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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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konnte. Ein solches Rohr ist zwar kein eulerisches conclave, cujus constructio vires humanas prorsus superat; aber dennoch widerlegt es die Vermuthung, experimentum ex voto successurum, sonumque in ea solum directione, unde venerat, sensum auditus esse excitaturum (Nova theor. §. 14.). Ich habe dies immer für ein Beyspiel gehalten, wie oft Gedanken großer Männer, wenn sie ohne Erfahrung hingeschrieben sind, durch kindische Spielwerke widerlegt werden. Ein Licht sieht man doch durch ein solches Rohr nicht anders, als wenn das Auge in der verlängerten Axe des Rohrs steht; hier bleibt also eine offenbare Unähnlichkeit zwischen den Fortpflanzungen von Schall und Licht.

Man sieht aus dem Bisherigen, daß beyde Systeme zwar viel erklären, beyde aber auch große Schwierigkeiten gegen sich haben. Beguelin (Nouv. mem. de l'Acad. des Sc. de Prusse, 1772. p. 152.) untersucht die Mittel, zwischen beyden durch Erfahrungen zu entscheiden, und findet sie alle unzuverläßig. Gegen den Vorschlag, den er selbst thut, lassen sich eben so gegründete Einwendungen machen (s. allgemeine deutsche Bibl. 26. Band, S. 18. u. f.). Wäre es möglich, auszumachen, ob das Licht im Glase geschwinder oder langsamer fortgeht, als in der Luft, so würde das erstere Newtons, das letztere Eulers System begünstigen: es giebt aber kein Mittel, darüber Erfahrungen anzustellen.

So wenig sich nun hierüber etwas Gewisses ausmachen läßt, so scheint es mir doch, als ob eine nähere Bekanntschaft mit der Chymie Jeden für das Emanationssystem geneigter machen müßte; daher denn auch die meisten Chymisten nicht nur eine Lichtmaterie annehmen, sondern auch dieselbe zu ihren besten Theorien, als ein wesentliches Ingrediens, gebrauchen. Dies ist nun zwar noch lange kein Beweis für ihr wirkliches Daseyn, weil alle diese Theorien doch nur hypothetisch sind, und einige sich vielleicht auch mit Eulers Systeme vereinigen ließen. Aber es giebt doch in der That Erscheinungen, wobey das Licht Verwandschaften


konnte. Ein ſolches Rohr iſt zwar kein euleriſches conclave, cujus conſtructio vires humanas prorſus ſuperat; aber dennoch widerlegt es die Vermuthung, experimentum ex voto ſucceſſurum, ſonumque in ea ſolum directione, unde venerat, ſenſum auditus eſſe excitaturum (Nova theor. §. 14.). Ich habe dies immer fuͤr ein Beyſpiel gehalten, wie oft Gedanken großer Maͤnner, wenn ſie ohne Erfahrung hingeſchrieben ſind, durch kindiſche Spielwerke widerlegt werden. Ein Licht ſieht man doch durch ein ſolches Rohr nicht anders, als wenn das Auge in der verlaͤngerten Axe des Rohrs ſteht; hier bleibt alſo eine offenbare Unaͤhnlichkeit zwiſchen den Fortpflanzungen von Schall und Licht.

Man ſieht aus dem Bisherigen, daß beyde Syſteme zwar viel erklaͤren, beyde aber auch große Schwierigkeiten gegen ſich haben. Beguelin (Nouv. mém. de l'Acad. des Sc. de Pruſſe, 1772. p. 152.) unterſucht die Mittel, zwiſchen beyden durch Erfahrungen zu entſcheiden, und findet ſie alle unzuverlaͤßig. Gegen den Vorſchlag, den er ſelbſt thut, laſſen ſich eben ſo gegruͤndete Einwendungen machen (ſ. allgemeine deutſche Bibl. 26. Band, S. 18. u. f.). Waͤre es moͤglich, auszumachen, ob das Licht im Glaſe geſchwinder oder langſamer fortgeht, als in der Luft, ſo wuͤrde das erſtere Newtons, das letztere Eulers Syſtem beguͤnſtigen: es giebt aber kein Mittel, daruͤber Erfahrungen anzuſtellen.

