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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Da ging mir ein neues Unglückswetter überm Kopf auf. Denn die Barbierinnung wollte durchaus: ich sollte meine erhaltene und bisher gebrauchte Hofbarbier-Stelle ab- und niederlegen; weil der König tot und kein Hofbarbier nötig.

Die Sache kam erstlich vor die Regierung, welche es an'n itzt regierenden König verwies, ob derselbige mir mein privilegium renovieren und mich zum Hofbarbier von neuem annehmen wollte? Die Sache war durch Handbriefe übel rekommandieret (durch Veranlassung der Barbier), daß ich in Berlin nirgends Gehör funde; ja selbst die, an welche ich von Herrn Professor Gasserten rekommandieret wurde, wegen des Herrn Präsident von Danckelmanns, waren wider mich.

Ich kam wieder in große Angst und Sorgen und gedachte bei mir: "Wie gehet's dir doch so gar übel in der Welt; der Herr hat dein vergessen und will dich immer in Sorgen und Kummer dein lebelang bleiben lassen, Wie gehet's doch manchem bösen, unnützen Buben, der nichts erfahren, nichts gelernet, denn Fressen und Saufen und Tobackrauchen, sonst gar keine Konduite hat, so wohl; sie werden alt bei guten Tagen, wissen von keinem Unglück noch Verfolgung; jedermann träget zu; und werden groß geacht't. Und dir wird dein bischen Brot so schwer und sauer gemacht! Wie hastu es bei GOtt so grob gemacht und das verdienet?" - Bald tröstete ich mich auch wieder, daß es je keinem anders hat ergangen, welchen GOtt geliebet, und daß die Auserwählten die größte Verfolgung leiden müssen; ja, das sei eben die rechte Livrei; daran der Herr Jesus die seinen kenne und von dem andern rohen Welthaufen, der heute blühet, morgen verdorret, unterscheide und absondere!

Mit diesen und dergleichen Gedanken ängstigete ich mich die ganze Nacht. Des Morgens, als ich mein eifriges

Da ging mir ein neues Unglückswetter überm Kopf auf. Denn die Barbierinnung wollte durchaus: ich sollte meine erhaltene und bisher gebrauchte Hofbarbier-Stelle ab- und niederlegen; weil der König tot und kein Hofbarbier nötig.

Die Sache kam erstlich vor die Regierung, welche es an’n itzt regierenden König verwies, ob derselbige mir mein privilegium renovieren und mich zum Hofbarbier von neuem annehmen wollte? Die Sache war durch Handbriefe übel rekommandieret (durch Veranlassung der Barbier), daß ich in Berlin nirgends Gehör funde; ja selbst die, an welche ich von Herrn Professor Gasserten rekommandieret wurde, wegen des Herrn Präsident von Danckelmanns, waren wider mich.

Ich kam wieder in große Angst und Sorgen und gedachte bei mir: „Wie gehet’s dir doch so gar übel in der Welt; der Herr hat dein vergessen und will dich immer in Sorgen und Kummer dein lebelang bleiben lassen, Wie gehet’s doch manchem bösen, unnützen Buben, der nichts erfahren, nichts gelernet, denn Fressen und Saufen und Tobackrauchen, sonst gar keine Konduite hat, so wohl; sie werden alt bei guten Tagen, wissen von keinem Unglück noch Verfolgung; jedermann träget zu; und werden groß geacht’t. Und dir wird dein bischen Brot so schwer und sauer gemacht! Wie hastu es bei GOtt so grob gemacht und das verdienet?“ – Bald tröstete ich mich auch wieder, daß es je keinem anders hat ergangen, welchen GOtt geliebet, und daß die Auserwählten die größte Verfolgung leiden müssen; ja, das sei eben die rechte Livrei; daran der Herr Jesus die seinen kenne und von dem andern rohen Welthaufen, der heute blühet, morgen verdorret, unterscheide und absondere!

Mit diesen und dergleichen Gedanken ängstigete ich mich die ganze Nacht. Des Morgens, als ich mein eifriges

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[0284] Da ging mir ein neues Unglückswetter überm Kopf auf. Denn die Barbierinnung wollte durchaus: ich sollte meine erhaltene und bisher gebrauchte Hofbarbier-Stelle ab- und niederlegen; weil der König tot und kein Hofbarbier nötig. Die Sache kam erstlich vor die Regierung, welche es an’n itzt regierenden König verwies, ob derselbige mir mein privilegium renovieren und mich zum Hofbarbier von neuem annehmen wollte? Die Sache war durch Handbriefe übel rekommandieret (durch Veranlassung der Barbier), daß ich in Berlin nirgends Gehör funde; ja selbst die, an welche ich von Herrn Professor Gasserten rekommandieret wurde, wegen des Herrn Präsident von Danckelmanns, waren wider mich. Ich kam wieder in große Angst und Sorgen und gedachte bei mir: „Wie gehet’s dir doch so gar übel in der Welt; der Herr hat dein vergessen und will dich immer in Sorgen und Kummer dein lebelang bleiben lassen, Wie gehet’s doch manchem bösen, unnützen Buben, der nichts erfahren, nichts gelernet, denn Fressen und Saufen und Tobackrauchen, sonst gar keine Konduite hat, so wohl; sie werden alt bei guten Tagen, wissen von keinem Unglück noch Verfolgung; jedermann träget zu; und werden groß geacht’t. Und dir wird dein bischen Brot so schwer und sauer gemacht! Wie hastu es bei GOtt so grob gemacht und das verdienet?“ – Bald tröstete ich mich auch wieder, daß es je keinem anders hat ergangen, welchen GOtt geliebet, und daß die Auserwählten die größte Verfolgung leiden müssen; ja, das sei eben die rechte Livrei; daran der Herr Jesus die seinen kenne und von dem andern rohen Welthaufen, der heute blühet, morgen verdorret, unterscheide und absondere! Mit diesen und dergleichen Gedanken ängstigete ich mich die ganze Nacht. Des Morgens, als ich mein eifriges

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/284>, abgerufen am 30.04.2024.