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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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stetig gerufen und blieb bis nachts umb elf und zwölf Uhr außen, oder die ganze Nacht. Ohne, was mir auf Gevatterschaften und Hochzeiten ging, welches ich ihr geben mußte, wollte ich Friede haben. Und wurde doch den ganzen Tag unter allem Dreschen vor den ärgesten Geizteufel und gottlosesten Mann unter der Sonne ausgeschrieen von ihr!

Das that sie aus einer besondern Absicht, weil sie schon eine alte Frau, und meinete: wann sie sterben sollte, sollte ich keine bekommen; und gönnete es keiner andern! - Und ich muß gestehen, daß mir's übele blame gemacht; Schaden gethan.

Einsmals beklagte ich mich (weil ich mir bei solchen Umbständen nicht mehr zu helfen wußte) bei einem Rechtsklugen, welchen ich zu barbieren,' sagte mir: weil sich die Frau gar nicht wollte bändigen lassen und mir zur Hand gehen, ich sollte sie einmal recht durchkarbatschen, indeß die Kastigation wäre zu lässig, wann eine Frau mit Worten nicht wollte folgen.

Ich warnete sie derhalben oft: sie sollte mir's nicht zu bunt machen, und mich des Nachts nicht aus meiner Ruhe, bei so spätem Ausbleiben, stören; denn ich mich des Tages müde arbeiten und laufen müßte. - War ihre Antwort: sie ging zu ihren Kindern und Freunden und an keine böse Örter. - Und half weiter nichts.

Sie war gleich den Abend drauf bis umb zwölf Uhr weg. Endlich kam sie, mit zwei Dieners begleitet. Da sie weidlich angeschmissen, machten sie ihren Adieu. Ich aber machte stillschweigend im Finstern die Thür auf (so sie schon gewohnet), machte auch so die Thür wieder zu, und fing an zu karbatschen, recht! Da ward ein Zetergeschrei im Haus, daß alles zulief. Ich aber geschwind in mein Bette.

Da hieß es: "was ist ihr denn, Frau Dietzen, geschehen?" Denn sie sahen keinen Menschen bei ihr und

stetig gerufen und blieb bis nachts umb elf und zwölf Uhr außen, oder die ganze Nacht. Ohne, was mir auf Gevatterschaften und Hochzeiten ging, welches ich ihr geben mußte, wollte ich Friede haben. Und wurde doch den ganzen Tag unter allem Dreschen vor den ärgesten Geizteufel und gottlosesten Mann unter der Sonne ausgeschrieen von ihr!

Das that sie aus einer besondern Absicht, weil sie schon eine alte Frau, und meinete: wann sie sterben sollte, sollte ich keine bekommen; und gönnete es keiner andern! – Und ich muß gestehen, daß mir’s übele bláme gemacht; Schaden gethan.

Einsmals beklagte ich mich (weil ich mir bei solchen Umbständen nicht mehr zu helfen wußte) bei einem Rechtsklugen, welchen ich zu barbieren,’ sagte mir: weil sich die Frau gar nicht wollte bändigen lassen und mir zur Hand gehen, ich sollte sie einmal recht durchkarbatschen, indeß die Kastigation wäre zu lässig, wann eine Frau mit Worten nicht wollte folgen.

Ich warnete sie derhalben oft: sie sollte mir’s nicht zu bunt machen, und mich des Nachts nicht aus meiner Ruhe, bei so spätem Ausbleiben, stören; denn ich mich des Tages müde arbeiten und laufen müßte. – War ihre Antwort: sie ging zu ihren Kindern und Freunden und an keine böse Örter. – Und half weiter nichts.

Sie war gleich den Abend drauf bis umb zwölf Uhr weg. Endlich kam sie, mit zwei Dieners begleitet. Da sie weidlich angeschmissen, machten sie ihren Adieu. Ich aber machte stillschweigend im Finstern die Thür auf (so sie schon gewohnet), machte auch so die Thür wieder zu, und fing an zu karbatschen, recht! Da ward ein Zetergeschrei im Haus, daß alles zulief. Ich aber geschwind in mein Bette.

Da hieß es: „was ist ihr denn, Frau Dietzen, geschehen?“ Denn sie sahen keinen Menschen bei ihr und

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[0253] stetig gerufen und blieb bis nachts umb elf und zwölf Uhr außen, oder die ganze Nacht. Ohne, was mir auf Gevatterschaften und Hochzeiten ging, welches ich ihr geben mußte, wollte ich Friede haben. Und wurde doch den ganzen Tag unter allem Dreschen vor den ärgesten Geizteufel und gottlosesten Mann unter der Sonne ausgeschrieen von ihr! Das that sie aus einer besondern Absicht, weil sie schon eine alte Frau, und meinete: wann sie sterben sollte, sollte ich keine bekommen; und gönnete es keiner andern! – Und ich muß gestehen, daß mir’s übele bláme gemacht; Schaden gethan. Einsmals beklagte ich mich (weil ich mir bei solchen Umbständen nicht mehr zu helfen wußte) bei einem Rechtsklugen, welchen ich zu barbieren,’ sagte mir: weil sich die Frau gar nicht wollte bändigen lassen und mir zur Hand gehen, ich sollte sie einmal recht durchkarbatschen, indeß die Kastigation wäre zu lässig, wann eine Frau mit Worten nicht wollte folgen. Ich warnete sie derhalben oft: sie sollte mir’s nicht zu bunt machen, und mich des Nachts nicht aus meiner Ruhe, bei so spätem Ausbleiben, stören; denn ich mich des Tages müde arbeiten und laufen müßte. – War ihre Antwort: sie ging zu ihren Kindern und Freunden und an keine böse Örter. – Und half weiter nichts. Sie war gleich den Abend drauf bis umb zwölf Uhr weg. Endlich kam sie, mit zwei Dieners begleitet. Da sie weidlich angeschmissen, machten sie ihren Adieu. Ich aber machte stillschweigend im Finstern die Thür auf (so sie schon gewohnet), machte auch so die Thür wieder zu, und fing an zu karbatschen, recht! Da ward ein Zetergeschrei im Haus, daß alles zulief. Ich aber geschwind in mein Bette. Da hieß es: „was ist ihr denn, Frau Dietzen, geschehen?“ Denn sie sahen keinen Menschen bei ihr und

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/253>, abgerufen am 30.04.2024.