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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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und walzte mit ihm in das große Balkonzimmer
hinein und in diesem noch ein paar Mal herum.
Dann gab sie ihm einen Kuß und sagte, während
sie sich an ihn schmiegte: "Weißt Du, Botho, so
wundervoll hab' ich noch nie getanzt, auch nicht auf
meinem ersten Ball, den ich noch bei der Zülow
mitmachte, ja, daß ich's nur gestehe, noch eh ich
eingesegnet war. Onkel Osten nahm mich auf seine
Verantwortung mit und die Mama weiß es bis
diesen Tag nicht. Aber selbst da war es nicht so
schön wie heut. Und doch ist verbotene Furcht die
schönste. Nicht wahr? Aber Du sagst ja nichts, Du
bist ja verlegen, Botho. Sieh' so ertapp' ich Dich
'mal wieder."

Er wollte so gut es ging etwas sagen, aber sie
ließ ihn nicht dazu kommen. "Ich glaube wirklich,
Botho, meine Schwester Ine hat es Dir angethan
und Du darfst mich nicht damit trösten wollen, sie
sei noch ein halber Backfisch oder nicht weit darüber
hinaus. Das sind immer die gefährlichsten. Ist es
nicht so? Nun ich will nichts gesehen haben und ich
gönn' es ihr und Dir. Aber auf alte, ganz alte
Geschichten bin ich eifersüchtig, viel, viel eifersüchtiger
als auf neue."

"Sonderbar," sagte Botho und versuchte zu
lachen.

"Und doch am Ende nicht so sonderbar wie's

und walzte mit ihm in das große Balkonzimmer
hinein und in dieſem noch ein paar Mal herum.
Dann gab ſie ihm einen Kuß und ſagte, während
ſie ſich an ihn ſchmiegte: „Weißt Du, Botho, ſo
wundervoll hab' ich noch nie getanzt, auch nicht auf
meinem erſten Ball, den ich noch bei der Zülow
mitmachte, ja, daß ich's nur geſtehe, noch eh ich
eingeſegnet war. Onkel Oſten nahm mich auf ſeine
Verantwortung mit und die Mama weiß es bis
dieſen Tag nicht. Aber ſelbſt da war es nicht ſo
ſchön wie heut. Und doch iſt verbotene Furcht die
ſchönſte. Nicht wahr? Aber Du ſagſt ja nichts, Du
biſt ja verlegen, Botho. Sieh' ſo ertapp' ich Dich
'mal wieder.“

Er wollte ſo gut es ging etwas ſagen, aber ſie
ließ ihn nicht dazu kommen. „Ich glaube wirklich,
Botho, meine Schweſter Ine hat es Dir angethan
und Du darfſt mich nicht damit tröſten wollen, ſie
ſei noch ein halber Backfiſch oder nicht weit darüber
hinaus. Das ſind immer die gefährlichſten. Iſt es
nicht ſo? Nun ich will nichts geſehen haben und ich
gönn' es ihr und Dir. Aber auf alte, ganz alte
Geſchichten bin ich eiferſüchtig, viel, viel eiferſüchtiger
als auf neue.“

„Sonderbar,“ ſagte Botho und verſuchte zu
lachen.

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[[184]/0194] und walzte mit ihm in das große Balkonzimmer hinein und in dieſem noch ein paar Mal herum. Dann gab ſie ihm einen Kuß und ſagte, während ſie ſich an ihn ſchmiegte: „Weißt Du, Botho, ſo wundervoll hab' ich noch nie getanzt, auch nicht auf meinem erſten Ball, den ich noch bei der Zülow mitmachte, ja, daß ich's nur geſtehe, noch eh ich eingeſegnet war. Onkel Oſten nahm mich auf ſeine Verantwortung mit und die Mama weiß es bis dieſen Tag nicht. Aber ſelbſt da war es nicht ſo ſchön wie heut. Und doch iſt verbotene Furcht die ſchönſte. Nicht wahr? Aber Du ſagſt ja nichts, Du biſt ja verlegen, Botho. Sieh' ſo ertapp' ich Dich 'mal wieder.“ Er wollte ſo gut es ging etwas ſagen, aber ſie ließ ihn nicht dazu kommen. „Ich glaube wirklich, Botho, meine Schweſter Ine hat es Dir angethan und Du darfſt mich nicht damit tröſten wollen, ſie ſei noch ein halber Backfiſch oder nicht weit darüber hinaus. Das ſind immer die gefährlichſten. Iſt es nicht ſo? Nun ich will nichts geſehen haben und ich gönn' es ihr und Dir. Aber auf alte, ganz alte Geſchichten bin ich eiferſüchtig, viel, viel eiferſüchtiger als auf neue.“ „Sonderbar,“ ſagte Botho und verſuchte zu lachen. „Und doch am Ende nicht ſo ſonderbar wie's

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. [184]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/194>, abgerufen am 30.04.2024.