Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom Gewalt der Schlüssel.
ebrietates licitae putantur, quod ipsum quis non lugendum censeat;
quanquam si tantum flagitiosa, & non etiam sacrilega essent, quibus-
cumque tolerantiae viribus sustentanda putaremus;
Das ist: Man
meynet/ Fressen und Sauffen seye an Feyertägen erlaubt/
wen solte dieses nicht betrüben? Welches/ wann es nur schlecht
unrecht/ und nicht auch wider GOtt/ so würde mans mit allen
Kräfften suchen zu erhalten und zu entschuldigen. O lieber
Augustine, soltestu heut unter uns leben/ und diesen Sommer durch das
Sabbath-Schänden/ des Satans Unflath und Aergernuß sehen/ du wür-
dest sagen: ich bin ein gewisser Prophet gewesen; aber gleichwol wenig
damit außrichten/ man würde dich als einen einfältigen Pfaffenverlachen.
Es ist aber solche Licentz und Unterlassung der Buß-Zucht nach Luthero
erst recht angegangen/ da man von des Papsts Joch auffs andere extre-
mum
gefallen. Niemand wil recht dazu helffen; mancher förchtet sich/
wann er einem anderen einen Splitter wolte außziehen/ man möchte ihm
seinen eygenen Balcken vorweisen; andere Schein bergen/ wann Aerger-
nuß einreissen/ und wollen den Wolff nicht anschreyen. Es ist aber da-
durch alle das Unheyl in Teutschland verursacht worden. Criminalia
maleficia,
peinliche/ halssträffliche Laster haben eben GOtt nicht in Har-
nisch gebracht/ sondern die ungeante/ von hohen und nidern Stands Per-
sonen impune, ohne scheu und Forcht begangene Sünden. Wieviel/
meynen wir/ seind in solchen Sünden gestorben und verdammt worden?
Sprichstu: die Gewonheit ist allzustarck eingewurtzelt; Antwort: eben
darum wünschen wir ein allgemeines Concilium und Reformation in
allen Ständen/ wegen der einmahl künfftigen Vorstellung für dem Jüng-
sten Gericht. Wer ihm hier nicht rathen läßt/ der hat eine andere Vor-
stellung zu gewarten/ deren er nicht gelachen noch entgehen wird. Wann
wir uns selber richteten/ und fürstelleten durch ernstliche Bekantnuß und
Bereuung der Sünden/ so dörfften wir nicht von dem Herrn gerichtet
werden. 1. Cor. 11, 31. Dieweil aber Christliche Hertzen zweifflen und ge-
dencken möchten; Wir seind nicht vorgestellet worden/ darum seind uns
unsere Sünden nicht vergeben/ so tröstet euch ihr betrübte Hertzen und reu-
ende Sünder/ der Vorstellung JEsu Christi/ euers Heylands/ so werdet
ihr vor der Ecclesia und Gemeine aller H. Engel und Außerwehlten dro-
ben im Himmel nicht so schamroth werden oder erbleichen dörffen. Unde
timor judicii? quis enim veniet judicare te, nisi qui venit judicati pro
te?
spricht Augustin. in Psalm. 147. Warum förchtestu dich vor
dem Gericht? dann wer ist kommen dich zu richten/ ohne der da

gekom-
P p iij

Vom Gewalt der Schluͤſſel.
ebrietates licitæ putantur, quod ipſum quis non lugendum cenſeat;
quanquam ſi tantum flagitioſa, & non etiam ſacrilega eſſent, quibus-
cumque tolerantiæ viribus ſuſtentanda putaremus;
Das iſt: Man
meynet/ Freſſen und Sauffen ſeye an Feyertaͤgen erlaubt/
wen ſolte dieſes nicht betruͤben? Welches/ wann es nur ſchlecht
unrecht/ und nicht auch wider GOtt/ ſo wuͤrde mans mit allen
Kraͤfften ſuchen zu erhalten und zu entſchuldigen. O lieber
Auguſtine, ſolteſtu heut unter uns leben/ und dieſen Sommer durch das
Sabbath-Schaͤnden/ des Satans Unflath und Aergernuß ſehen/ du wuͤr-
deſt ſagen: ich bin ein gewiſſer Prophet geweſen; aber gleichwol wenig
damit außrichten/ man wuͤrde dich als einen einfaͤltigen Pfaffenverlachen.
