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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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nehm von oben herab behandelt. -- Dort sind zwei andere Zeugen.
Der eine eine blasse, schwächliche Greisengestalt mit fast zitternden
Knieen, mit kahlem Haupte, mit einem freundlichen ehrwürdigen
Gesichte und jenem langsamen etwas pathetischen Tone dem man
sogleich den Schulmann anmerkt) der andere hingegen hoch, ela¬
stisch, wohlgenährt, blutjung, mit zuversichtlicher Miene, die Wohl¬
ergehen und Sorglosigkeit andeutet, die steife Haltung, der gestutzte
Backenbart und der geschnürte Leib verrathen den Zögling einer
Cadettenschule, der bereits das Portepve als Lieutenant trägt:
nun wohl! der würdige Schulmann, der jeden Tag vierzig junge
Geschöpfe in Sittlichkeit und Kenntnisse einweiht, der mit Aufo¬
pferung seiner Lunge und Nervenkräfte dem Vaterlande in jenem
friedlichen Pulverdampfe dient, den man Schulftaub nennt, der ein
kleines Heer tüchtiger Bürger bereits herangebildet hat, fruchtbrin¬
gende Bäume, die die Saat fortpflanzen die er ausgestreut, er der
Gesundheit und Behaglichkeit auf jenem geräuschvollen kleinen
Schlachtfeld Schule eingebüßt hat -- er muß stehen, während
der junge militairische Dandy, der einst für das Vaterland in ir¬
gend einer Garnison den Feind abwartet, sich sogleich niedersetzt,
damit seine kostbaren Beine ja nicht vor der Zeit ermüden, damit
ihm in Voraus die Achtung gezollt wird, für den Fall daß er
keine Gelegenheit hätte sie durch Verdienste zu erwerben. -- Da
sind zwei andere Bürger, beide von gleichem Alter, von gleichem
Stande, beide der Handelswelt angehörig. Der eine ist soeben
erst von einer weiten Reise zurückgekehrt, von Pesth, von Trieft,
von Lemberg, von Leipzig, wo er auf den großen Jahrmärkten die
Erzeugnisse des inländischen Fleißes gegen andere Producte umge¬
tauscht, einer jener wandelnden Brücken die den Verkehr zwischen
den verschiedenen Nationen bilden, unermüdliche Caravanengänger
die keine Strapazen scheuen und überall mit ihrer Person einstehen.
Der Andere ist nicht minder fleißig, nicht minder betriebsam, aber
bequemer und aristokratischer, er verläßt kaum das warme wohlta¬
pezierte Comptoir seines Hauses, höchstens daß er den kleinen Weg
auf die Börse täglich einmal macht. Dennoch wird ihm der Stuhl
geboten der dem andern nicht zugestanden wird, denn er hat das
Patent alsGroßhändler, ver Andere blos als Handelsmann.
Kür die Paar Gulden die jener für sein Patent jährlich dem Staate


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nehm von oben herab behandelt. — Dort sind zwei andere Zeugen.
Der eine eine blasse, schwächliche Greisengestalt mit fast zitternden
Knieen, mit kahlem Haupte, mit einem freundlichen ehrwürdigen
Gesichte und jenem langsamen etwas pathetischen Tone dem man
sogleich den Schulmann anmerkt) der andere hingegen hoch, ela¬
stisch, wohlgenährt, blutjung, mit zuversichtlicher Miene, die Wohl¬
ergehen und Sorglosigkeit andeutet, die steife Haltung, der gestutzte
Backenbart und der geschnürte Leib verrathen den Zögling einer
Cadettenschule, der bereits das Portepve als Lieutenant trägt:
nun wohl! der würdige Schulmann, der jeden Tag vierzig junge
Geschöpfe in Sittlichkeit und Kenntnisse einweiht, der mit Aufo¬
pferung seiner Lunge und Nervenkräfte dem Vaterlande in jenem
friedlichen Pulverdampfe dient, den man Schulftaub nennt, der ein
kleines Heer tüchtiger Bürger bereits herangebildet hat, fruchtbrin¬
gende Bäume, die die Saat fortpflanzen die er ausgestreut, er der
Gesundheit und Behaglichkeit auf jenem geräuschvollen kleinen
Schlachtfeld Schule eingebüßt hat — er muß stehen, während
der junge militairische Dandy, der einst für das Vaterland in ir¬
gend einer Garnison den Feind abwartet, sich sogleich niedersetzt,
damit seine kostbaren Beine ja nicht vor der Zeit ermüden, damit
ihm in Voraus die Achtung gezollt wird, für den Fall daß er
keine Gelegenheit hätte sie durch Verdienste zu erwerben. — Da
sind zwei andere Bürger, beide von gleichem Alter, von gleichem
Stande, beide der Handelswelt angehörig. Der eine ist soeben
erst von einer weiten Reise zurückgekehrt, von Pesth, von Trieft,
von Lemberg, von Leipzig, wo er auf den großen Jahrmärkten die
Erzeugnisse des inländischen Fleißes gegen andere Producte umge¬
tauscht, einer jener wandelnden Brücken die den Verkehr zwischen
den verschiedenen Nationen bilden, unermüdliche Caravanengänger
die keine Strapazen scheuen und überall mit ihrer Person einstehen.
