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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

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Luise erinnerte sich ähnlicher Worte Fernandos, zwar in ganz individueller Beziehung gesprochen, aber dennoch geeignet, sie für den Augenblick in eine höchst verwerfliche Ruhe zu wiegen. Wie leicht, unterbrach sie ihn, hintergehn wir uns aber selbst, und sehen das als zu uns gehörig an, was uns zerreißt und zerstört.

Dann, erwiederte der Obrist, kehren wir nur das eigentliche Verhältniß um. Wir geben uns dem Fremdartigen blindlings hin, und verleugnen uns so vor uns selbst. Der besonnene Mensch hingegen läßt das Ungekannte auf sich zu kommen, und wie es sich an sein innerstes Leben wagt, faßt er es mit scharfen Blicken an; ach liebe Luise! und wie bald zeigt es sich dann, was in höherer Natur über unser Wissen und Wollen gebietet. Mit welchem Rechte sagen wir daher, wir müsse der Stimme des Herzens folgen. Was man insgemein so nennt, das ist es nun freilich wohl nicht, was ich meine. Es spricht so vieles auf den Menschen hinein, daß er sich zuletzt selbst nicht mehr erkennt. Aber was so recht eigentlich aus dem Herzen heraufdringt, dem widersteht sicher Niemand. Wie wahr, fuhr er, sie umschlingend, fort, und wie höchst seltsam hat mich diese Stimme geführt! In welchem Augenblicke drückte sich Ihr Bild in mein Innres! Alles gebot mir, es daraus

Luise erinnerte sich ähnlicher Worte Fernandos, zwar in ganz individueller Beziehung gesprochen, aber dennoch geeignet, sie für den Augenblick in eine höchst verwerfliche Ruhe zu wiegen. Wie leicht, unterbrach sie ihn, hintergehn wir uns aber selbst, und sehen das als zu uns gehörig an, was uns zerreißt und zerstört.

Dann, erwiederte der Obrist, kehren wir nur das eigentliche Verhältniß um. Wir geben uns dem Fremdartigen blindlings hin, und verleugnen uns so vor uns selbst. Der besonnene Mensch hingegen läßt das Ungekannte auf sich zu kommen, und wie es sich an sein innerstes Leben wagt, faßt er es mit scharfen Blicken an; ach liebe Luise! und wie bald zeigt es sich dann, was in höherer Natur über unser Wissen und Wollen gebietet. Mit welchem Rechte sagen wir daher, wir müsse der Stimme des Herzens folgen. Was man insgemein so nennt, das ist es nun freilich wohl nicht, was ich meine. Es spricht so vieles auf den Menschen hinein, daß er sich zuletzt selbst nicht mehr erkennt. Aber was so recht eigentlich aus dem Herzen heraufdringt, dem widersteht sicher Niemand. Wie wahr, fuhr er, sie umschlingend, fort, und wie höchst seltsam hat mich diese Stimme geführt! In welchem Augenblicke drückte sich Ihr Bild in mein Innres! Alles gebot mir, es daraus

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[119/0121] Luise erinnerte sich ähnlicher Worte Fernandos, zwar in ganz individueller Beziehung gesprochen, aber dennoch geeignet, sie für den Augenblick in eine höchst verwerfliche Ruhe zu wiegen. Wie leicht, unterbrach sie ihn, hintergehn wir uns aber selbst, und sehen das als zu uns gehörig an, was uns zerreißt und zerstört. Dann, erwiederte der Obrist, kehren wir nur das eigentliche Verhältniß um. Wir geben uns dem Fremdartigen blindlings hin, und verleugnen uns so vor uns selbst. Der besonnene Mensch hingegen läßt das Ungekannte auf sich zu kommen, und wie es sich an sein innerstes Leben wagt, faßt er es mit scharfen Blicken an; ach liebe Luise! und wie bald zeigt es sich dann, was in höherer Natur über unser Wissen und Wollen gebietet. Mit welchem Rechte sagen wir daher, wir müsse der Stimme des Herzens folgen. Was man insgemein so nennt, das ist es nun freilich wohl nicht, was ich meine. Es spricht so vieles auf den Menschen hinein, daß er sich zuletzt selbst nicht mehr erkennt. Aber was so recht eigentlich aus dem Herzen heraufdringt, dem widersteht sicher Niemand. Wie wahr, fuhr er, sie umschlingend, fort, und wie höchst seltsam hat mich diese Stimme geführt! In welchem Augenblicke drückte sich Ihr Bild in mein Innres! Alles gebot mir, es daraus

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/121>, abgerufen am 29.04.2024.