Es iſt aber ſolche Licentz und Unterlaſſung der Buß-Zucht nach Luthero
erſt recht angegangen/ da man von des Papſts Joch auffs andere extre-
mum
gefallen. Niemand wil recht dazu helffen; mancher foͤrchtet ſich/
wann er einem anderen einen Splitter wolte außziehen/ man moͤchte ihm
ſeinen eygenen Balcken vorweiſen; andere Schein bergen/ wann Aerger-
nuß einreiſſen/ und wollen den Wolff nicht anſchreyen. Es iſt aber da-
durch alle das Unheyl in Teutſchland verurſacht worden. Criminalia
maleficia,
peinliche/ halsſtraͤffliche Laſter haben eben GOtt nicht in Har-
niſch gebracht/ ſondern die ungeante/ von hohen und nidern Stands Per-
ſonen impunè, ohne ſcheu und Forcht begangene Suͤnden. Wieviel/
meynen wir/ ſeind in ſolchen Suͤnden geſtorben und verdammt worden?
Sprichſtu: die Gewonheit iſt allzuſtarck eingewurtzelt; Antwort: eben
darum wuͤnſchen wir ein allgemeines Concilium und Reformation in
allen Staͤnden/ wegen der einmahl kuͤnfftigen Vorſtellung fuͤr dem Juͤng-
ſten Gericht. Wer ihm hier nicht rathen laͤßt/ der hat eine andere Vor-
ſtellung zu gewarten/ deren er nicht gelachen noch entgehen wird. Wann
wir uns ſelber richteten/ und fuͤrſtelleten durch ernſtliche Bekantnuß und
Bereuung der Suͤnden/ ſo doͤrfften wir nicht von dem Herrn gerichtet
werden. 1. Cor. 11, 31. Dieweil aber Chriſtliche Hertzen zweifflen und ge-
dencken moͤchten; Wir ſeind nicht vorgeſtellet worden/ darum ſeind uns
unſere Suͤnden nicht vergeben/ ſo troͤſtet euch ihr betruͤbte Hertzen und reu-
ende Suͤnder/ der Vorſtellung JEſu Chriſti/ euers Heylands/ ſo werdet
ihr vor der Eccleſia und Gemeine aller H. Engel und Außerwehlten dro-
ben im Himmel nicht ſo ſchamroth werden oder erbleichen doͤrffen. Unde
timor judicii? quis enim veniet judicare te, niſi qui venit judicati pro
te?
ſpricht Auguſtin. in Pſalm. 147. Warum foͤrchteſtu dich vor
dem Gericht? dann wer iſt kommen dich zu richten/ ohne der da

gekom-
P p iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0319" n="301"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom Gewalt der Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">ebrietates licitæ putantur, quod ip&#x017F;um quis non lugendum cen&#x017F;eat;<lb/>
quanquam &#x017F;i tantum flagitio&#x017F;a, &amp; non etiam &#x017F;acrilega e&#x017F;&#x017F;ent, quibus-<lb/>
cumque tolerantiæ viribus &#x017F;u&#x017F;tentanda putaremus;</hi> Das i&#x017F;t: Man<lb/>
meynet/ Fre&#x017F;&#x017F;en und Sauffen &#x017F;eye an Feyerta&#x0364;gen erlaubt/<lb/>
wen &#x017F;olte die&#x017F;es nicht betru&#x0364;ben<hi rendition="#fr">?</hi> Welches/ wann es nur &#x017F;chlecht<lb/>
unrecht/ und nicht auch wider GOtt/ &#x017F;o wu&#x0364;rde mans mit allen<lb/>
Kra&#x0364;fften &#x017F;uchen zu erhalten und zu ent&#x017F;chuldigen. O lieber<lb/><hi rendition="#aq">Augu&#x017F;tine,</hi> &#x017F;olte&#x017F;tu heut unter uns leben/ und die&#x017F;en Sommer durch das<lb/>
Sabbath-Scha&#x0364;nden/ des Satans Unflath und Aergernuß &#x017F;ehen/ du wu&#x0364;r-<lb/>
