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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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meaux zwischen den Fensternischen, die mythologischen
Reliefs und Fresken an der gegenüberliegenden Wand
-- Ihr geht mit einem gnädigen Lächeln an diesen
Kunstgebilden vorüber, hochweise Zöglinge eines ande¬
ren Geschmacks, die Einfalt von damals aber, glaubt
nur, daß sie Augen machte!

Am Ende des Ganges stand, Wache haltend, der
Heiduck du jour, meinem bisherigen Begleitsmann
ähnlich wie ein Zwillingsbruder. Schweigend wie
jener -- alles schwieg, alles war grabesstill in dem
Zauberpalaste -- öffnete er die letzte Thür. Ich be¬
trat ein Vorzimmer, das den einzigen Eingang zu dem
vielberufenen Thurmbau bildete (der "östlichen Ro¬
tonde," wie es damals hieß). Zur Rechten des Vor¬
zimmers lag der Speisesaal. Diese drei Piecen, "das
Apartement Ihrer Hochgräflichen Gnaden," waren die
einzigen, welche jemals in dem weitläufigen Frontbau
bewohnt worden waren. Sämmtliche Wirthschafts¬
räume befanden sich im westlichen Flügel.

Der Leibwächter hatte mit dem goldenen Knopf
seines Stockes dreimal laut an die Thurmthür ange¬
klopft und sich auf seinen Posten zurückgezogen. Ich
war allein und nicht ängstlich, nur neugierig, was
weiter über mich verfügt werden würde. Ich legte

meaux zwiſchen den Fenſterniſchen, die mythologiſchen
Reliefs und Fresken an der gegenüberliegenden Wand
— Ihr geht mit einem gnädigen Lächeln an dieſen
Kunſtgebilden vorüber, hochweiſe Zöglinge eines ande¬
ren Geſchmacks, die Einfalt von damals aber, glaubt
nur, daß ſie Augen machte!

Am Ende des Ganges ſtand, Wache haltend, der
Heiduck du jour, meinem bisherigen Begleitsmann
ähnlich wie ein Zwillingsbruder. Schweigend wie
jener — alles ſchwieg, alles war grabesſtill in dem
Zauberpalaſte — öffnete er die letzte Thür. Ich be¬
trat ein Vorzimmer, das den einzigen Eingang zu dem
vielberufenen Thurmbau bildete (der „öſtlichen Ro¬
tonde,“ wie es damals hieß). Zur Rechten des Vor¬
zimmers lag der Speiſeſaal. Dieſe drei Piecen, „das
Apartement Ihrer Hochgräflichen Gnaden,“ waren die
einzigen, welche jemals in dem weitläufigen Frontbau
bewohnt worden waren. Sämmtliche Wirthſchafts¬
räume befanden ſich im weſtlichen Flügel.

Der Leibwächter hatte mit dem goldenen Knopf
ſeines Stockes dreimal laut an die Thurmthür ange¬
klopft und ſich auf ſeinen Poſten zurückgezogen. Ich
war allein und nicht ängſtlich, nur neugierig, was
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[181/0188] meaux zwiſchen den Fenſterniſchen, die mythologiſchen Reliefs und Fresken an der gegenüberliegenden Wand — Ihr geht mit einem gnädigen Lächeln an dieſen Kunſtgebilden vorüber, hochweiſe Zöglinge eines ande¬ ren Geſchmacks, die Einfalt von damals aber, glaubt nur, daß ſie Augen machte! Am Ende des Ganges ſtand, Wache haltend, der Heiduck du jour, meinem bisherigen Begleitsmann ähnlich wie ein Zwillingsbruder. Schweigend wie jener — alles ſchwieg, alles war grabesſtill in dem Zauberpalaſte — öffnete er die letzte Thür. Ich be¬ trat ein Vorzimmer, das den einzigen Eingang zu dem vielberufenen Thurmbau bildete (der „öſtlichen Ro¬ tonde,“ wie es damals hieß). Zur Rechten des Vor¬ zimmers lag der Speiſeſaal. Dieſe drei Piecen, „das Apartement Ihrer Hochgräflichen Gnaden,“ waren die einzigen, welche jemals in dem weitläufigen Frontbau bewohnt worden waren. Sämmtliche Wirthſchafts¬ räume befanden ſich im weſtlichen Flügel. Der Leibwächter hatte mit dem goldenen Knopf ſeines Stockes dreimal laut an die Thurmthür ange¬ klopft und ſich auf ſeinen Poſten zurückgezogen. Ich war allein und nicht ängſtlich, nur neugierig, was weiter über mich verfügt werden würde. Ich legte

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/188>, abgerufen am 30.04.2024.