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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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ihn verhindert, in Ansichten einzugehen, welche, in anderer Schaale
dargeboten, durch ihre Tiefe, Klarheit und praktische Anwendbarkeit,
ihre Aufmerksamkeit fesseln würden. Auf der Rednerbühne wird Arago
durch seine natürlichen Gaben sehr begünstigt.. Seine Züge sind edel,
lebendig und ausdrucksvoll, seine Gesticulationen von südlicher Leben-
digkeit, seine Stimme klar und wohltönend. Er zeigt eine vielleicht
zu^ große Vorliebe für Sarkasmen, eine Waffe, die er jedoch mit
großer Kraft zu gebrauchen weiß. Im Ganzen möchte man fast
sagen, daß ihn seine Fehler ebenso sehr wie seine Vorzüge unter-
stützen. Wenn er weniger feurig wäre, würde er öfter überzeugen;
er würde weniger interessiren, wäre er gemäßigter.

Arago hat eine ziemliche Anzahl öffentlicher Aemter zuvereen;
die ihm jedoch fast alle angetragen oder durch Wahl zugetheilt wor-
den sind: - Arago ist beständigex Secretär der Academie der Wis-
senschaften, Arago ist Deputirter, Arago ist Vorsteher der Stern-
warte und des Längenbureaus, Arago ist Mitglied des obersten
Rathes der polytechnischen Schule , Arago ist Mitglied des Gene-
ral-Conseils der Seine und des Gesundheits -- Comites , . Arago
war oder ist Oberstex der Nationalgarde und endlich ist Arago
Bürger von Glasgow und Edinburg. Letztere Würde ist die einzige,
welche eine Sinecure ist. Seit einiger Zeit spricht man immer von
der angeborenen Indolenz Arago's. Wenn Arago, sagt man, keine
jener Hauptentdeckungen gemacht, keines jener Werke geschrieben hat,
welche jahrhunderte überleben und ihren Urheber unsterblich machen,
so ist sein Leichtsinn und seine Indolenz daran Schuld.'

Will der Leser wissen , was es mit der Indolenz Aragos für
eine Bewandtniß habe, so bitten wir ihn, nur die jungen, am Obser--
v.^^.torium angestellten Astronomen zu fragen. Sie werden ihm mit
Schrecken gestehen, daß noch kein menschliches Gehirn ungestraft eine
so es^^^ ^ unternommen hat, daß Arago Jeden für einen
Faullenzer hält, der nicht vierzehn Stunden täglich arbeitet, und daß
f^ur ihndie Tage, an denen er nicht länger arbeitet, Tage der Ruhe
sin I;^^^^^^^ ^ daß dieser schreckliche Mensch in der
Pol^ilk, der. ^Chemie, der Physik, der Mechanik, der Astronomie, der
natu^rges^^^^^^^ der Philosophie und der Literatur vollkommen zu
Hause ist, und daß er im Nothfall selbst Trauerspiele schreibt; daß
er In regelmäßigem Briefwechsel mit allen Gelehrten Europas steht,
G


renzboten 1844. I.

ihn verhindert, in Ansichten einzugehen, welche, in anderer Schaale
dargeboten, durch ihre Tiefe, Klarheit und praktische Anwendbarkeit,
ihre Aufmerksamkeit fesseln würden. Auf der Rednerbühne wird Arago
durch seine natürlichen Gaben sehr begünstigt.. Seine Züge sind edel,
lebendig und ausdrucksvoll, seine Gesticulationen von südlicher Leben-
digkeit, seine Stimme klar und wohltönend. Er zeigt eine vielleicht
zu^ große Vorliebe für Sarkasmen, eine Waffe, die er jedoch mit
großer Kraft zu gebrauchen weiß. Im Ganzen möchte man fast
sagen, daß ihn seine Fehler ebenso sehr wie seine Vorzüge unter-
stützen. Wenn er weniger feurig wäre, würde er öfter überzeugen;
er würde weniger interessiren, wäre er gemäßigter.

Arago hat eine ziemliche Anzahl öffentlicher Aemter zuvereen;
die ihm jedoch fast alle angetragen oder durch Wahl zugetheilt wor-
den sind: - Arago ist beständigex Secretär der Academie der Wis-
senschaften, Arago ist Deputirter, Arago ist Vorsteher der Stern-
warte und des Längenbureaus, Arago ist Mitglied des obersten
Rathes der polytechnischen Schule , Arago ist Mitglied des Gene-
ral-Conseils der Seine und des Gesundheits -- Comites , . Arago
war oder ist Oberstex der Nationalgarde und endlich ist Arago
Bürger von Glasgow und Edinburg. Letztere Würde ist die einzige,
welche eine Sinecure ist. Seit einiger Zeit spricht man immer von
der angeborenen Indolenz Arago's. Wenn Arago, sagt man, keine
jener Hauptentdeckungen gemacht, keines jener Werke geschrieben hat,
welche jahrhunderte überleben und ihren Urheber unsterblich machen,
so ist sein Leichtsinn und seine Indolenz daran Schuld.'

Will der Leser wissen , was es mit der Indolenz Aragos für
eine Bewandtniß habe, so bitten wir ihn, nur die jungen, am Obser--
v.^^.torium angestellten Astronomen zu fragen. Sie werden ihm mit
Schrecken gestehen, daß noch kein menschliches Gehirn ungestraft eine
so es^^^ ^ unternommen hat, daß Arago Jeden für einen
Faullenzer hält, der nicht vierzehn Stunden täglich arbeitet, und daß
f^ur ihndie Tage, an denen er nicht länger arbeitet, Tage der Ruhe
sin I;^^^^^^^ ^ daß dieser schreckliche Mensch in der
Pol^ilk, der. ^Chemie, der Physik, der Mechanik, der Astronomie, der
natu^rges^^^^^^^ der Philosophie und der Literatur vollkommen zu
Hause ist, und daß er im Nothfall selbst Trauerspiele schreibt; daß
er In regelmäßigem Briefwechsel mit allen Gelehrten Europas steht,
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renzboten 1844. I.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/93>, abgerufen am 17.06.2024.