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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Wellenkamme glich, und dieser Kellner sammt seiner
Frisur war ihre tagtägliche Freude, so sehr, daß sie,
wiewohl sonst ohne besonderen Esprit, sich in
Bildern und Vergleichen gar nicht genug thun
konnte. Botho freute sich mit und lachte herzlich,
bis sich mit einem Male doch etwas von Bedenken
und selbst von Unbehagen in sein Lachen einzumischen
begann. Er nahm nämlich wahr, daß sie, was auch
geschehen oder ihr zu Gesicht kommen mochte, ledig¬
lich am Kleinen und Komischen hing, und als Beide
nach etwa vierzehntägigem glücklichen Aufenthalt ihre
Heimreise nach Berlin antraten, ereignete sich's, daß
ein kurzes, gleich zu Beginn der Fahrt geführtes
Gespräch ihm über diese Charakterseite seiner Frau
volle Gewißheit gab. Sie hatten ein Koupee für
sich und als sie, von der Elbbrücke her, noch einmal
zurückblickten, um nach Altstadt-Dresden und der
Kuppel der Frauenkirche hinüber zu grüßen, sagte
Botho, während er ihre Hand nahm: "Und nun
sage mir, Käthe, was war eigentlich das Hübscheste
hier in Dresden?"

"Rathe."

"Ja, das ist schwer, denn Du hast so Deinen
eignen Geschmack, und mit Kirchengesang und Hol¬
bein'scher Madonna darf ich Dir gar nicht kommen ..."

"Nein. Da hast Du Recht. Und ich will
meinen gestrengen Herrn auch nicht lange warten

Wellenkamme glich, und dieſer Kellner ſammt ſeiner
Friſur war ihre tagtägliche Freude, ſo ſehr, daß ſie,
wiewohl ſonſt ohne beſonderen Esprit, ſich in
Bildern und Vergleichen gar nicht genug thun
konnte. Botho freute ſich mit und lachte herzlich,
bis ſich mit einem Male doch etwas von Bedenken
und ſelbſt von Unbehagen in ſein Lachen einzumiſchen
begann. Er nahm nämlich wahr, daß ſie, was auch
geſchehen oder ihr zu Geſicht kommen mochte, ledig¬
lich am Kleinen und Komiſchen hing, und als Beide
nach etwa vierzehntägigem glücklichen Aufenthalt ihre
Heimreiſe nach Berlin antraten, ereignete ſich's, daß
ein kurzes, gleich zu Beginn der Fahrt geführtes
Geſpräch ihm über dieſe Charakterſeite ſeiner Frau
volle Gewißheit gab. Sie hatten ein Koupee für
ſich und als ſie, von der Elbbrücke her, noch einmal
zurückblickten, um nach Altſtadt-Dresden und der
Kuppel der Frauenkirche hinüber zu grüßen, ſagte
Botho, während er ihre Hand nahm: „Und nun
ſage mir, Käthe, was war eigentlich das Hübſcheſte
hier in Dresden?“

„Rathe.“

„Ja, das iſt ſchwer, denn Du haſt ſo Deinen
eignen Geſchmack, und mit Kirchengeſang und Hol¬
bein'ſcher Madonna darf ich Dir gar nicht kommen ...“

„Nein. Da haſt Du Recht. Und ich will
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[169/0179] Wellenkamme glich, und dieſer Kellner ſammt ſeiner Friſur war ihre tagtägliche Freude, ſo ſehr, daß ſie, wiewohl ſonſt ohne beſonderen Esprit, ſich in Bildern und Vergleichen gar nicht genug thun konnte. Botho freute ſich mit und lachte herzlich, bis ſich mit einem Male doch etwas von Bedenken und ſelbſt von Unbehagen in ſein Lachen einzumiſchen begann. Er nahm nämlich wahr, daß ſie, was auch geſchehen oder ihr zu Geſicht kommen mochte, ledig¬ lich am Kleinen und Komiſchen hing, und als Beide nach etwa vierzehntägigem glücklichen Aufenthalt ihre Heimreiſe nach Berlin antraten, ereignete ſich's, daß ein kurzes, gleich zu Beginn der Fahrt geführtes Geſpräch ihm über dieſe Charakterſeite ſeiner Frau volle Gewißheit gab. Sie hatten ein Koupee für ſich und als ſie, von der Elbbrücke her, noch einmal zurückblickten, um nach Altſtadt-Dresden und der Kuppel der Frauenkirche hinüber zu grüßen, ſagte Botho, während er ihre Hand nahm: „Und nun ſage mir, Käthe, was war eigentlich das Hübſcheſte hier in Dresden?“ „Rathe.“ „Ja, das iſt ſchwer, denn Du haſt ſo Deinen eignen Geſchmack, und mit Kirchengeſang und Hol¬ bein'ſcher Madonna darf ich Dir gar nicht kommen ...“ „Nein. Da haſt Du Recht. Und ich will meinen geſtrengen Herrn auch nicht lange warten

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/179>, abgerufen am 30.04.2024.