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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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nung nicht mehr bleiben zu können, und als Mutter
Nimptsch, die sonst nie widersprach, den Kopf ge¬
schüttelt und geweimert und in einem fort auf den
Herd hingewiesen hatte, hatte Lene gesagt: "Mutter ,
Du kennst mich doch. Ich werde Dir doch Deinen
Herd und Dein Feuer nicht nehmen; Du sollst alles
wieder haben; ich habe das Geld dazu gespart und
wenn ich's nicht hätte, so wollt' ich arbeiten, bis es
beisammen wär'. Aber hier müssen wir fort. Ich
muß jeden Tag da vorbei, das halt' ich nicht aus,
Mutter. Ich gönn' ihm sein Glück, ja mehr noch,
ich freue mich, daß er's hat. Gott ist mein Zeuge,
denn er war ein guter, lieber Mensch und hat mir
zu Liebe gelebt und kein Hochmuth und keine
Haberei. Und daß ich's rund heraus sage, trotzdem
ich die feinen Herren nicht leiden kann, ein richtiger
Edelmann, so recht einer, der das Herz auf dem
rechten Flecke hat. Ja, mein einziger Botho, Du
sollst glücklich sein, so glücklich wie Du's verdienst.
Aber ich kann es nicht sehn, Mutter, ich muß weg
hier, denn so wie ich zehn Schritte gehe, denk' ich,
er steht vor mir. Und da bin ich in einem ewigen
Zittern. Nein, nein, das geht nicht. Aber Deine
Herdstelle sollst Du haben. Das versprech' ich Dir,
ich, Deine Lene."

Nach diesem Gespräche war seitens der Alten
aller Widerstand aufgegeben worden und auch Frau

nung nicht mehr bleiben zu können, und als Mutter
Nimptſch, die ſonſt nie widerſprach, den Kopf ge¬
ſchüttelt und geweimert und in einem fort auf den
Herd hingewieſen hatte, hatte Lene geſagt: „Mutter ‚
Du kennſt mich doch. Ich werde Dir doch Deinen
Herd und Dein Feuer nicht nehmen; Du ſollſt alles
wieder haben; ich habe das Geld dazu geſpart und
wenn ich's nicht hätte, ſo wollt' ich arbeiten, bis es
beiſammen wär'. Aber hier müſſen wir fort. Ich
muß jeden Tag da vorbei, das halt' ich nicht aus,
Mutter. Ich gönn' ihm ſein Glück, ja mehr noch,
ich freue mich, daß er's hat. Gott iſt mein Zeuge,
denn er war ein guter, lieber Menſch und hat mir
zu Liebe gelebt und kein Hochmuth und keine
Haberei. Und daß ich's rund heraus ſage, trotzdem
ich die feinen Herren nicht leiden kann, ein richtiger
Edelmann, ſo recht einer‚ der das Herz auf dem
rechten Flecke hat. Ja, mein einziger Botho, Du
ſollſt glücklich ſein, ſo glücklich wie Du's verdienſt.
Aber ich kann es nicht ſehn, Mutter, ich muß weg
hier, denn ſo wie ich zehn Schritte gehe, denk' ich,
er ſteht vor mir. Und da bin ich in einem ewigen
Zittern. Nein, nein, das geht nicht. Aber Deine
Herdſtelle ſollſt Du haben. Das verſprech' ich Dir,
ich, Deine Lene.“

Nach dieſem Geſpräche war ſeitens der Alten
aller Widerſtand aufgegeben worden und auch Frau

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[186/0196] nung nicht mehr bleiben zu können, und als Mutter Nimptſch, die ſonſt nie widerſprach, den Kopf ge¬ ſchüttelt und geweimert und in einem fort auf den Herd hingewieſen hatte, hatte Lene geſagt: „Mutter ‚ Du kennſt mich doch. Ich werde Dir doch Deinen Herd und Dein Feuer nicht nehmen; Du ſollſt alles wieder haben; ich habe das Geld dazu geſpart und wenn ich's nicht hätte, ſo wollt' ich arbeiten, bis es beiſammen wär'. Aber hier müſſen wir fort. Ich muß jeden Tag da vorbei, das halt' ich nicht aus, Mutter. Ich gönn' ihm ſein Glück, ja mehr noch, ich freue mich, daß er's hat. Gott iſt mein Zeuge, denn er war ein guter, lieber Menſch und hat mir zu Liebe gelebt und kein Hochmuth und keine Haberei. Und daß ich's rund heraus ſage, trotzdem ich die feinen Herren nicht leiden kann, ein richtiger Edelmann, ſo recht einer‚ der das Herz auf dem rechten Flecke hat. Ja, mein einziger Botho, Du ſollſt glücklich ſein, ſo glücklich wie Du's verdienſt. Aber ich kann es nicht ſehn, Mutter, ich muß weg hier, denn ſo wie ich zehn Schritte gehe, denk' ich, er ſteht vor mir. Und da bin ich in einem ewigen Zittern. Nein, nein, das geht nicht. Aber Deine Herdſtelle ſollſt Du haben. Das verſprech' ich Dir, ich, Deine Lene.“ Nach dieſem Geſpräche war ſeitens der Alten aller Widerſtand aufgegeben worden und auch Frau

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/196>, abgerufen am 30.04.2024.