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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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-- Georgi, Wcidig's Inquisitor, beginnt sich vor der öffent¬
lichen Meinung zu vertheidigen und bringt ein Actenstück vom Jahre
>837 bei, worin das Obcrappcllationsgcricht die ärztlichen Zeugnisse,
die Georgi für krank (am äeliriu", ti-emvn") erklärten, als nicht voll-
giltige gerichtliche Beweise gegen Georgi'S AmtSfähigkeit verwirft.
Dieses Actenstück zeigt aber nur, daß man sich nicht viel Scrupel
darüber machte, ob Inquirent das al-Iirim" habe oder nicht. Man
untersuchte nicht weiter; die Krankheit ist zwar wahrscheinlich, man
kann moralisch von ihr überzeugt sein, allein die Beschwerdeführenden
haben blos einige ärztliche Zeugnisse beigebracht, welche die Sache nicht
erledigen. Wir wünschten, man hätte die politischen Verbrecher nach
demselben Princip behandelt; man hätte Jndicicn oder Zeugenaussagen
wider sic, die nicht an sich vollgiltige gerichtliche Beweise waren, eben
so leichthin verworfen, eben so wenig beachtet, wie jene ärztlichen Zeug¬
nisse über den Inquisitor.

-- Gratsch hat in Petersburg eine Anstellung erhalten, die dem
preußischen Berichtigungsbüreau nachgeäfft ist: er soll Alles widerlegen,
was gegen Rußland geschrieben wird. Möge Nußland nie einen bes¬
sern .ulova-den" l1i.->.drü gewinnen. In Paris hat man sich über ihn
lustig gemacht. Zu Neujahr wurden in den vornehmsten Häusern von
unbekannter Hand Visitenkarten abgegeben mit der Aufschrift: (ZietscK,
Premier e8ava lie la Kussie.

-- In Köln eristirt ein exemplarischer Censor, Namens Wenzel.
Streichen heißt jetzt dort Wenzeln. Dieser Angstmcnsch hat sogar Frei-
ligrath ein Gedicht an das Jahr 1844 weggcwcnzelt. Das Obcrcen-
surgcricht hat das Gedicht freigesprochen; nun wird's zu Neujahr 1845
erscheinen. Es wird wohl noch Passen, da sich Deutschland in einem
Jahre nicht verändert.

-- Gutzkow's Zopf und Schwert soll in Wien glücklich die Cen¬
sur passirt haben. -- Sowohl in Dresden als in Frankfurt a. M.
und in Nürnberg, den drei Orten, wo das Stück gegeben wurde, hat
es entschieden gefallen. --






Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda
Druck von Friedrich Andrä.

— Georgi, Wcidig's Inquisitor, beginnt sich vor der öffent¬
lichen Meinung zu vertheidigen und bringt ein Actenstück vom Jahre
>837 bei, worin das Obcrappcllationsgcricht die ärztlichen Zeugnisse,
die Georgi für krank (am äeliriu», ti-emvn«) erklärten, als nicht voll-
giltige gerichtliche Beweise gegen Georgi'S AmtSfähigkeit verwirft.
Dieses Actenstück zeigt aber nur, daß man sich nicht viel Scrupel
darüber machte, ob Inquirent das al-Iirim» habe oder nicht. Man
untersuchte nicht weiter; die Krankheit ist zwar wahrscheinlich, man
kann moralisch von ihr überzeugt sein, allein die Beschwerdeführenden
haben blos einige ärztliche Zeugnisse beigebracht, welche die Sache nicht
erledigen. Wir wünschten, man hätte die politischen Verbrecher nach
demselben Princip behandelt; man hätte Jndicicn oder Zeugenaussagen
wider sic, die nicht an sich vollgiltige gerichtliche Beweise waren, eben
so leichthin verworfen, eben so wenig beachtet, wie jene ärztlichen Zeug¬
nisse über den Inquisitor.

