&#x017F;chheit und Hure-<lb/>
rey werden in der Kirch hefftig geandet/ aber zechen und balgen<lb/>
komt den Leuten ertra&#x0364;glich vor/ und wird noch darzu kommen/<lb/>
daß man es fu&#x0364;r kein La&#x017F;ter mehr achten wird. Und eben da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chreibet er von der Africani&#x017F;chen Kirchen: <hi rendition="#aq">quod per dies &#x017F;olennes</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">ebrietates</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0318] Die Eylffte Predigt 2. Exomologeſis, die Kirchen-Buß/ offentliche Abbitt und Bekantnuß. Irenæus l. 1. gedencket etlicher von dem Ketzer Marco verfuͤhrter Weiber/ welche mit heulen und klagen ihre Bekantnuß abgeleget. Deſſen ſoll ſich niemand ſchaͤmen/ dieweil dadurch GOttes Gnade gewonnen/ die Engel erfreuet/ und das Gewiſſen beruhiget wird. Maͤnniglich ſoll da Mitlei- den haben/ und gedencken/ was dieſem begegnet/ kan einem andern auch begegnen/ und habe ein jeder/ der da meynt er ſtehe/ wol zu zuſehen/ daß er nicht falle. 3. Παράδειγμα, das Beyſpiel/ das ſich andere daran ſtoſſen/ und fuͤr Suͤnden huͤten. 4. Lucrum ovis, der Seelen Gewinn daß man dem Ertz-Hirten ſein Schaͤfflein wieder zufuͤhre/ welches ihm ans Hertz gewachſen iſt. Der Schaaff-Diebſtal war vor zeiten ein groſſes Verbrechen/ weil es dem Hirten gleichſam ans Hertz gebacken/ wer ihm ſein Schaaff angreifft/ der greifft ihm ans Hertz. Daher ſchreibet Jo- ſephus l. 4. antiq. c. 8. Wer Gold oder Silber geſtohlen/ mußte es zwey- fach/ wer aber ein Schaaff geſtohlen/ vierfach wieder erſtatten. Men- ſchen- und Seelen-Diebſtahl iſt der groͤſte Diebſtahl. Um ſo viel groͤſſer aber der Diebſtahl/ um ſo viel koͤſtlicher iſt die Errettung der Seelen vom ewigen Tod. Dieſes dienet uns allen 1. tanquam motiva oculorum ad ſympa- thian, daß wann wir von dergleichen Vorſtellung hoͤren/ wir dieſelbe mit verſtaͤndigen mitleidenden Augen anſehen/ woher es kommet/ und wohin es gemeinet ſeye/ und uns nicht damit kuͤtzlen. 2. Tanquam conſcientiæ campana, als ein Gewiſſens-Wecker. Dann dieweil ſolche Vorſtellungen nicht genugſam/ nur allein auff die Unzucht/ Ehe-Haͤndel/ Fluchen und Schwoͤren gehen/ ſoll ein jeder in ſich ſelbs zuruck ſchlagen und gedencken/ ſo ſolte es mir auch ergehen/ ich hab eben das verdienet. Ey ich habe/ moͤchte einer ſagen/ gemeynet/ es ſeye genug/ wann ich meine Beicht thue? Antwort: Jn geheimen/ aber nicht offentlichen Aergernuſſen mag es wol dabey bleiben. 3. Ad revocationem antiquitatis Chriſtianæ, zur Wiedergedaͤchtnuß der alten Chriſtlichen Kirchen: Zeitlich hats in die- ſem Stuck anfangen zu hincken. Auguſt. epiſt. 64. klaget von ſeiner Zeit: Impudicitia & cubilia acerrimè in Eccleſia vindicantur, ſed com- meſſationes & contentiones tolerabilia videntur hominibus, & ſic pau- latim fiet, ut nec vitia putentur. Das iſt: Unkeuſchheit und Hure- rey werden in der Kirch hefftig geandet/ aber zechen und balgen komt den Leuten ertraͤglich vor/ und wird noch darzu kommen/ daß man es fuͤr kein Laſter mehr achten wird. Und eben daſelbſt ſchreibet er von der Africaniſchen Kirchen: quod per dies ſolennes ebrietates

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/318
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/318>, abgerufen am 19.05.2024.