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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Zu eben dieser Zeit nahm man Emilie
Galotti vor. Dieses Stück war sehr glück¬
lich besetzt, und alle konnten in dem beschränk¬
ten Kreise dieses Trauerspiels die ganze Ma¬
nigfaltigkeit ihres Spieles zeigen. Serlo
war als Marinelli an seinem Platze, Odo¬
ardo ward sehr gut vorgetragen, Madam
Melina spielte die Mutter mit vieler Ein¬
sicht, Elmire zeichnete sich in der Rolle Emi¬
liens zu ihrem Vortheil aus, Laertes trat
als Appiani mit vielen Anstand auf, und
Wilhelm hatte ein Studium von mehreren
Monaten auf die Rolle des Prinzen verwen¬
det. Bey dieser Gelegenheit hatte er sowohl
mit sich selbst als mit Serlo und Aurelien
die Frage oft abgehandelt: welch ein Unter¬
schied sich zwischen einem edlen und vorneh¬
men Betragen zeige, und in wiefern jenes
in diesem, dieses aber nicht in jenem enthal¬
ten zu seyn brauche.

Serlo

Zu eben dieſer Zeit nahm man Emilie
Galotti vor. Dieſes Stück war ſehr glück¬
lich beſetzt, und alle konnten in dem beſchränk¬
ten Kreiſe dieſes Trauerſpiels die ganze Ma¬
nigfaltigkeit ihres Spieles zeigen. Serlo
war als Marinelli an ſeinem Platze, Odo¬
ardo ward ſehr gut vorgetragen, Madam
Melina ſpielte die Mutter mit vieler Ein¬
ſicht, Elmire zeichnete ſich in der Rolle Emi¬
liens zu ihrem Vortheil aus, Laertes trat
als Appiani mit vielen Anſtand auf, und
Wilhelm hatte ein Studium von mehreren
Monaten auf die Rolle des Prinzen verwen¬
det. Bey dieſer Gelegenheit hatte er ſowohl
mit ſich ſelbſt als mit Serlo und Aurelien
die Frage oft abgehandelt: welch ein Unter¬
ſchied ſich zwiſchen einem edlen und vorneh¬
men Betragen zeige, und in wiefern jenes
in dieſem, dieſes aber nicht in jenem enthal¬
ten zu ſeyn brauche.

Serlo
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[192/0198] Zu eben dieſer Zeit nahm man Emilie Galotti vor. Dieſes Stück war ſehr glück¬ lich beſetzt, und alle konnten in dem beſchränk¬ ten Kreiſe dieſes Trauerſpiels die ganze Ma¬ nigfaltigkeit ihres Spieles zeigen. Serlo war als Marinelli an ſeinem Platze, Odo¬ ardo ward ſehr gut vorgetragen, Madam Melina ſpielte die Mutter mit vieler Ein¬ ſicht, Elmire zeichnete ſich in der Rolle Emi¬ liens zu ihrem Vortheil aus, Laertes trat als Appiani mit vielen Anſtand auf, und Wilhelm hatte ein Studium von mehreren Monaten auf die Rolle des Prinzen verwen¬ det. Bey dieſer Gelegenheit hatte er ſowohl mit ſich ſelbſt als mit Serlo und Aurelien die Frage oft abgehandelt: welch ein Unter¬ ſchied ſich zwiſchen einem edlen und vorneh¬ men Betragen zeige, und in wiefern jenes in dieſem, dieſes aber nicht in jenem enthal¬ ten zu ſeyn brauche. Serlo

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/198>, abgerufen am 29.04.2024.