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Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895.

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seit fünfzig Jahren", so schloß sie ihre Rede, "arbeiten wir für
das allgemeine Wahlrecht eines jeden Mannes und einer jeden
Frau, denn wir haben die Nachteile und Ungerechtigkeiten, welche
das partielle Wahlrecht nach sich zieht, überall kennen gelernt."

Miß Florence Balgarnie, dieselbe Frau, welche es durch
unermüdliche Arbeit durchsetzte, daß Polizei-Matronen in Eng-
land angestellt wurden, hat vor dem nationalen Kongreß der
amerikanischen Frauen im Jahre 1891 ein ähnliches Bekenntnis
abgelegt. Sie erklärt: "Jch freue mich, sagen zu können, daß
die Arbeiterführer, welche ich die Ehre habe zu kennen, auf
unserer Seite stehen und uns wesentliche Dienste leisten." Nach-
dem sie mit Bewunderung von dem Mut und der Standhaftigkeit
der streikenden Arbeiterinnen gesprochen hat, fährt sie fort:
"Machen Sie die Sache der Arbeiterinnen zu der Jhren. Es
ist eine heilige, ernste Sache, zu der wir Frauen uns zu einer
großen internationalen Bewegung zusammenthun müssen."

Jch habe schon gezeigt, daß englische Frauen bereit sind,
diese Sache zu der ihrigen zu machen, aber auch die Regierung
hat die Fähigkeit der Frauen, für diese Sache zu arbeiten, an-
erkannt. Sie hat schon seit Jahren weibliche Fabrikinspektoren
angestellt, die von Jahr zu Jahr vermehrt werden. Die könig-
liche Arbeits - Kommission, welche im Jahre 1891 eingesetzt
wurde, zählte vier Frauen zu ihren Mitgliedern, denen die
statistischen Erhebungen über die Frauenarbeit anvertraut
wurden. Die Resultate ihrer dreijährigen Thätigkeit liegen
heute vor; sie legen für die Sache der Frauen beredteres Zeugnis
ab, als alle theoretischen Beweisführungen es vermögen. --

Von England über den Kanal hinüber nach dem deutschen
Reiche ist der Weg nicht weit. Und auch das Weltmeer, das
zwischen uns und Amerika oder Australien liegt, hat die Technik
längst überbrückt. Die deutsche Frau aber, so scheint es, unter-
scheidet sich durch ihre moralischen und geistigen Eigenschaften
von ihren Schwestern über dem Wasser so sehr, als lägen zehn
Weltenmeere zwischen ihnen. Denn wodurch könnten die
Gesetzgeber es sonst rechtfertigen, daß sie ihr vor dem
Gesetz den Platz als Menschen zweiter Klasse ange-

seit fünfzig Jahren‟, so schloß sie ihre Rede, „arbeiten wir für
das allgemeine Wahlrecht eines jeden Mannes und einer jeden
Frau, denn wir haben die Nachteile und Ungerechtigkeiten, welche
das partielle Wahlrecht nach sich zieht, überall kennen gelernt.‟

Miß Florence Balgarnie, dieselbe Frau, welche es durch
unermüdliche Arbeit durchsetzte, daß Polizei-Matronen in Eng-
land angestellt wurden, hat vor dem nationalen Kongreß der
amerikanischen Frauen im Jahre 1891 ein ähnliches Bekenntnis
abgelegt. Sie erklärt: „Jch freue mich, sagen zu können, daß
die Arbeiterführer, welche ich die Ehre habe zu kennen, auf
unserer Seite stehen und uns wesentliche Dienste leisten.‟ Nach-
dem sie mit Bewunderung von dem Mut und der Standhaftigkeit
der streikenden Arbeiterinnen gesprochen hat, fährt sie fort:
„Machen Sie die Sache der Arbeiterinnen zu der Jhren. Es
ist eine heilige, ernste Sache, zu der wir Frauen uns zu einer
großen internationalen Bewegung zusammenthun müssen.‟

