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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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gnügt, und da die Arbeit für das Schloß sei, würde
es ihren Seelen nichts schaden, wenn der Teufel sie
mache. Sie ergrimmte in der Seele, daß sie nicht da¬
bei gewesen, und wäre es nur, damit sie einmal den
Teufel gesehen und auch wüßte, was er für ein Aus¬
sehen hätte. Darum weinte dieses Weib nicht, sondern
redete in seinem Grimme harte Worte gegen den eige¬
nen Mann und gegen alle andern Männer.

"Des folgenden Tages, als in stilles Gewimmer das
Wehgeschrei verglommen war, saßen die Männer zu¬
sammen, suchten Rath und fanden keinen. Anfangs
war die Rede von neuem Bitten bei dem Ritter, aber
Niemand wollte bitten gehen, keinem schien Leib und
Leben feil. Einer wollte Weiber und Kinder schicken mit
Geheul und Jammer, der aber verstummete schnell als
die Weiber zu reden begannen, denn schon damals wa¬
ren die Weiber in der Nähe, wenn die Männer im
Rathe saßen. Sie wußten keinen Rath, als in Gottes
Namen Gehorsam zu versuchen, sie wollten Messen lesen
lassen, um Gottes Beistand zu gewinnen, wollten Nach¬
baren um nächtliche geheime Hülfe ansprechen, denn
eine offenbare hätten ihnen ihre Herren nicht erlaubt,
wollten sich theilen, die Hälfte sollte bei den Buchen
schaffen, die andere Hälfte Haber säen und des Viehes
warten. Sie hofften auf diese Weise und mit Gottes
Hülfe täglich wenigstens 3 Buchen auf Bärhegen hin¬
auf zu schaffen; vom Grünen redete Niemand; ob Nie¬
mand an ihn dachte, ist nicht verzeichnet worden.

"Sie theilten sich ein, rüsteten die Werkzeuge, und
als der erste Maitag über seine Schwelle kam, sammel¬
ten die Männer sich am Münneberg und begannen mit
gefaßtem Muthe die Arbeit. Im weiten Ringe mußten
die Buchen umgraben, sorgfältig die Wurzeln geschont,

gnügt, und da die Arbeit für das Schloß ſei, würde
es ihren Seelen nichts ſchaden, wenn der Teufel ſie
mache. Sie ergrimmte in der Seele, daß ſie nicht da¬
bei geweſen, und wäre es nur, damit ſie einmal den
Teufel geſehen und auch wüßte, was er für ein Aus¬
ſehen hätte. Darum weinte dieſes Weib nicht, ſondern
redete in ſeinem Grimme harte Worte gegen den eige¬
nen Mann und gegen alle andern Männer.

„Des folgenden Tages, als in ſtilles Gewimmer das
Wehgeſchrei verglommen war, ſaßen die Männer zu¬
ſammen, ſuchten Rath und fanden keinen. Anfangs
war die Rede von neuem Bitten bei dem Ritter, aber
Niemand wollte bitten gehen, keinem ſchien Leib und
Leben feil. Einer wollte Weiber und Kinder ſchicken mit
Geheul und Jammer, der aber verſtummete ſchnell als
die Weiber zu reden begannen, denn ſchon damals wa¬
ren die Weiber in der Nähe, wenn die Männer im
Rathe ſaßen. Sie wußten keinen Rath, als in Gottes
Namen Gehorſam zu verſuchen, ſie wollten Meſſen leſen
laſſen, um Gottes Beiſtand zu gewinnen, wollten Nach¬
baren um nächtliche geheime Hülfe anſprechen, denn
eine offenbare hätten ihnen ihre Herren nicht erlaubt,
wollten ſich theilen, die Hälfte ſollte bei den Buchen
ſchaffen, die andere Hälfte Haber ſäen und des Viehes
warten. Sie hofften auf dieſe Weiſe und mit Gottes
Hülfe täglich wenigſtens 3 Buchen auf Bärhegen hin¬
auf zu ſchaffen; vom Grünen redete Niemand; ob Nie¬
mand an ihn dachte, iſt nicht verzeichnet worden.

„Sie theilten ſich ein, rüſteten die Werkzeuge, und
als der erſte Maitag über ſeine Schwelle kam, ſammel¬
ten die Männer ſich am Münneberg und begannen mit
gefaßtem Muthe die Arbeit. Im weiten Ringe mußten
die Buchen umgraben, ſorgfältig die Wurzeln geſchont,

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[35/0045] gnügt, und da die Arbeit für das Schloß ſei, würde es ihren Seelen nichts ſchaden, wenn der Teufel ſie mache. Sie ergrimmte in der Seele, daß ſie nicht da¬ bei geweſen, und wäre es nur, damit ſie einmal den Teufel geſehen und auch wüßte, was er für ein Aus¬ ſehen hätte. Darum weinte dieſes Weib nicht, ſondern redete in ſeinem Grimme harte Worte gegen den eige¬ nen Mann und gegen alle andern Männer. „Des folgenden Tages, als in ſtilles Gewimmer das Wehgeſchrei verglommen war, ſaßen die Männer zu¬ ſammen, ſuchten Rath und fanden keinen. Anfangs war die Rede von neuem Bitten bei dem Ritter, aber Niemand wollte bitten gehen, keinem ſchien Leib und Leben feil. Einer wollte Weiber und Kinder ſchicken mit Geheul und Jammer, der aber verſtummete ſchnell als die Weiber zu reden begannen, denn ſchon damals wa¬ ren die Weiber in der Nähe, wenn die Männer im Rathe ſaßen. Sie wußten keinen Rath, als in Gottes Namen Gehorſam zu verſuchen, ſie wollten Meſſen leſen laſſen, um Gottes Beiſtand zu gewinnen, wollten Nach¬ baren um nächtliche geheime Hülfe anſprechen, denn eine offenbare hätten ihnen ihre Herren nicht erlaubt, wollten ſich theilen, die Hälfte ſollte bei den Buchen ſchaffen, die andere Hälfte Haber ſäen und des Viehes warten. Sie hofften auf dieſe Weiſe und mit Gottes Hülfe täglich wenigſtens 3 Buchen auf Bärhegen hin¬ auf zu ſchaffen; vom Grünen redete Niemand; ob Nie¬ mand an ihn dachte, iſt nicht verzeichnet worden. „Sie theilten ſich ein, rüſteten die Werkzeuge, und als der erſte Maitag über ſeine Schwelle kam, ſammel¬ ten die Männer ſich am Münneberg und begannen mit gefaßtem Muthe die Arbeit. Im weiten Ringe mußten die Buchen umgraben, ſorgfältig die Wurzeln geſchont,

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/45>, abgerufen am 27.04.2024.