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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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sammelte sie für einen Zweck; richtiger: sie schaffte,
darbte, sammelte für eine Person.

Und das ist der Grund, aus welchem ich vor
Euren Augen, meine Freunde, zwischen den beiden
letzten Reckenburgerinnen -- längst nicht so genau
wie mich verlangt -- die Bilanz gezogen habe. Ihr
solltet wissen, was die Frau that, die Eure Heimath
urbar machte; was die Frau war, welche in keinem
Menschenherzen, außer dem meinen, eine Spur, und
in der zähen Vorstellung des Volkes das Bild eines
goldgierigen Dämons hinterlassen hat. Ihr solltet
diese Frau in einem guten Lichte sehen, und in welchem
besseren hätte ich sie glücklich liebenden Menschen zeigen
können, als in dem der unwandelbaren Treue gegen
den treulosen Mann, in jenem heimlichen Feuer, welches
der Sporn ihres Treibens und Wühlens geworden war.

Sie hatte alle früheren Verbindungen harsch ab¬
gebrochen und nur mit einem alten Freunde, der an
dem Hofe von Sachsen eine vertrauliche Stellung ein¬
nahm, eine Correspondenz unterhalten, um von dem
Schicksale des Unstäten jederzeit in Kenntniß zu sein.
Sie wußte daher, daß er schwelgte und schweifte,
während sie sich keine Raststunde gönnte, im Eifer das
wieder aufzurichten, was er zerstört hatte. Sie wußte,

ſammelte ſie für einen Zweck; richtiger: ſie ſchaffte,
darbte, ſammelte für eine Perſon.

Und das iſt der Grund, aus welchem ich vor
Euren Augen, meine Freunde, zwiſchen den beiden
letzten Reckenburgerinnen — längſt nicht ſo genau
wie mich verlangt — die Bilanz gezogen habe. Ihr
ſolltet wiſſen, was die Frau that, die Eure Heimath
urbar machte; was die Frau war, welche in keinem
Menſchenherzen, außer dem meinen, eine Spur, und
in der zähen Vorſtellung des Volkes das Bild eines
goldgierigen Dämons hinterlaſſen hat. Ihr ſolltet
dieſe Frau in einem guten Lichte ſehen, und in welchem
beſſeren hätte ich ſie glücklich liebenden Menſchen zeigen
können, als in dem der unwandelbaren Treue gegen
den treuloſen Mann, in jenem heimlichen Feuer, welches
der Sporn ihres Treibens und Wühlens geworden war.

Sie hatte alle früheren Verbindungen harſch ab¬
gebrochen und nur mit einem alten Freunde, der an
dem Hofe von Sachſen eine vertrauliche Stellung ein¬
nahm, eine Correſpondenz unterhalten, um von dem
Schickſale des Unſtäten jederzeit in Kenntniß zu ſein.
Sie wußte daher, daß er ſchwelgte und ſchweifte,
während ſie ſich keine Raſtſtunde gönnte, im Eifer das
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[175/0182] ſammelte ſie für einen Zweck; richtiger: ſie ſchaffte, darbte, ſammelte für eine Perſon. Und das iſt der Grund, aus welchem ich vor Euren Augen, meine Freunde, zwiſchen den beiden letzten Reckenburgerinnen — längſt nicht ſo genau wie mich verlangt — die Bilanz gezogen habe. Ihr ſolltet wiſſen, was die Frau that, die Eure Heimath urbar machte; was die Frau war, welche in keinem Menſchenherzen, außer dem meinen, eine Spur, und in der zähen Vorſtellung des Volkes das Bild eines goldgierigen Dämons hinterlaſſen hat. Ihr ſolltet dieſe Frau in einem guten Lichte ſehen, und in welchem beſſeren hätte ich ſie glücklich liebenden Menſchen zeigen können, als in dem der unwandelbaren Treue gegen den treuloſen Mann, in jenem heimlichen Feuer, welches der Sporn ihres Treibens und Wühlens geworden war. Sie hatte alle früheren Verbindungen harſch ab¬ gebrochen und nur mit einem alten Freunde, der an dem Hofe von Sachſen eine vertrauliche Stellung ein¬ nahm, eine Correſpondenz unterhalten, um von dem Schickſale des Unſtäten jederzeit in Kenntniß zu ſein. Sie wußte daher, daß er ſchwelgte und ſchweifte, während ſie ſich keine Raſtſtunde gönnte, im Eifer das wieder aufzurichten, was er zerſtört hatte. Sie wußte,

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/182>, abgerufen am 30.04.2024.