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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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daß er ein überschuldeter Aermling geblieben, während
sie zum zweiten Male die reiche Reckenburgerin ge¬
worden war. Hätte er aber, wenn auch nur als Be¬
gehrender, sich dem Hause genaht, dessen Ansehen sie
so peinlich bewahrte, sie würde nach dem Triumph
dieser Genugthuung, ihn mit Entzücken als Herrn
willkommen geheißen, würde ihm noch einmal die
Schlüssel ihrer Schatzkammer überantwortet und ihr
Werk von vorn begonnen haben, um ihm, auch nach
ihrem Abscheiden, eine fürstliche Herrschaft zu sichern.

Viele Jahre lang hatte die Hoffnung seiner Heim¬
kehr sie bei ihrer einsamen Arbeit getragen und sie
war eine runzlige Matrone geworden, ehe sich dieselbe
erfüllte. Endlich wußte sie ihn im Vaterlande -- und
die nächste Kunde, die sie über ihn erhielt, war die
seiner Vermählung mit einer Ebenbürtigen! An der
Gränze des Alters folgte er, so schien es, einer Wallung
wahrhaftigen Gefühls, denn die junge Prinzessin war
so arm wie er selbst.

Die Kraft, welche so vielen Gefahren und An¬
strengungen widerstanden hatte, brach bei diesem un¬
berechneten Schlage zusammen. Ihre Kammerfrau
fand sie bewußtlos am Boden liegend, den verhängni߬
vollen Brief in der Hand. Ein Hüftenbruch, den sie

daß er ein überſchuldeter Aermling geblieben, während
ſie zum zweiten Male die reiche Reckenburgerin ge¬
worden war. Hätte er aber, wenn auch nur als Be¬
gehrender, ſich dem Hauſe genaht, deſſen Anſehen ſie
ſo peinlich bewahrte, ſie würde nach dem Triumph
dieſer Genugthuung, ihn mit Entzücken als Herrn
willkommen geheißen, würde ihm noch einmal die
Schlüſſel ihrer Schatzkammer überantwortet und ihr
Werk von vorn begonnen haben, um ihm, auch nach
ihrem Abſcheiden, eine fürſtliche Herrſchaft zu ſichern.

Viele Jahre lang hatte die Hoffnung ſeiner Heim¬
kehr ſie bei ihrer einſamen Arbeit getragen und ſie
war eine runzlige Matrone geworden, ehe ſich dieſelbe
erfüllte. Endlich wußte ſie ihn im Vaterlande — und
die nächſte Kunde, die ſie über ihn erhielt, war die
ſeiner Vermählung mit einer Ebenbürtigen! An der
Gränze des Alters folgte er, ſo ſchien es, einer Wallung
wahrhaftigen Gefühls, denn die junge Prinzeſſin war
ſo arm wie er ſelbſt.

Die Kraft, welche ſo vielen Gefahren und An¬
ſtrengungen widerſtanden hatte, brach bei dieſem un¬
berechneten Schlage zuſammen. Ihre Kammerfrau
fand ſie bewußtlos am Boden liegend, den verhängni߬
vollen Brief in der Hand. Ein Hüftenbruch, den ſie

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[176/0183] daß er ein überſchuldeter Aermling geblieben, während ſie zum zweiten Male die reiche Reckenburgerin ge¬ worden war. Hätte er aber, wenn auch nur als Be¬ gehrender, ſich dem Hauſe genaht, deſſen Anſehen ſie ſo peinlich bewahrte, ſie würde nach dem Triumph dieſer Genugthuung, ihn mit Entzücken als Herrn willkommen geheißen, würde ihm noch einmal die Schlüſſel ihrer Schatzkammer überantwortet und ihr Werk von vorn begonnen haben, um ihm, auch nach ihrem Abſcheiden, eine fürſtliche Herrſchaft zu ſichern. Viele Jahre lang hatte die Hoffnung ſeiner Heim¬ kehr ſie bei ihrer einſamen Arbeit getragen und ſie war eine runzlige Matrone geworden, ehe ſich dieſelbe erfüllte. Endlich wußte ſie ihn im Vaterlande — und die nächſte Kunde, die ſie über ihn erhielt, war die ſeiner Vermählung mit einer Ebenbürtigen! An der Gränze des Alters folgte er, ſo ſchien es, einer Wallung wahrhaftigen Gefühls, denn die junge Prinzeſſin war ſo arm wie er ſelbſt. Die Kraft, welche ſo vielen Gefahren und An¬ ſtrengungen widerſtanden hatte, brach bei dieſem un¬ berechneten Schlage zuſammen. Ihre Kammerfrau fand ſie bewußtlos am Boden liegend, den verhängni߬ vollen Brief in der Hand. Ein Hüftenbruch, den ſie

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/183>, abgerufen am 30.04.2024.