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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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ungefähr die Wage halten; mit Ausnahme einer ziemlich guten Donna Anna,
Frl. Brandt, ist sie sehr unerfreulich.

Die Männer der Politik hatte man oft genug Gelegenheit, zu betrachten.
Nachmittags war regelmäßig eine Sitzung des Fünfziger-Ausschusses, Vormittags
in der Regel; und des Mittags wie des Abends traf man Fünfziger, Siebzehner,
einige BuudestagSgesandte und Deputirte aus allen möglichen Gegenden in dem
englischen Hof zusammen.

Die Sitzungen des Fünfziger-Ausschusses waren zuerst in einem ziemlich
kleinen Saal des Römers; die Zuschauer waren in eine enge Verzännung einge¬
pfercht, ein großer Theil mußte regelmäßig zurückgewiesen werden. Wer Con-
nerionen im Ausschuß hatte, bekam ein Plätzchen außerhalb dieser Einpferchung.
Einigermaßen wurde diesem Uebelstande abgeholfen, als später die Sitzungen in
den Kaisersaal verlegt wurden. Uebrigens gehörten die Damen zu den regel¬
mäßigsten Besuchern, und es kamen anch 9--10jährige Knaben vor, die über
die Politik beim Nachhausegehen tapfer raisonnirten.

Man wird die Thätigkeit -- oder wenn man will die Unthätigkeit des
Fünfziger-Ausschusses am besten verstehen, wenn man sich seine eigenthümliche
Lage vergegenwärtigt. Er ging aus einer Versammlung hervor, die über ihre
eignen Absichten eben so im Unklaren war, als über ihren Einfluß. Das soge¬
nannte Vorparlament war einberufen von 51 "gutgesinnten" Männern, um über
die neue Verfassung des deutschen Reichs zu berathe". Rechtlich hatte es also
keine andere Geltung, als etwa die Germanisten-Versammlung, oder der Verein
deutscher Landwirthe. Was es factisch für eine Geltung haben sollte, hing von
seiner Thätigkeit ab.

Die radikale Partei hatte die Absicht, sich zum Central-Ausschuß aller Ra¬
dikale", zum permanenten Ounite et'insnri-octivn zu machen. Sie wollte mit Be¬
wußtsein den Rechtsboden aufgeben, sie wollte mit den rechtlich bestehenden Ge¬
walten, dem Bundestag und den einzelnen Monarchen nichts zu thun haben, sie
wollte die Zügel der Revolution in die Hand nehmen.

Bei der furchtbaren Aufregung der Gemüther in der damaligen Zeit ist es
die Frage, ob sie nicht überall eine sehr starke Partei gefunden haben würde, die
sich ihr angeschlossen hätte. Frankfurt war ein günstiger Ort, um gleichsam aus
einem geheimnißvollen Hintergrund die Aufregung zu schüren; es ist diejenige
Gegend Deutschlands, in welcher die Republik den schnellsten Zugang findet. Zu¬
gleich hatte das Ganze, am Sitz des Bundestags, eine Art historischen Anstrich.
Man dachte sich es ungefähr so, den Bundestag der heiligen Allianz durch einen
Bundestag der Revolution zu ersetzen. Aber abgesehen davon, daß die beiden
deutscheu Großmächte ziemlich außer dem Spiel blieben -- vou dem preußischen
Landtag war ein einziges Mitglied erschienen --; daß Wien und Berlin schon


ungefähr die Wage halten; mit Ausnahme einer ziemlich guten Donna Anna,
Frl. Brandt, ist sie sehr unerfreulich.

Die Männer der Politik hatte man oft genug Gelegenheit, zu betrachten.
Nachmittags war regelmäßig eine Sitzung des Fünfziger-Ausschusses, Vormittags
in der Regel; und des Mittags wie des Abends traf man Fünfziger, Siebzehner,
einige BuudestagSgesandte und Deputirte aus allen möglichen Gegenden in dem
englischen Hof zusammen.

Die Sitzungen des Fünfziger-Ausschusses waren zuerst in einem ziemlich
kleinen Saal des Römers; die Zuschauer waren in eine enge Verzännung einge¬
pfercht, ein großer Theil mußte regelmäßig zurückgewiesen werden. Wer Con-
nerionen im Ausschuß hatte, bekam ein Plätzchen außerhalb dieser Einpferchung.
Einigermaßen wurde diesem Uebelstande abgeholfen, als später die Sitzungen in
den Kaisersaal verlegt wurden. Uebrigens gehörten die Damen zu den regel¬
mäßigsten Besuchern, und es kamen anch 9—10jährige Knaben vor, die über
die Politik beim Nachhausegehen tapfer raisonnirten.

Man wird die Thätigkeit — oder wenn man will die Unthätigkeit des
Fünfziger-Ausschusses am besten verstehen, wenn man sich seine eigenthümliche
Lage vergegenwärtigt. Er ging aus einer Versammlung hervor, die über ihre
eignen Absichten eben so im Unklaren war, als über ihren Einfluß. Das soge¬
nannte Vorparlament war einberufen von 51 „gutgesinnten" Männern, um über
die neue Verfassung des deutschen Reichs zu berathe». Rechtlich hatte es also
keine andere Geltung, als etwa die Germanisten-Versammlung, oder der Verein
deutscher Landwirthe. Was es factisch für eine Geltung haben sollte, hing von
seiner Thätigkeit ab.

Die radikale Partei hatte die Absicht, sich zum Central-Ausschuß aller Ra¬
dikale», zum permanenten Ounite et'insnri-octivn zu machen. Sie wollte mit Be¬
wußtsein den Rechtsboden aufgeben, sie wollte mit den rechtlich bestehenden Ge¬
walten, dem Bundestag und den einzelnen Monarchen nichts zu thun haben, sie
wollte die Zügel der Revolution in die Hand nehmen.

Bei der furchtbaren Aufregung der Gemüther in der damaligen Zeit ist es
die Frage, ob sie nicht überall eine sehr starke Partei gefunden haben würde, die
sich ihr angeschlossen hätte. Frankfurt war ein günstiger Ort, um gleichsam aus
einem geheimnißvollen Hintergrund die Aufregung zu schüren; es ist diejenige
Gegend Deutschlands, in welcher die Republik den schnellsten Zugang findet. Zu¬
gleich hatte das Ganze, am Sitz des Bundestags, eine Art historischen Anstrich.
Man dachte sich es ungefähr so, den Bundestag der heiligen Allianz durch einen
Bundestag der Revolution zu ersetzen. Aber abgesehen davon, daß die beiden
deutscheu Großmächte ziemlich außer dem Spiel blieben — vou dem preußischen
Landtag war ein einziges Mitglied erschienen —; daß Wien und Berlin schon


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/203>, abgerufen am 17.06.2024.