Der Andere ist nicht minder fleißig, nicht minder betriebsam, aber
bequemer und aristokratischer, er verläßt kaum das warme wohlta¬
pezierte Comptoir seines Hauses, höchstens daß er den kleinen Weg
auf die Börse täglich einmal macht. Dennoch wird ihm der Stuhl
geboten der dem andern nicht zugestanden wird, denn er hat das
Patent alsGroßhändler, ver Andere blos als Handelsmann.
Kür die Paar Gulden die jener für sein Patent jährlich dem Staate


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[0491] nehm von oben herab behandelt. — Dort sind zwei andere Zeugen. Der eine eine blasse, schwächliche Greisengestalt mit fast zitternden Knieen, mit kahlem Haupte, mit einem freundlichen ehrwürdigen Gesichte und jenem langsamen etwas pathetischen Tone dem man sogleich den Schulmann anmerkt) der andere hingegen hoch, ela¬ stisch, wohlgenährt, blutjung, mit zuversichtlicher Miene, die Wohl¬ ergehen und Sorglosigkeit andeutet, die steife Haltung, der gestutzte Backenbart und der geschnürte Leib verrathen den Zögling einer Cadettenschule, der bereits das Portepve als Lieutenant trägt: nun wohl! der würdige Schulmann, der jeden Tag vierzig junge Geschöpfe in Sittlichkeit und Kenntnisse einweiht, der mit Aufo¬ pferung seiner Lunge und Nervenkräfte dem Vaterlande in jenem friedlichen Pulverdampfe dient, den man Schulftaub nennt, der ein kleines Heer tüchtiger Bürger bereits herangebildet hat, fruchtbrin¬ gende Bäume, die die Saat fortpflanzen die er ausgestreut, er der Gesundheit und Behaglichkeit auf jenem geräuschvollen kleinen Schlachtfeld Schule eingebüßt hat — er muß stehen, während der junge militairische Dandy, der einst für das Vaterland in ir¬ gend einer Garnison den Feind abwartet, sich sogleich niedersetzt, damit seine kostbaren Beine ja nicht vor der Zeit ermüden, damit ihm in Voraus die Achtung gezollt wird, für den Fall daß er keine Gelegenheit hätte sie durch Verdienste zu erwerben. — Da sind zwei andere Bürger, beide von gleichem Alter, von gleichem Stande, beide der Handelswelt angehörig. Der eine ist soeben erst von einer weiten Reise zurückgekehrt, von Pesth, von Trieft, von Lemberg, von Leipzig, wo er auf den großen Jahrmärkten die Erzeugnisse des inländischen Fleißes gegen andere Producte umge¬ tauscht, einer jener wandelnden Brücken die den Verkehr zwischen den verschiedenen Nationen bilden, unermüdliche Caravanengänger die keine Strapazen scheuen und überall mit ihrer Person einstehen. Der Andere ist nicht minder fleißig, nicht minder betriebsam, aber bequemer und aristokratischer, er verläßt kaum das warme wohlta¬ pezierte Comptoir seines Hauses, höchstens daß er den kleinen Weg auf die Börse täglich einmal macht. Dennoch wird ihm der Stuhl geboten der dem andern nicht zugestanden wird, denn er hat das Patent alsGroßhändler, ver Andere blos als Handelsmann. Kür die Paar Gulden die jener für sein Patent jährlich dem Staate 61*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/491>, abgerufen am 28.04.2024.