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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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habe, sagte er, gegenwärtig einen solchen Fall
an einem vornehmen und reichen Ehepaar,
wo mir bis jetzt noch alle Kunst mißglückt
ist; fast gehört der Fall in Ihr Fach, lieber
Pastor, und dieser junge Mann wird ihn
nicht weiter erzählen.

In der Abwesenheit eines vornehmen
Mannes verkleidet man, mit einem nicht ganz
lobenswürdigen Scherze, einen jungen Men¬
schen in die Hauskleidung dieses Herren.
Seine Gemahlin sollte dadurch angeführt
werden, und ob man mir es gleich nur als
eine Posse erzählt hat, so fürchte ich doch
sehr, man hatte die Absicht, die edle, liebens¬
würdige Dame vom rechten Wege abzuleiten.
Der Gemahl kommt unvermuthet zurück, tritt
in sein Zimmer, glaubt sich selbst zu sehen,
und fällt von der Zeit an in eine Melancho¬
lie, in der er die Überzeugung nährt, daß
er bald sterben werde.

habe, ſagte er, gegenwärtig einen ſolchen Fall
an einem vornehmen und reichen Ehepaar,
wo mir bis jetzt noch alle Kunſt mißglückt
iſt; faſt gehört der Fall in Ihr Fach, lieber
Paſtor, und dieſer junge Mann wird ihn
nicht weiter erzählen.

In der Abweſenheit eines vornehmen
Mannes verkleidet man, mit einem nicht ganz
lobenswürdigen Scherze, einen jungen Men¬
ſchen in die Hauskleidung dieſes Herren.
Seine Gemahlin ſollte dadurch angeführt
werden, und ob man mir es gleich nur als
eine Poſſe erzählt hat, ſo fürchte ich doch
ſehr, man hatte die Abſicht, die edle, liebens¬
würdige Dame vom rechten Wege abzuleiten.
Der Gemahl kommt unvermuthet zurück, tritt
in ſein Zimmer, glaubt ſich ſelbſt zu ſehen,
und fällt von der Zeit an in eine Melancho¬
lie, in der er die Überzeugung nährt, daß
er bald ſterben werde.

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[181/0187] habe, ſagte er, gegenwärtig einen ſolchen Fall an einem vornehmen und reichen Ehepaar, wo mir bis jetzt noch alle Kunſt mißglückt iſt; faſt gehört der Fall in Ihr Fach, lieber Paſtor, und dieſer junge Mann wird ihn nicht weiter erzählen. In der Abweſenheit eines vornehmen Mannes verkleidet man, mit einem nicht ganz lobenswürdigen Scherze, einen jungen Men¬ ſchen in die Hauskleidung dieſes Herren. Seine Gemahlin ſollte dadurch angeführt werden, und ob man mir es gleich nur als eine Poſſe erzählt hat, ſo fürchte ich doch ſehr, man hatte die Abſicht, die edle, liebens¬ würdige Dame vom rechten Wege abzuleiten. Der Gemahl kommt unvermuthet zurück, tritt in ſein Zimmer, glaubt ſich ſelbſt zu ſehen, und fällt von der Zeit an in eine Melancho¬ lie, in der er die Überzeugung nährt, daß er bald ſterben werde.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/187>, abgerufen am 29.04.2024.