— Gratsch hat in Petersburg eine Anstellung erhalten, die dem
preußischen Berichtigungsbüreau nachgeäfft ist: er soll Alles widerlegen,
was gegen Rußland geschrieben wird. Möge Nußland nie einen bes¬
sern .ulova-den« l1i.->.drü gewinnen. In Paris hat man sich über ihn
lustig gemacht. Zu Neujahr wurden in den vornehmsten Häusern von
unbekannter Hand Visitenkarten abgegeben mit der Aufschrift: (ZietscK,
Premier e8ava lie la Kussie.

— In Köln eristirt ein exemplarischer Censor, Namens Wenzel.
Streichen heißt jetzt dort Wenzeln. Dieser Angstmcnsch hat sogar Frei-
ligrath ein Gedicht an das Jahr 1844 weggcwcnzelt. Das Obcrcen-
surgcricht hat das Gedicht freigesprochen; nun wird's zu Neujahr 1845
erscheinen. Es wird wohl noch Passen, da sich Deutschland in einem
Jahre nicht verändert.

— Gutzkow's Zopf und Schwert soll in Wien glücklich die Cen¬
sur passirt haben. — Sowohl in Dresden als in Frankfurt a. M.
und in Nürnberg, den drei Orten, wo das Stück gegeben wurde, hat
es entschieden gefallen. —






Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda
Druck von Friedrich Andrä.
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[0208] — Georgi, Wcidig's Inquisitor, beginnt sich vor der öffent¬ lichen Meinung zu vertheidigen und bringt ein Actenstück vom Jahre >837 bei, worin das Obcrappcllationsgcricht die ärztlichen Zeugnisse, die Georgi für krank (am äeliriu», ti-emvn«) erklärten, als nicht voll- giltige gerichtliche Beweise gegen Georgi'S AmtSfähigkeit verwirft. Dieses Actenstück zeigt aber nur, daß man sich nicht viel Scrupel darüber machte, ob Inquirent das al-Iirim» habe oder nicht. Man untersuchte nicht weiter; die Krankheit ist zwar wahrscheinlich, man kann moralisch von ihr überzeugt sein, allein die Beschwerdeführenden haben blos einige ärztliche Zeugnisse beigebracht, welche die Sache nicht erledigen. Wir wünschten, man hätte die politischen Verbrecher nach demselben Princip behandelt; man hätte Jndicicn oder Zeugenaussagen wider sic, die nicht an sich vollgiltige gerichtliche Beweise waren, eben so leichthin verworfen, eben so wenig beachtet, wie jene ärztlichen Zeug¬ nisse über den Inquisitor. — Gratsch hat in Petersburg eine Anstellung erhalten, die dem preußischen Berichtigungsbüreau nachgeäfft ist: er soll Alles widerlegen, was gegen Rußland geschrieben wird. Möge Nußland nie einen bes¬ sern .ulova-den« l1i.->.drü gewinnen. In Paris hat man sich über ihn lustig gemacht. Zu Neujahr wurden in den vornehmsten Häusern von unbekannter Hand Visitenkarten abgegeben mit der Aufschrift: (ZietscK, Premier e8ava lie la Kussie. — In Köln eristirt ein exemplarischer Censor, Namens Wenzel. Streichen heißt jetzt dort Wenzeln. Dieser Angstmcnsch hat sogar Frei- ligrath ein Gedicht an das Jahr 1844 weggcwcnzelt. Das Obcrcen- surgcricht hat das Gedicht freigesprochen; nun wird's zu Neujahr 1845 erscheinen. Es wird wohl noch Passen, da sich Deutschland in einem Jahre nicht verändert. — Gutzkow's Zopf und Schwert soll in Wien glücklich die Cen¬ sur passirt haben. — Sowohl in Dresden als in Frankfurt a. M. und in Nürnberg, den drei Orten, wo das Stück gegeben wurde, hat es entschieden gefallen. — Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/208>, abgerufen am 17.06.2024.