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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Lassen Sie uns die schöne Hoffnung, daß es auch klug und männlich genug sein
werde, diese schöne Revolution segensreich durchzuführen. Ja, revoltirt hat
Deutschland, nicht r eformirt, nud Deutschland hat sich dieses Revoltirens weder
zu schämen, noch vor dessen natürlichen Folgen zu fürchten. Seit den Zeiten von
Huß und Luther, und in noch höherem Grade seit Frankreichs Umwälzung von
1789 erstrebten Rationalismus und Liberalismus der edelsten Patrioten
eine unerläßliche Reform, d. h. zeit- und menschheitsgemäße Aenderungen, Besse¬
rungen, Veredlungen, Vervollkommnungen des Oberbauch mit Beibehaltung des
Grundbaues. Sobald Rationalismus und Liberalismus von der zwiefachen Frucht
losigkeit ihres Strebens sich endlich überzeugt hatte", mußte bei allen Tüchtigen
und Guten der Gedanke an Revolution erwachen und zur That werden. Aber die
Revolution ist nicht Zweck, wie Herr v. Metternich und Genossen der Welt weis
machen wollten, sondern sie ist nur ein Mittel zu Erreichung des höhern
Zweckes und zwar -- das einzig mögliche Mittel.

Der Grundbau unsers bisherigen deutschen Staatswesens war purer Abso¬
lutismus, bunt verlarvt, behängen und gewappnet mit PatriarchaliSinus,
Feudalthum, Christenthumsschein, Wissenschaftsnebel, Aberglau¬
ben an ein göttliches und historisches Recht, Kastengeist, Ständespie¬
lerei, Heeresmacht, Kanzleiennacht, die Throne waren mit Actenstößen
thurmhoch umwallt und Ströme von Dinte bildeten die Bnrggräbcn. Oder mit
andern Worten: das alte Grundprincip bestand darin, daß sich die regierende
Dynastie als von Gott eigens berufene Herren und Eigenthümer des Landes
und des Volkes betrachtete, mithin das Volk nur als Lehnswaare auch da noch
behandeln konnte, wo mildere Sitte, schlaue Staatskunst und in jnstinianischem Rechts¬
kram versunkene Wissenschaft die Leibeigenschaft nicht ausgehoben, sondern ihr nur
einen andern Namen gegeben hatten. Wo die Dynastie Obereigenthümer
des Bodens und Herr des Volkes ist, da ist das Volk leibeigen, wenn gleich
es nur Unterthan genannt wird, und des Herrn Streben kann nicht wohl ein
anderes sein, als -- den Leibeigenen durch alle deutbaren Mittel sich auch zum
Seeleneigenen zu machen. Wo die Dynastie Obereigenthümer des Bodens
und Herr des Volkes ist, da erscheint natürlich auch ihr Wohl als Zweck des
Staates und das Volk nur als Mittel zu möglichster Erfüllung dieses Zweckes, die
Dynastie hat uur Rechte, das Volk nur Pflichten.

Auf diesem Grundprincipe beruhte bis heute das gestimmte deutsche Staats-
wesen. Die Geschichte und Erfahrung haben sattsam gelehrt, daß es ewig un
möglich bleiben wird, auf diesem Princip einen gesunden und dauernden Rcformban
aufzuführen. So kam man aus den natürlichen Gedanken, zu einer Revolution
zu schreiten, d. h. das Grundprincip selbst umzustürzen, und er that es, indem
er der Dynastie die Majestät und Souveränität des Staates entzog und das neue
Princip der Volkssouveränität aufstellte. Auch dieses wurde bald als ein ein"


Lassen Sie uns die schöne Hoffnung, daß es auch klug und männlich genug sein
werde, diese schöne Revolution segensreich durchzuführen. Ja, revoltirt hat
Deutschland, nicht r eformirt, nud Deutschland hat sich dieses Revoltirens weder
zu schämen, noch vor dessen natürlichen Folgen zu fürchten. Seit den Zeiten von
Huß und Luther, und in noch höherem Grade seit Frankreichs Umwälzung von
1789 erstrebten Rationalismus und Liberalismus der edelsten Patrioten
eine unerläßliche Reform, d. h. zeit- und menschheitsgemäße Aenderungen, Besse¬
rungen, Veredlungen, Vervollkommnungen des Oberbauch mit Beibehaltung des
Grundbaues. Sobald Rationalismus und Liberalismus von der zwiefachen Frucht
losigkeit ihres Strebens sich endlich überzeugt hatte», mußte bei allen Tüchtigen
und Guten der Gedanke an Revolution erwachen und zur That werden. Aber die
Revolution ist nicht Zweck, wie Herr v. Metternich und Genossen der Welt weis
machen wollten, sondern sie ist nur ein Mittel zu Erreichung des höhern
Zweckes und zwar — das einzig mögliche Mittel.

