den so unverhofft erblickte, lief ich sogleich auf ihn zu, und embrassirte ihn heftig. Darüber kam er ganz aus dem Conzept. "Nun wahrhaftig und wenn der bis ans Ende der Welt reist, er ist und bleibt ein Narr!" rief er den Studenten zu, und blies ganz wüthend weiter.
Unterdeß war die schöne gnädige Frau vor dem Rumor heimlich entsprungen, und flog wie ein aufge¬ scheuchtes Reh über den Rasen tiefer in den Garten hinein. Ich sah es noch zur rechten Zeit und lief ihr eiligst nach. Die Musikanten merkten in ihrem Eifer nichts davon, sie meinten nachher: wir wären schon nach dem Schlosse aufgebrochen, und die ganze Bande setzte sich nun mit Musik und großem Getümmel gleich¬ falls dorthin auf den Marsch.
Wir aber waren fast zu gleicher Zeit in einem Som¬ merhause angekommen, daß am Abhange des Gartens stand, mit dem offnen Fenster nach dem weiten tiefen Thale zu. Die Sonne war schon lange untergegangen hinter den Bergen, es schimmerte nur noch wie ein röthlicher Duft über dem warmen, verschallenden Abend, aus dem die Donau immer vernehmlicher herauf rauschte, je stiller es ringsum wurde. Ich sah unver¬ wandt die schöne Gräfin an, die ganz erhitzt vom Lau¬ fen dicht vor mir stand, so daß ich ordentlich hören konnte, wie ihr das Herz schlug. Ich wußte nun aber gar nicht, was ich sprechen sollte vor Respekt, da ich auf einmal so allein mit ihr war. Endlich faßte ich ein Herz, nahm ihr kleines weißes Händchen -- da zog
den ſo unverhofft erblickte, lief ich ſogleich auf ihn zu, und embraſſirte ihn heftig. Daruͤber kam er ganz aus dem Conzept. „Nun wahrhaftig und wenn der bis ans Ende der Welt reiſt, er iſt und bleibt ein Narr!“ rief er den Studenten zu, und blies ganz wuͤthend weiter.
Unterdeß war die ſchoͤne gnaͤdige Frau vor dem Rumor heimlich entſprungen, und flog wie ein aufge¬ ſcheuchtes Reh uͤber den Raſen tiefer in den Garten hinein. Ich ſah es noch zur rechten Zeit und lief ihr eiligſt nach. Die Muſikanten merkten in ihrem Eifer nichts davon, ſie meinten nachher: wir waͤren ſchon nach dem Schloſſe aufgebrochen, und die ganze Bande ſetzte ſich nun mit Muſik und großem Getuͤmmel gleich¬ falls dorthin auf den Marſch.
Wir aber waren faſt zu gleicher Zeit in einem Som¬ merhauſe angekommen, daß am Abhange des Gartens ſtand, mit dem offnen Fenſter nach dem weiten tiefen Thale zu. Die Sonne war ſchon lange untergegangen hinter den Bergen, es ſchimmerte nur noch wie ein roͤthlicher Duft uͤber dem warmen, verſchallenden Abend, aus dem die Donau immer vernehmlicher herauf rauſchte, je ſtiller es ringsum wurde. Ich ſah unver¬ wandt die ſchoͤne Graͤfin an, die ganz erhitzt vom Lau¬ fen dicht vor mir ſtand, ſo daß ich ordentlich hoͤren konnte, wie ihr das Herz ſchlug. Ich wußte nun aber gar nicht, was ich ſprechen ſollte vor Reſpekt, da ich auf einmal ſo allein mit ihr war. Endlich faßte ich ein Herz, nahm ihr kleines weißes Haͤndchen — da zog
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den ſo unverhofft erblickte, lief ich ſogleich auf ihn zu,
und embraſſirte ihn heftig. Daruͤber kam er ganz aus
dem Conzept. „Nun wahrhaftig und wenn der bis ans
Ende der Welt reiſt, er iſt und bleibt ein Narr!“ rief
er den Studenten zu, und blies ganz wuͤthend weiter.
Unterdeß war die ſchoͤne gnaͤdige Frau vor dem
Rumor heimlich entſprungen, und flog wie ein aufge¬
ſcheuchtes Reh uͤber den Raſen tiefer in den Garten
hinein. Ich ſah es noch zur rechten Zeit und lief ihr
eiligſt nach. Die Muſikanten merkten in ihrem Eifer
nichts davon, ſie meinten nachher: wir waͤren ſchon
nach dem Schloſſe aufgebrochen, und die ganze Bande
ſetzte ſich nun mit Muſik und großem Getuͤmmel gleich¬
falls dorthin auf den Marſch.
Wir aber waren faſt zu gleicher Zeit in einem Som¬
merhauſe angekommen, daß am Abhange des Gartens
ſtand, mit dem offnen Fenſter nach dem weiten tiefen
Thale zu. Die Sonne war ſchon lange untergegangen
hinter den Bergen, es ſchimmerte nur noch wie ein
roͤthlicher Duft uͤber dem warmen, verſchallenden Abend,
aus dem die Donau immer vernehmlicher herauf
rauſchte, je ſtiller es ringsum wurde. Ich ſah unver¬
wandt die ſchoͤne Graͤfin an, die ganz erhitzt vom Lau¬
fen dicht vor mir ſtand, ſo daß ich ordentlich hoͤren
konnte, wie ihr das Herz ſchlug. Ich wußte nun aber
gar nicht, was ich ſprechen ſollte vor Reſpekt, da ich
auf einmal ſo allein mit ihr war. Endlich faßte ich
ein Herz, nahm ihr kleines weißes Haͤndchen — da zog
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/143>, abgerufen am 16.06.2024.
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