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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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schätzendes, zinstragendes Kapital abgeworfen haben
würden, sie blieben, nur durch periodisches Reinigen
vor Rost und Staub geschützt, unverrückt an ihrer
Stelle. Ja selbst die massenhaften Vorräthe in Speicher
und Keller wurden schleunigst ergänzt, sobald ein Bruch¬
theil davon in Gebrauch genommen worden, gleichviel
ob der Rest verhärtete, vergilbte, bei der genausten
Aufsicht nicht vor Wurm und Moder zu schützen war.
Daher schreibt sich die Unsterblichkeit des nie mehr
benutzten Schimmelzugs; die der prunkvollen Lakaien¬
schaft. Die Rache der seltsamen Erhaltungskünstlerin
hieß reich werden und reich scheinen, bis sie es ge¬
worden. Der angeborene kluge Sinn des Sammelns
und Vermehrens, durch eine übermächtige Leidenschaft
zeitweise verdrängt, trat wieder in seine Rechte.

Es war die Arbeit eines Colonisten im Hinter¬
walde, welche ein einsames, in der Atmosphäre eines
üppigen Hofes gealtertes Weib unternahm. Niemand
ahnte wie erschöpft ihre Mittel und wie geboten von
Anfang ihre persönlichen Einschränkungen waren. Nie¬
mand hat daher auch in vollem Umfange die Klugheit,
Kraft und Ausdauer gewürdigt, mit welcher sie ihr
Werk in's Leben setzte.

Man freut sich heute der Cultur einer Gegend,

ſchätzendes, zinstragendes Kapital abgeworfen haben
würden, ſie blieben, nur durch periodiſches Reinigen
vor Roſt und Staub geſchützt, unverrückt an ihrer
Stelle. Ja ſelbſt die maſſenhaften Vorräthe in Speicher
und Keller wurden ſchleunigſt ergänzt, ſobald ein Bruch¬
theil davon in Gebrauch genommen worden, gleichviel
ob der Reſt verhärtete, vergilbte, bei der genauſten
Aufſicht nicht vor Wurm und Moder zu ſchützen war.
Daher ſchreibt ſich die Unſterblichkeit des nie mehr
benutzten Schimmelzugs; die der prunkvollen Lakaien¬
ſchaft. Die Rache der ſeltſamen Erhaltungskünſtlerin
hieß reich werden und reich ſcheinen, bis ſie es ge¬
worden. Der angeborene kluge Sinn des Sammelns
und Vermehrens, durch eine übermächtige Leidenſchaft
zeitweiſe verdrängt, trat wieder in ſeine Rechte.

Es war die Arbeit eines Coloniſten im Hinter¬
walde, welche ein einſames, in der Atmoſphäre eines
üppigen Hofes gealtertes Weib unternahm. Niemand
ahnte wie erſchöpft ihre Mittel und wie geboten von
Anfang ihre perſönlichen Einſchränkungen waren. Nie¬
mand hat daher auch in vollem Umfange die Klugheit,
Kraft und Ausdauer gewürdigt, mit welcher ſie ihr
Werk in's Leben ſetzte.

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[169/0176] ſchätzendes, zinstragendes Kapital abgeworfen haben würden, ſie blieben, nur durch periodiſches Reinigen vor Roſt und Staub geſchützt, unverrückt an ihrer Stelle. Ja ſelbſt die maſſenhaften Vorräthe in Speicher und Keller wurden ſchleunigſt ergänzt, ſobald ein Bruch¬ theil davon in Gebrauch genommen worden, gleichviel ob der Reſt verhärtete, vergilbte, bei der genauſten Aufſicht nicht vor Wurm und Moder zu ſchützen war. Daher ſchreibt ſich die Unſterblichkeit des nie mehr benutzten Schimmelzugs; die der prunkvollen Lakaien¬ ſchaft. Die Rache der ſeltſamen Erhaltungskünſtlerin hieß reich werden und reich ſcheinen, bis ſie es ge¬ worden. Der angeborene kluge Sinn des Sammelns und Vermehrens, durch eine übermächtige Leidenſchaft zeitweiſe verdrängt, trat wieder in ſeine Rechte. Es war die Arbeit eines Coloniſten im Hinter¬ walde, welche ein einſames, in der Atmoſphäre eines üppigen Hofes gealtertes Weib unternahm. Niemand ahnte wie erſchöpft ihre Mittel und wie geboten von Anfang ihre perſönlichen Einſchränkungen waren. Nie¬ mand hat daher auch in vollem Umfange die Klugheit, Kraft und Ausdauer gewürdigt, mit welcher ſie ihr Werk in's Leben ſetzte. Man freut ſich heute der Cultur einer Gegend,

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/176>, abgerufen am 30.04.2024.