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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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(Berlin, bei Karl I. Kleemann) veranstaltet wird. Gaudy war im
Leben und als Dichter eine jener liebenswürdigen, keck ritterlichen
Gestalten, die immer seltener werde". Es war nichts studirtes, nicht"
Gemachtes an seinem Wesen. Freisinnig, aus frischemNanirdrang und
freiem Lebensmuth, vereinigte er scharfe Entschiedenheit der Gesinnung
mit einer naiv heitern Weltanschauung, der alle Sentimentalität wie
all" Bitterkeit fremd war. Eine Zeit lang war er das Haupt, ge¬
wissermaßen Hauptmann, eines jugendlichen PoetcnkreiseS, der in wild-
genialer Opposition gegen die Convenicnzen und Tendenzen des resi-
dcnzlichen Bcrlinerthnmö lebte. Ohne irgend große, nach Einer Rich¬
tung hin bahnbrechende Kraft, war sein Talent dafür um so frucht¬
barer und vielseitiger. Seine letzten Lieder gemahnen an Beranger,
dessen Chansons er mit Chamisso sehr glücklich nachbildete; seine No¬
vellen und Reisebilder sind ein ganz originelles Genre, reizend durch
schalkhaften Humor, klare, gcmüthötiefe Heiterkeit und wnndcrlaunige
Phantasie; Hackländer'ö Federzeichnungen erinnern in Etwas an Gau-
dy's Manier. Der Herausgeber und Freund des Dichters, Arthur
Mueller, der den literarischen Nachlaß geordnet hat, bemerkt, "daß
dieser nicht, wie so mancher andere, aus verschollenen, der spätern
Ausbildung des Dichters unwürdigen Jugendarbeiten oder aus zusam¬
mengerafften Schreibcpults Papieren bestehe, sondern vielmehr die
reifsten und vollendetsten Arbeiten Gaudy'ö enthalte, der in seiner letz¬
ten Lebenszeit damit beschäftigt war, einen neuen Band Gedichte, zwei
Bände Novellen, eine Sammlung von humoristischen Aufsätzen und
die Früchte seiner zweiten italienischen Reise zur Herausgabe vorzube¬
reiten." Das Inhaltsverzeichnis) kündigt sieben neue Novellen, fünf
neue poetische Erzählungen, drei noch ""gedruckte neue Lustspiele in
Versen und einen ganzen Band italienischer Reisebilder, unter der"
Titel: Portoga tu an; außerdem neue Lieder und humoristische Auf-
sähe. Gewiß wird man Gaudy durch diese Gesammtausgabe von
mancher neuen, vielleicht überraschenden Seite kennen lernen.

-- In Leipzig wird jetzt für denselben Buchhändler, der die
Uebersetzung von Cnstinc's "I^s Kuh"le co 1839" verlegte, sThomaö)
eine Widerlegung Custine'ö gedruckt. Der neue Kämpfer für das Cza-
renreich ist ein Deutscher. Er muß Nußland freilich genau ken¬
nen, denn er war länger dort als Cnstinc, ja so lange schon, daß er
wohl gleich lebenslänglich dort bleiben wird. Der Mann heißt Grimm,
ist ein Arzt, der in Rußland seine Praxis gefunden hat, und war, wie wir
hören, vor kurzer Zeit als Begleiter einer russischen Gräfin in Leipzig.
ES ist gut, das zu wisse", damit man die Glaubwürdigkeit dieses
"unparteiischen" Deutschen richtig zu würdigen im Stande sei. --

-- Mehrere Zeitungen deuten an, daß auch Erzherzog Ste¬
phan, der neue Statthalter Böhmens, einer russische" Kaisertochter


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(Berlin, bei Karl I. Kleemann) veranstaltet wird. Gaudy war im
Leben und als Dichter eine jener liebenswürdigen, keck ritterlichen
Gestalten, die immer seltener werde». Es war nichts studirtes, nicht»
Gemachtes an seinem Wesen. Freisinnig, aus frischemNanirdrang und
freiem Lebensmuth, vereinigte er scharfe Entschiedenheit der Gesinnung
mit einer naiv heitern Weltanschauung, der alle Sentimentalität wie
all« Bitterkeit fremd war. Eine Zeit lang war er das Haupt, ge¬
wissermaßen Hauptmann, eines jugendlichen PoetcnkreiseS, der in wild-
genialer Opposition gegen die Convenicnzen und Tendenzen des resi-
dcnzlichen Bcrlinerthnmö lebte. Ohne irgend große, nach Einer Rich¬
tung hin bahnbrechende Kraft, war sein Talent dafür um so frucht¬
barer und vielseitiger. Seine letzten Lieder gemahnen an Beranger,
dessen Chansons er mit Chamisso sehr glücklich nachbildete; seine No¬
vellen und Reisebilder sind ein ganz originelles Genre, reizend durch
schalkhaften Humor, klare, gcmüthötiefe Heiterkeit und wnndcrlaunige
Phantasie; Hackländer'ö Federzeichnungen erinnern in Etwas an Gau-
dy's Manier. Der Herausgeber und Freund des Dichters, Arthur
Mueller, der den literarischen Nachlaß geordnet hat, bemerkt, „daß
dieser nicht, wie so mancher andere, aus verschollenen, der spätern
Ausbildung des Dichters unwürdigen Jugendarbeiten oder aus zusam¬
mengerafften Schreibcpults Papieren bestehe, sondern vielmehr die
reifsten und vollendetsten Arbeiten Gaudy'ö enthalte, der in seiner letz¬
ten Lebenszeit damit beschäftigt war, einen neuen Band Gedichte, zwei
Bände Novellen, eine Sammlung von humoristischen Aufsätzen und
die Früchte seiner zweiten italienischen Reise zur Herausgabe vorzube¬
reiten." Das Inhaltsverzeichnis) kündigt sieben neue Novellen, fünf
neue poetische Erzählungen, drei noch »„gedruckte neue Lustspiele in
Versen und einen ganzen Band italienischer Reisebilder, unter der»
Titel: Portoga tu an; außerdem neue Lieder und humoristische Auf-
sähe. Gewiß wird man Gaudy durch diese Gesammtausgabe von
mancher neuen, vielleicht überraschenden Seite kennen lernen.

