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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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te". Das ist eine Tragödie, größer und trauriger, als die Geschichte
jenes älter" Brutus. -- Man darf übrigens nicht übersehen, daß diese
Beurtheilung des Stückes von Halm von unserem (Pseudonymen) Kor¬
respondenten nach der ersten Aufführung geschrieben wurde. Wir be¬
halten uns vor, eine zweite Beurtheilung nach der zweiten Aufführung
nachzutragen, da der Dichter große Veränderungen mit seinem Drama
vorgenommen haben sott. Man muß schon Halm dieses Mal mehr
Theilnahme als gewöhnlich schenken, weil ein gewisses Mißgeschick sich
an seine Fersen gehängt hat. Nach der abgeschmackten Verleumdung,
die ihn traf, fügt es der Zufall, daß er in Prosa ein Stück schreibt.
Am Abend der ersten Aufführung stirbt eine kaiserliche Erzherzogin,
wodurch das Theater für die nächsten drei Tage verschlossen blieb, und
da es in Wien Sitte ist, daß jedes Stück, welches nur halbwcg ge¬
fallen hat, gleich am nächsten Abend wiederholt wird, so hat es das
Ansehen, als sei das Stück total durchgefeilten, obschon nur eine ganz
äußerliche Veranlassung die Darstellung verschieben ließ. --

-- Wie kommt es, daß man von vielen Mitarbeitern der Augs-
burger allgemeinen Zeitung die Beschwerde hört, daß die Redaction
selten auf einen ihrer Briefe antworte? Sehr oft benutzt die Augs-
burger Monate, ja Jahre lang die Einsendungen eines Korrespondenten,
die Cottaschc Buchhandlung zahlt ihm prompt sein Honorar, ohne
daß die Redaction während der ganzen Zeit auch nur
Einen seiner Briefe beantwortete. Die Redaction eines gro¬
ßen Blattes hat mehr zu thun, als auf alle Briefe zu antworten; dies
wissen wir ganz gut. Indessen ist die Klage gegen diesen Mangel an
der nothwendigsten Höflichkeit gegen ihre Mitarbeiter uns von so vielen
Seiten bekannt geworden, daß wir der Curiosität willen sie ein Mal
laut aussprechen wollen.

'-- Von Karl Beck, der seit den zwei Jahre", die er in Oester¬
reich lebte, ganz verstummt war, erscheint nächstens eine größere Dich¬
tung unter dem Titel "Tricolore." Beck las diese Dichtung vor Kur¬
zem in einer größeren literarischen Gesellschaft bei Lenau vor, und
Alles war von dem kühnen Schwung derselben hingerissen. Die Dich¬
tung wendet sich mit glühenden Worten (in ungereimten Versen) an
die einzelnen Classen der Gesellschaft, an die Fürsten, Priester, Ade¬
ligen, Gcldmcnschc" u. s. w. -- Im Februar gedenkt Beck, die ihm
unbehagliche Wiener Luft zu verlassen uno vorläufig uach Berlin sich
zu begeben, obschon Berlin eben nicht mehr Sitz ,der politischen Be¬
haglichkeit ist, alö die österreichische Kaiserstadt.

-- Die zahlreichen Freunde des früh verschiedenen Gaudy
werden sich freuen, daß endlich eine Ausgabe seiner sämmtlichen Werke


te». Das ist eine Tragödie, größer und trauriger, als die Geschichte
jenes älter» Brutus. — Man darf übrigens nicht übersehen, daß diese
Beurtheilung des Stückes von Halm von unserem (Pseudonymen) Kor¬
respondenten nach der ersten Aufführung geschrieben wurde. Wir be¬
halten uns vor, eine zweite Beurtheilung nach der zweiten Aufführung
nachzutragen, da der Dichter große Veränderungen mit seinem Drama
vorgenommen haben sott. Man muß schon Halm dieses Mal mehr
Theilnahme als gewöhnlich schenken, weil ein gewisses Mißgeschick sich
an seine Fersen gehängt hat. Nach der abgeschmackten Verleumdung,
die ihn traf, fügt es der Zufall, daß er in Prosa ein Stück schreibt.
Am Abend der ersten Aufführung stirbt eine kaiserliche Erzherzogin,
wodurch das Theater für die nächsten drei Tage verschlossen blieb, und
da es in Wien Sitte ist, daß jedes Stück, welches nur halbwcg ge¬
fallen hat, gleich am nächsten Abend wiederholt wird, so hat es das
Ansehen, als sei das Stück total durchgefeilten, obschon nur eine ganz
äußerliche Veranlassung die Darstellung verschieben ließ. —

— Wie kommt es, daß man von vielen Mitarbeitern der Augs-
burger allgemeinen Zeitung die Beschwerde hört, daß die Redaction
selten auf einen ihrer Briefe antworte? Sehr oft benutzt die Augs-
burger Monate, ja Jahre lang die Einsendungen eines Korrespondenten,
die Cottaschc Buchhandlung zahlt ihm prompt sein Honorar, ohne
daß die Redaction während der ganzen Zeit auch nur
Einen seiner Briefe beantwortete. Die Redaction eines gro¬
ßen Blattes hat mehr zu thun, als auf alle Briefe zu antworten; dies
wissen wir ganz gut. Indessen ist die Klage gegen diesen Mangel an
der nothwendigsten Höflichkeit gegen ihre Mitarbeiter uns von so vielen
Seiten bekannt geworden, daß wir der Curiosität willen sie ein Mal
laut aussprechen wollen.

'— Von Karl Beck, der seit den zwei Jahre», die er in Oester¬
reich lebte, ganz verstummt war, erscheint nächstens eine größere Dich¬
tung unter dem Titel „Tricolore." Beck las diese Dichtung vor Kur¬
zem in einer größeren literarischen Gesellschaft bei Lenau vor, und
Alles war von dem kühnen Schwung derselben hingerissen. Die Dich¬
tung wendet sich mit glühenden Worten (in ungereimten Versen) an
die einzelnen Classen der Gesellschaft, an die Fürsten, Priester, Ade¬
ligen, Gcldmcnschc» u. s. w. — Im Februar gedenkt Beck, die ihm
unbehagliche Wiener Luft zu verlassen uno vorläufig uach Berlin sich
zu begeben, obschon Berlin eben nicht mehr Sitz ,der politischen Be¬
haglichkeit ist, alö die österreichische Kaiserstadt.

— Die zahlreichen Freunde des früh verschiedenen Gaudy
werden sich freuen, daß endlich eine Ausgabe seiner sämmtlichen Werke


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/232>, abgerufen am 17.06.2024.