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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Der Salon der Frau von Varnhagen.



i!.

Die Sonntag, eine politische Begebenheit. -- Spontini. -- Polignac und die
französische Krisis. -- Jesuiten und Pietisten. -- Anekdote. -- Gin Wort
Benjamin Constant's. -- Rahel'6 politische Prophezeihungen. -- Bettina in
der Gesellschaft. -- Schlußwort.

Durch einen zufälligen Uebergang kam die Rede auf Mlle. Sonntag
und den erhöhten Beifall, der ihr seit ihrer Rückkehr von Paris zu
Theil wurde. Sie verdiene ihn durchaus, wurde behauptet, sie habe
dort ungemein an Ausdruck und Grazie gewonnen und sei jetzt eine
vollkommene Meisterin. Ich weiß nicht mehr, wer dies bestritt und
dagegen meinte, sie sei nur vollkommener geworden in der musikali¬
schen Koketterie, denn die Gunst des Publicums zu gewinnen, habe
noch Niemand so gut verstanden. Man erinnerte an das Wort der
Catalani, die von Mlle. Sonntag, nachdem sie dieselbe zum ersten
Male singen hören, gesagt habe: "I^IIe est Krimpe ckuix son Ac"re,
ains so" Kovro "se n"tit." Man führte satyrische Zeilen von Lud¬
wig Robert an, der diesen Ausspruch noch gehässig verstärkt hatte.
Der Tadel gewann nun weit die Oberhand, und besonders wurde
Gans, der Musik und Gespräche über Musik nur mit größter Unge¬
duld ertrug, jetzt aufs Neue laut und wollte wiederholen, was er in
französischen Blättern kürzlich über Mlle. Sonntag gelesen hatte.
Aber Frau von Varnhagen bezeigte großes Mißfallen und wollte
das Gespräch in dieser Wendung nicht weitergehen lassen; sie rief
mit guter Laune und komischer Heftigkeit dem Sprecher zu: "Lieber
Gans, kommen Sie her, Ihnen muß man Mlle. Sonntag als poli--


Gr"n,zb°et" I. 27
Der Salon der Frau von Varnhagen.



i!.

Die Sonntag, eine politische Begebenheit. — Spontini. — Polignac und die
französische Krisis. — Jesuiten und Pietisten. — Anekdote. — Gin Wort
Benjamin Constant's. — Rahel'6 politische Prophezeihungen. — Bettina in
der Gesellschaft. — Schlußwort.

Durch einen zufälligen Uebergang kam die Rede auf Mlle. Sonntag
und den erhöhten Beifall, der ihr seit ihrer Rückkehr von Paris zu
Theil wurde. Sie verdiene ihn durchaus, wurde behauptet, sie habe
dort ungemein an Ausdruck und Grazie gewonnen und sei jetzt eine
vollkommene Meisterin. Ich weiß nicht mehr, wer dies bestritt und
dagegen meinte, sie sei nur vollkommener geworden in der musikali¬
schen Koketterie, denn die Gunst des Publicums zu gewinnen, habe
noch Niemand so gut verstanden. Man erinnerte an das Wort der
Catalani, die von Mlle. Sonntag, nachdem sie dieselbe zum ersten
Male singen hören, gesagt habe: „I^IIe est Krimpe ckuix son Ac»re,
ains so» Kovro «se n«tit." Man führte satyrische Zeilen von Lud¬
wig Robert an, der diesen Ausspruch noch gehässig verstärkt hatte.
Der Tadel gewann nun weit die Oberhand, und besonders wurde
Gans, der Musik und Gespräche über Musik nur mit größter Unge¬
duld ertrug, jetzt aufs Neue laut und wollte wiederholen, was er in
französischen Blättern kürzlich über Mlle. Sonntag gelesen hatte.
Aber Frau von Varnhagen bezeigte großes Mißfallen und wollte
das Gespräch in dieser Wendung nicht weitergehen lassen; sie rief
mit guter Laune und komischer Heftigkeit dem Sprecher zu: „Lieber
Gans, kommen Sie her, Ihnen muß man Mlle. Sonntag als poli--


Gr«n,zb°et» I. 27
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[0209] Der Salon der Frau von Varnhagen. i!. Die Sonntag, eine politische Begebenheit. — Spontini. — Polignac und die französische Krisis. — Jesuiten und Pietisten. — Anekdote. — Gin Wort Benjamin Constant's. — Rahel'6 politische Prophezeihungen. — Bettina in der Gesellschaft. — Schlußwort. Durch einen zufälligen Uebergang kam die Rede auf Mlle. Sonntag und den erhöhten Beifall, der ihr seit ihrer Rückkehr von Paris zu Theil wurde. Sie verdiene ihn durchaus, wurde behauptet, sie habe dort ungemein an Ausdruck und Grazie gewonnen und sei jetzt eine vollkommene Meisterin. Ich weiß nicht mehr, wer dies bestritt und dagegen meinte, sie sei nur vollkommener geworden in der musikali¬ schen Koketterie, denn die Gunst des Publicums zu gewinnen, habe noch Niemand so gut verstanden. Man erinnerte an das Wort der Catalani, die von Mlle. Sonntag, nachdem sie dieselbe zum ersten Male singen hören, gesagt habe: „I^IIe est Krimpe ckuix son Ac»re, ains so» Kovro «se n«tit." Man führte satyrische Zeilen von Lud¬ wig Robert an, der diesen Ausspruch noch gehässig verstärkt hatte. Der Tadel gewann nun weit die Oberhand, und besonders wurde Gans, der Musik und Gespräche über Musik nur mit größter Unge¬ duld ertrug, jetzt aufs Neue laut und wollte wiederholen, was er in französischen Blättern kürzlich über Mlle. Sonntag gelesen hatte. Aber Frau von Varnhagen bezeigte großes Mißfallen und wollte das Gespräch in dieser Wendung nicht weitergehen lassen; sie rief mit guter Laune und komischer Heftigkeit dem Sprecher zu: „Lieber Gans, kommen Sie her, Ihnen muß man Mlle. Sonntag als poli-- Gr«n,zb°et» I. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/209>, abgerufen am 17.06.2024.