— In Leipzig wird jetzt für denselben Buchhändler, der die
Uebersetzung von Cnstinc's „I^s Kuh«le co 1839" verlegte, sThomaö)
eine Widerlegung Custine'ö gedruckt. Der neue Kämpfer für das Cza-
renreich ist ein Deutscher. Er muß Nußland freilich genau ken¬
nen, denn er war länger dort als Cnstinc, ja so lange schon, daß er
wohl gleich lebenslänglich dort bleiben wird. Der Mann heißt Grimm,
ist ein Arzt, der in Rußland seine Praxis gefunden hat, und war, wie wir
hören, vor kurzer Zeit als Begleiter einer russischen Gräfin in Leipzig.
ES ist gut, das zu wisse», damit man die Glaubwürdigkeit dieses
„unparteiischen" Deutschen richtig zu würdigen im Stande sei. —

— Mehrere Zeitungen deuten an, daß auch Erzherzog Ste¬
phan, der neue Statthalter Böhmens, einer russische» Kaisertochter


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[0233] (Berlin, bei Karl I. Kleemann) veranstaltet wird. Gaudy war im Leben und als Dichter eine jener liebenswürdigen, keck ritterlichen Gestalten, die immer seltener werde». Es war nichts studirtes, nicht» Gemachtes an seinem Wesen. Freisinnig, aus frischemNanirdrang und freiem Lebensmuth, vereinigte er scharfe Entschiedenheit der Gesinnung mit einer naiv heitern Weltanschauung, der alle Sentimentalität wie all« Bitterkeit fremd war. Eine Zeit lang war er das Haupt, ge¬ wissermaßen Hauptmann, eines jugendlichen PoetcnkreiseS, der in wild- genialer Opposition gegen die Convenicnzen und Tendenzen des resi- dcnzlichen Bcrlinerthnmö lebte. Ohne irgend große, nach Einer Rich¬ tung hin bahnbrechende Kraft, war sein Talent dafür um so frucht¬ barer und vielseitiger. Seine letzten Lieder gemahnen an Beranger, dessen Chansons er mit Chamisso sehr glücklich nachbildete; seine No¬ vellen und Reisebilder sind ein ganz originelles Genre, reizend durch schalkhaften Humor, klare, gcmüthötiefe Heiterkeit und wnndcrlaunige Phantasie; Hackländer'ö Federzeichnungen erinnern in Etwas an Gau- dy's Manier. Der Herausgeber und Freund des Dichters, Arthur Mueller, der den literarischen Nachlaß geordnet hat, bemerkt, „daß dieser nicht, wie so mancher andere, aus verschollenen, der spätern Ausbildung des Dichters unwürdigen Jugendarbeiten oder aus zusam¬ mengerafften Schreibcpults Papieren bestehe, sondern vielmehr die reifsten und vollendetsten Arbeiten Gaudy'ö enthalte, der in seiner letz¬ ten Lebenszeit damit beschäftigt war, einen neuen Band Gedichte, zwei Bände Novellen, eine Sammlung von humoristischen Aufsätzen und die Früchte seiner zweiten italienischen Reise zur Herausgabe vorzube¬ reiten." Das Inhaltsverzeichnis) kündigt sieben neue Novellen, fünf neue poetische Erzählungen, drei noch »„gedruckte neue Lustspiele in Versen und einen ganzen Band italienischer Reisebilder, unter der» Titel: Portoga tu an; außerdem neue Lieder und humoristische Auf- sähe. Gewiß wird man Gaudy durch diese Gesammtausgabe von mancher neuen, vielleicht überraschenden Seite kennen lernen. — In Leipzig wird jetzt für denselben Buchhändler, der die Uebersetzung von Cnstinc's „I^s Kuh«le co 1839" verlegte, sThomaö) eine Widerlegung Custine'ö gedruckt. Der neue Kämpfer für das Cza- renreich ist ein Deutscher. Er muß Nußland freilich genau ken¬ nen, denn er war länger dort als Cnstinc, ja so lange schon, daß er wohl gleich lebenslänglich dort bleiben wird. Der Mann heißt Grimm, ist ein Arzt, der in Rußland seine Praxis gefunden hat, und war, wie wir hören, vor kurzer Zeit als Begleiter einer russischen Gräfin in Leipzig. ES ist gut, das zu wisse», damit man die Glaubwürdigkeit dieses „unparteiischen" Deutschen richtig zu würdigen im Stande sei. — — Mehrere Zeitungen deuten an, daß auch Erzherzog Ste¬ phan, der neue Statthalter Böhmens, einer russische» Kaisertochter Ä>-i,jb-»e» I.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/233>, abgerufen am 17.06.2024.