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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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hatte den letzten Athem der Sterbenden aufgeathmet,
und alle irdischen Lichter waren in seinem Glanz
zerronnen, und das Leben war zu seiner ersten Quelle
zurückgegangen; wie es aber durchbrach durch des
Grabes Nacht, und glorreich gegen Himmel fuhr, da
brachte es die neue Zeit aus der Tiefe mit herauf,
Elysium und die Unterwelt entwichen von der Erde,
die keinen Raum mehr für sie hatte, und die schöne
freudige, alte Sinnlichkeit war nun gebrochen, und
die Freundschaft des Menschen mit den Elementen
aufgehoben, es war Feindschaft zwischen ihm und der
Natur geworden, und er sollte der Schlange den
Kopf zertreten. Denn es waren andere Geister in
ihm aufgestanden, die ein Anderes wollten als die
Sinnenfreuden; es waren Flammen in ihm aufgelodert,
die das Irdische verzehren wollten, um Höheres zu
erlangen, und hohl von innen aufgerieben schwand
die sinnliche Natur in sich zusammen; die plastische
Fülle magerte mißgestaltet ab, aber auf den Ruinen
der irdischen Herrlichkeit wandelten die freudigen
Geister, die das Werk der eignen Hinopferung voll-
bracht, die sich selbst, ihr Leibliches und alle Lust der
Welt dem Ewigen zur Sühne hingeschlachtet, und
triumphirend nun über den Gluthen des Schetterhaufens
schwebten, auf den sie selbst freiwillig sich hingelegt.

35.

hatte den letzten Athem der Sterbenden aufgeathmet,
und alle irdiſchen Lichter waren in ſeinem Glanz
zerronnen, und das Leben war zu ſeiner erſten Quelle
zurückgegangen; wie es aber durchbrach durch des
Grabes Nacht, und glorreich gegen Himmel fuhr, da
brachte es die neue Zeit aus der Tiefe mit herauf,
Elyſium und die Unterwelt entwichen von der Erde,
die keinen Raum mehr für ſie hatte, und die ſchöne
freudige, alte Sinnlichkeit war nun gebrochen, und
die Freundſchaft des Menſchen mit den Elementen
aufgehoben, es war Feindſchaft zwiſchen ihm und der
Natur geworden, und er ſollte der Schlange den
Kopf zertreten. Denn es waren andere Geiſter in
ihm aufgeſtanden, die ein Anderes wollten als die
Sinnenfreuden; es waren Flammen in ihm aufgelodert,
die das Irdiſche verzehren wollten, um Höheres zu
erlangen, und hohl von innen aufgerieben ſchwand
die ſinnliche Natur in ſich zuſammen; die plaſtiſche
Fülle magerte mißgeſtaltet ab, aber auf den Ruinen
der irdiſchen Herrlichkeit wandelten die freudigen
Geiſter, die das Werk der eignen Hinopferung voll-
bracht, die ſich ſelbſt, ihr Leibliches und alle Luſt der
Welt dem Ewigen zur Sühne hingeſchlachtet, und
triumphirend nun über den Gluthen des Schetterhaufens
ſchwebten, auf den ſie ſelbſt freiwillig ſich hingelegt.

35.
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[273/0291] hatte den letzten Athem der Sterbenden aufgeathmet, und alle irdiſchen Lichter waren in ſeinem Glanz zerronnen, und das Leben war zu ſeiner erſten Quelle zurückgegangen; wie es aber durchbrach durch des Grabes Nacht, und glorreich gegen Himmel fuhr, da brachte es die neue Zeit aus der Tiefe mit herauf, Elyſium und die Unterwelt entwichen von der Erde, die keinen Raum mehr für ſie hatte, und die ſchöne freudige, alte Sinnlichkeit war nun gebrochen, und die Freundſchaft des Menſchen mit den Elementen aufgehoben, es war Feindſchaft zwiſchen ihm und der Natur geworden, und er ſollte der Schlange den Kopf zertreten. Denn es waren andere Geiſter in ihm aufgeſtanden, die ein Anderes wollten als die Sinnenfreuden; es waren Flammen in ihm aufgelodert, die das Irdiſche verzehren wollten, um Höheres zu erlangen, und hohl von innen aufgerieben ſchwand die ſinnliche Natur in ſich zuſammen; die plaſtiſche Fülle magerte mißgeſtaltet ab, aber auf den Ruinen der irdiſchen Herrlichkeit wandelten die freudigen Geiſter, die das Werk der eignen Hinopferung voll- bracht, die ſich ſelbſt, ihr Leibliches und alle Luſt der Welt dem Ewigen zur Sühne hingeſchlachtet, und triumphirend nun über den Gluthen des Schetterhaufens ſchwebten, auf den ſie ſelbſt freiwillig ſich hingelegt. 35.

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/291>, abgerufen am 29.04.2024.