So wenig ſich nun hieruͤber etwas Gewiſſes ausmachen laͤßt, ſo ſcheint es mir doch, als ob eine naͤhere Bekanntſchaft mit der Chymie Jeden fuͤr das Emanationsſyſtem geneigter machen muͤßte; daher denn auch die meiſten Chymiſten nicht nur eine Lichtmaterie annehmen, ſondern auch dieſelbe zu ihren beſten Theorien, als ein weſentliches Ingrediens, gebrauchen. Dies iſt nun zwar noch lange kein Beweis fuͤr ihr wirkliches Daſeyn, weil alle dieſe Theorien doch nur hypothetiſch ſind, und einige ſich vielleicht auch mit Eulers Syſteme vereinigen ließen. Aber es giebt doch in der That Erſcheinungen, wobey das Licht Verwandſchaften

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[902/0908] konnte. Ein ſolches Rohr iſt zwar kein euleriſches conclave, cujus conſtructio vires humanas prorſus ſuperat; aber dennoch widerlegt es die Vermuthung, experimentum ex voto ſucceſſurum, ſonumque in ea ſolum directione, unde venerat, ſenſum auditus eſſe excitaturum (Nova theor. §. 14.). Ich habe dies immer fuͤr ein Beyſpiel gehalten, wie oft Gedanken großer Maͤnner, wenn ſie ohne Erfahrung hingeſchrieben ſind, durch kindiſche Spielwerke widerlegt werden. Ein Licht ſieht man doch durch ein ſolches Rohr nicht anders, als wenn das Auge in der verlaͤngerten Axe des Rohrs ſteht; hier bleibt alſo eine offenbare Unaͤhnlichkeit zwiſchen den Fortpflanzungen von Schall und Licht. Man ſieht aus dem Bisherigen, daß beyde Syſteme zwar viel erklaͤren, beyde aber auch große Schwierigkeiten gegen ſich haben. Beguelin (Nouv. mém. de l'Acad. des Sc. de Pruſſe, 1772. p. 152.) unterſucht die Mittel, zwiſchen beyden durch Erfahrungen zu entſcheiden, und findet ſie alle unzuverlaͤßig. Gegen den Vorſchlag, den er ſelbſt thut, laſſen ſich eben ſo gegruͤndete Einwendungen machen (ſ. allgemeine deutſche Bibl. 26. Band, S. 18. u. f.). Waͤre es moͤglich, auszumachen, ob das Licht im Glaſe geſchwinder oder langſamer fortgeht, als in der Luft, ſo wuͤrde das erſtere Newtons, das letztere Eulers Syſtem beguͤnſtigen: es giebt aber kein Mittel, daruͤber Erfahrungen anzuſtellen. So wenig ſich nun hieruͤber etwas Gewiſſes ausmachen laͤßt, ſo ſcheint es mir doch, als ob eine naͤhere Bekanntſchaft mit der Chymie Jeden fuͤr das Emanationsſyſtem geneigter machen muͤßte; daher denn auch die meiſten Chymiſten nicht nur eine Lichtmaterie annehmen, ſondern auch dieſelbe zu ihren beſten Theorien, als ein weſentliches Ingrediens, gebrauchen. Dies iſt nun zwar noch lange kein Beweis fuͤr ihr wirkliches Daſeyn, weil alle dieſe Theorien doch nur hypothetiſch ſind, und einige ſich vielleicht auch mit Eulers Syſteme vereinigen ließen. Aber es giebt doch in der That Erſcheinungen, wobey das Licht Verwandſchaften

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 902. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/908>, abgerufen am 30.04.2024.