Der Grundbau unsers bisherigen deutschen Staatswesens war purer Abso¬
lutismus, bunt verlarvt, behängen und gewappnet mit PatriarchaliSinus,
Feudalthum, Christenthumsschein, Wissenschaftsnebel, Aberglau¬
ben an ein göttliches und historisches Recht, Kastengeist, Ständespie¬
lerei, Heeresmacht, Kanzleiennacht, die Throne waren mit Actenstößen
thurmhoch umwallt und Ströme von Dinte bildeten die Bnrggräbcn. Oder mit
andern Worten: das alte Grundprincip bestand darin, daß sich die regierende
Dynastie als von Gott eigens berufene Herren und Eigenthümer des Landes
und des Volkes betrachtete, mithin das Volk nur als Lehnswaare auch da noch
behandeln konnte, wo mildere Sitte, schlaue Staatskunst und in jnstinianischem Rechts¬
kram versunkene Wissenschaft die Leibeigenschaft nicht ausgehoben, sondern ihr nur
einen andern Namen gegeben hatten. Wo die Dynastie Obereigenthümer
des Bodens und Herr des Volkes ist, da ist das Volk leibeigen, wenn gleich
es nur Unterthan genannt wird, und des Herrn Streben kann nicht wohl ein
anderes sein, als — den Leibeigenen durch alle deutbaren Mittel sich auch zum
Seeleneigenen zu machen. Wo die Dynastie Obereigenthümer des Bodens
und Herr des Volkes ist, da erscheint natürlich auch ihr Wohl als Zweck des
Staates und das Volk nur als Mittel zu möglichster Erfüllung dieses Zweckes, die
Dynastie hat uur Rechte, das Volk nur Pflichten.

Auf diesem Grundprincipe beruhte bis heute das gestimmte deutsche Staats-
wesen. Die Geschichte und Erfahrung haben sattsam gelehrt, daß es ewig un
möglich bleiben wird, auf diesem Princip einen gesunden und dauernden Rcformban
aufzuführen. So kam man aus den natürlichen Gedanken, zu einer Revolution
zu schreiten, d. h. das Grundprincip selbst umzustürzen, und er that es, indem
er der Dynastie die Majestät und Souveränität des Staates entzog und das neue
Princip der Volkssouveränität aufstellte. Auch dieses wurde bald als ein ein»


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[0212] Lassen Sie uns die schöne Hoffnung, daß es auch klug und männlich genug sein werde, diese schöne Revolution segensreich durchzuführen. Ja, revoltirt hat Deutschland, nicht r eformirt, nud Deutschland hat sich dieses Revoltirens weder zu schämen, noch vor dessen natürlichen Folgen zu fürchten. Seit den Zeiten von Huß und Luther, und in noch höherem Grade seit Frankreichs Umwälzung von 1789 erstrebten Rationalismus und Liberalismus der edelsten Patrioten eine unerläßliche Reform, d. h. zeit- und menschheitsgemäße Aenderungen, Besse¬ rungen, Veredlungen, Vervollkommnungen des Oberbauch mit Beibehaltung des Grundbaues. Sobald Rationalismus und Liberalismus von der zwiefachen Frucht losigkeit ihres Strebens sich endlich überzeugt hatte», mußte bei allen Tüchtigen und Guten der Gedanke an Revolution erwachen und zur That werden. Aber die Revolution ist nicht Zweck, wie Herr v. Metternich und Genossen der Welt weis machen wollten, sondern sie ist nur ein Mittel zu Erreichung des höhern Zweckes und zwar — das einzig mögliche Mittel. Der Grundbau unsers bisherigen deutschen Staatswesens war purer Abso¬ lutismus, bunt verlarvt, behängen und gewappnet mit PatriarchaliSinus, Feudalthum, Christenthumsschein, Wissenschaftsnebel, Aberglau¬ ben an ein göttliches und historisches Recht, Kastengeist, Ständespie¬ lerei, Heeresmacht, Kanzleiennacht, die Throne waren mit Actenstößen thurmhoch umwallt und Ströme von Dinte bildeten die Bnrggräbcn. Oder mit andern Worten: das alte Grundprincip bestand darin, daß sich die regierende Dynastie als von Gott eigens berufene Herren und Eigenthümer des Landes und des Volkes betrachtete, mithin das Volk nur als Lehnswaare auch da noch behandeln konnte, wo mildere Sitte, schlaue Staatskunst und in jnstinianischem Rechts¬ kram versunkene Wissenschaft die Leibeigenschaft nicht ausgehoben, sondern ihr nur einen andern Namen gegeben hatten. Wo die Dynastie Obereigenthümer des Bodens und Herr des Volkes ist, da ist das Volk leibeigen, wenn gleich es nur Unterthan genannt wird, und des Herrn Streben kann nicht wohl ein anderes sein, als — den Leibeigenen durch alle deutbaren Mittel sich auch zum Seeleneigenen zu machen. Wo die Dynastie Obereigenthümer des Bodens und Herr des Volkes ist, da erscheint natürlich auch ihr Wohl als Zweck des Staates und das Volk nur als Mittel zu möglichster Erfüllung dieses Zweckes, die Dynastie hat uur Rechte, das Volk nur Pflichten. Auf diesem Grundprincipe beruhte bis heute das gestimmte deutsche Staats- wesen. Die Geschichte und Erfahrung haben sattsam gelehrt, daß es ewig un möglich bleiben wird, auf diesem Princip einen gesunden und dauernden Rcformban aufzuführen. So kam man aus den natürlichen Gedanken, zu einer Revolution zu schreiten, d. h. das Grundprincip selbst umzustürzen, und er that es, indem er der Dynastie die Majestät und Souveränität des Staates entzog und das neue Princip der Volkssouveränität aufstellte. Auch dieses wurde bald als ein ein»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/212>, abgerufen am 17.06.2024.