de&#x017F;t &#x017F;agen: ich bin ein gewi&#x017F;&#x017F;er Prophet gewe&#x017F;en; aber gleichwol wenig<lb/>
damit außrichten/ man wu&#x0364;rde dich als einen einfa&#x0364;ltigen Pfaffenverlachen.<lb/>
Es i&#x017F;t aber &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Licentz</hi> und Unterla&#x017F;&#x017F;ung der Buß-Zucht nach Luthero<lb/>
er&#x017F;t recht angegangen/ da man von des Pap&#x017F;ts Joch auffs andere <hi rendition="#aq">extre-<lb/>
mum</hi> gefallen. Niemand wil recht dazu helffen; mancher fo&#x0364;rchtet &#x017F;ich/<lb/>
wann er einem anderen einen Splitter wolte außziehen/ man mo&#x0364;chte ihm<lb/>
&#x017F;einen eygenen Balcken vorwei&#x017F;en; andere Schein bergen/ wann Aerger-<lb/>
nuß einrei&#x017F;&#x017F;en/ und wollen den Wolff nicht an&#x017F;chreyen. Es i&#x017F;t aber da-<lb/>
durch alle das Unheyl in Teut&#x017F;chland verur&#x017F;acht worden. <hi rendition="#aq">Criminalia<lb/>
maleficia,</hi> peinliche/ hals&#x017F;tra&#x0364;ffliche La&#x017F;ter haben eben GOtt nicht in Har-<lb/>
ni&#x017F;ch gebracht/ &#x017F;ondern die ungeante/ von hohen und nidern Stands Per-<lb/>
&#x017F;onen <hi rendition="#aq">impunè,</hi> ohne &#x017F;cheu und Forcht begangene Su&#x0364;nden. Wieviel/<lb/>
meynen wir/ &#x017F;eind in &#x017F;olchen Su&#x0364;nden ge&#x017F;torben und verdammt worden?<lb/>
Sprich&#x017F;tu: die Gewonheit i&#x017F;t allzu&#x017F;tarck eingewurtzelt; Antwort: eben<lb/>
darum wu&#x0364;n&#x017F;chen wir ein allgemeines <hi rendition="#aq">Concilium</hi> und <hi rendition="#aq">Reformation</hi> in<lb/>
allen Sta&#x0364;nden/ wegen der einmahl ku&#x0364;nfftigen Vor&#x017F;tellung fu&#x0364;r dem Ju&#x0364;ng-<lb/>
&#x017F;ten Gericht. Wer ihm hier nicht rathen la&#x0364;ßt/ der hat eine andere Vor-<lb/>
&#x017F;tellung zu gewarten/ deren er nicht gelachen noch entgehen wird. Wann<lb/>
wir uns &#x017F;elber richteten/ und fu&#x0364;r&#x017F;telleten durch ern&#x017F;tliche Bekantnuß und<lb/>
Bereuung der Su&#x0364;nden/ &#x017F;o do&#x0364;rfften wir nicht von dem <hi rendition="#k">Herrn</hi> gerichtet<lb/>
werden. 1. <hi rendition="#aq">Cor.</hi> 11, 31. Dieweil aber Chri&#x017F;tliche Hertzen zweifflen und ge-<lb/>
dencken mo&#x0364;chten; Wir &#x017F;eind nicht vorge&#x017F;tellet worden/ darum &#x017F;eind uns<lb/>
un&#x017F;ere Su&#x0364;nden nicht vergeben/ &#x017F;o tro&#x0364;&#x017F;tet euch ihr betru&#x0364;bte Hertzen und reu-<lb/>
ende Su&#x0364;nder/ der Vor&#x017F;tellung JE&#x017F;u Chri&#x017F;ti/ euers Heylands/ &#x017F;o werdet<lb/>
ihr vor der <hi rendition="#aq">Eccle&#x017F;ia</hi> und Gemeine aller H. Engel und Außerwehlten dro-<lb/>
ben im Himmel nicht &#x017F;o &#x017F;chamroth werden oder erbleichen do&#x0364;rffen. <hi rendition="#aq">Unde<lb/>
timor judicii? quis enim veniet judicare te, ni&#x017F;i qui venit judicati pro<lb/>
te?</hi> &#x017F;pricht <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;tin. in P&#x017F;alm.</hi> 147. Warum fo&#x0364;rchte&#x017F;tu dich vor<lb/>