Jch habe schon gezeigt, daß englische Frauen bereit sind,
diese Sache zu der ihrigen zu machen, aber auch die Regierung
hat die Fähigkeit der Frauen, für diese Sache zu arbeiten, an-
erkannt. Sie hat schon seit Jahren weibliche Fabrikinspektoren
angestellt, die von Jahr zu Jahr vermehrt werden. Die könig-
liche Arbeits - Kommission, welche im Jahre 1891 eingesetzt
wurde, zählte vier Frauen zu ihren Mitgliedern, denen die
statistischen Erhebungen über die Frauenarbeit anvertraut
wurden. Die Resultate ihrer dreijährigen Thätigkeit liegen
heute vor; sie legen für die Sache der Frauen beredteres Zeugnis
ab, als alle theoretischen Beweisführungen es vermögen. —

Von England über den Kanal hinüber nach dem deutschen
Reiche ist der Weg nicht weit. Und auch das Weltmeer, das
zwischen uns und Amerika oder Australien liegt, hat die Technik
längst überbrückt. Die deutsche Frau aber, so scheint es, unter-
scheidet sich durch ihre moralischen und geistigen Eigenschaften
von ihren Schwestern über dem Wasser so sehr, als lägen zehn
Weltenmeere zwischen ihnen. Denn wodurch könnten die
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[16/0017] seit fünfzig Jahren‟, so schloß sie ihre Rede, „arbeiten wir für das allgemeine Wahlrecht eines jeden Mannes und einer jeden Frau, denn wir haben die Nachteile und Ungerechtigkeiten, welche das partielle Wahlrecht nach sich zieht, überall kennen gelernt.‟ Miß Florence Balgarnie, dieselbe Frau, welche es durch unermüdliche Arbeit durchsetzte, daß Polizei-Matronen in Eng- land angestellt wurden, hat vor dem nationalen Kongreß der amerikanischen Frauen im Jahre 1891 ein ähnliches Bekenntnis abgelegt. Sie erklärt: „Jch freue mich, sagen zu können, daß die Arbeiterführer, welche ich die Ehre habe zu kennen, auf unserer Seite stehen und uns wesentliche Dienste leisten.‟ Nach- dem sie mit Bewunderung von dem Mut und der Standhaftigkeit der streikenden Arbeiterinnen gesprochen hat, fährt sie fort: „Machen Sie die Sache der Arbeiterinnen zu der Jhren. Es ist eine heilige, ernste Sache, zu der wir Frauen uns zu einer großen internationalen Bewegung zusammenthun müssen.‟ Jch habe schon gezeigt, daß englische Frauen bereit sind, diese Sache zu der ihrigen zu machen, aber auch die Regierung hat die Fähigkeit der Frauen, für diese Sache zu arbeiten, an- erkannt. Sie hat schon seit Jahren weibliche Fabrikinspektoren angestellt, die von Jahr zu Jahr vermehrt werden. Die könig- liche Arbeits - Kommission, welche im Jahre 1891 eingesetzt wurde, zählte vier Frauen zu ihren Mitgliedern, denen die statistischen Erhebungen über die Frauenarbeit anvertraut wurden. Die Resultate ihrer dreijährigen Thätigkeit liegen heute vor; sie legen für die Sache der Frauen beredteres Zeugnis ab, als alle theoretischen Beweisführungen es vermögen. — Von England über den Kanal hinüber nach dem deutschen Reiche ist der Weg nicht weit. Und auch das Weltmeer, das zwischen uns und Amerika oder Australien liegt, hat die Technik längst überbrückt. Die deutsche Frau aber, so scheint es, unter- scheidet sich durch ihre moralischen und geistigen Eigenschaften von ihren Schwestern über dem Wasser so sehr, als lägen zehn Weltenmeere zwischen ihnen. Denn wodurch könnten die Gesetzgeber es sonst rechtfertigen, daß sie ihr vor dem Gesetz den Platz als Menschen zweiter Klasse ange-

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Zitationshilfe: Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gizycki_buergerpflicht_1895/17>, abgerufen am 26.04.2024.