dem Gericht<hi rendition="#fr">?</hi> dann wer i&#x017F;t kommen dich zu richten/ ohne der da<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P p iij</fw><fw place="bottom" type="catch">gekom-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0319] Vom Gewalt der Schluͤſſel. ebrietates licitæ putantur, quod ipſum quis non lugendum cenſeat; quanquam ſi tantum flagitioſa, & non etiam ſacrilega eſſent, quibus- cumque tolerantiæ viribus ſuſtentanda putaremus; Das iſt: Man meynet/ Freſſen und Sauffen ſeye an Feyertaͤgen erlaubt/ wen ſolte dieſes nicht betruͤben? Welches/ wann es nur ſchlecht unrecht/ und nicht auch wider GOtt/ ſo wuͤrde mans mit allen Kraͤfften ſuchen zu erhalten und zu entſchuldigen. O lieber Auguſtine, ſolteſtu heut unter uns leben/ und dieſen Sommer durch das Sabbath-Schaͤnden/ des Satans Unflath und Aergernuß ſehen/ du wuͤr- deſt ſagen: ich bin ein gewiſſer Prophet geweſen; aber gleichwol wenig damit außrichten/ man wuͤrde dich als einen einfaͤltigen Pfaffenverlachen. Es iſt aber ſolche Licentz und Unterlaſſung der Buß-Zucht nach Luthero erſt recht angegangen/ da man von des Papſts Joch auffs andere extre- mum gefallen. Niemand wil recht dazu helffen; mancher foͤrchtet ſich/ wann er einem anderen einen Splitter wolte außziehen/ man moͤchte ihm ſeinen eygenen Balcken vorweiſen; andere Schein bergen/ wann Aerger- nuß einreiſſen/ und wollen den Wolff nicht anſchreyen. Es iſt aber da- durch alle das Unheyl in Teutſchland verurſacht worden. Criminalia maleficia, peinliche/ halsſtraͤffliche Laſter haben eben GOtt nicht in Har- niſch gebracht/ ſondern die ungeante/ von hohen und nidern Stands Per- ſonen impunè, ohne ſcheu und Forcht begangene Suͤnden. Wieviel/ meynen wir/ ſeind in ſolchen Suͤnden geſtorben und verdammt worden? Sprichſtu: die Gewonheit iſt allzuſtarck eingewurtzelt; Antwort: eben darum wuͤnſchen wir ein allgemeines Concilium und Reformation in allen Staͤnden/ wegen der einmahl kuͤnfftigen Vorſtellung fuͤr dem Juͤng- ſten Gericht. Wer ihm hier nicht rathen laͤßt/ der hat eine andere Vor- ſtellung zu gewarten/ deren er nicht gelachen noch entgehen wird. Wann wir uns ſelber richteten/ und fuͤrſtelleten durch ernſtliche Bekantnuß und Bereuung der Suͤnden/ ſo doͤrfften wir nicht von dem Herrn gerichtet werden. 1. Cor. 11, 31. Dieweil aber Chriſtliche Hertzen zweifflen und ge- dencken moͤchten; Wir ſeind nicht vorgeſtellet worden/ darum ſeind uns unſere Suͤnden nicht vergeben/ ſo troͤſtet euch ihr betruͤbte Hertzen und reu- ende Suͤnder/ der Vorſtellung JEſu Chriſti/ euers Heylands/ ſo werdet ihr vor der Eccleſia und Gemeine aller H. Engel und Außerwehlten dro- ben im Himmel nicht ſo ſchamroth werden oder erbleichen doͤrffen. Unde timor judicii? quis enim veniet judicare te, niſi qui venit judicati pro te? ſpricht Auguſtin. in Pſalm. 147. Warum foͤrchteſtu dich vor dem Gericht? dann wer iſt kommen dich zu richten/ ohne der da gekom- P p iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/319
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/319>, abgerufen am 07.05.2024.