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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Aber diese Pflicht erscheint noch heiliger und dringender in diesem Augenblicke
der großen Entscheidung, welcher Oestreichs und Deutschlands ganze Kraft und
ganzen Enthusiasmus erheischt.

Oestreich muß sich um jeden Preis der Metternich'schen Schmach von Ru߬
lands Hegemonie, von Rußlands beinahe unmittelbaren Eingriffen und Fortschritten
nach Westen entwinden.

Gleicher Beruf und gleiche Pflicht gebieten Oestreich wie Deutschland, rasch
und entschlossen im Südosten zu einem Befreinngswerke zu schreiten. Frei muß
die Donau für die Lande, welchen sie entströmt, in das Meer gelangen können.
Keine Bevormundung von Moldau und Walachei mehr! Kein Landweg mehr nach
Constantinopel sür russische Heere offen! Dort muß eine neue, feste Grenzmark,
ein "bis hierher und nicht weiter!" gegen das Czarenthum gezogen werden. Den
Seeweg nach Constantinopel für Rußlands Eroberungsflotten unfahrbar zu ma¬
chen, werden die italienischen und deutschen Flotten wohl bald im Stande sein. --
Dort erblüht allen deutschen Landen eine neue Handelswelt und ein unermeßlicher
Markt, welcher wohl reich aufwiegen wird, was man vielleicht im Einzelnen durch
Freigebung Italiens an manchen Orten verliert.

Sollen Oestreich und Deutschland diese heiligste ihrer Pflichten mit Erfolg
üben können, so müssen sie den Rücken frei haben. Dieser Kampf steht bevor, er
ist unvermeidlich, gleichviel ob heute von Oestreich und Deutschland in's Leben
gerufen, oder morgen von dem Ezaren geboten. Aber offenbar stehen Oestreich
und Deutschland im Vortheile, wenn sie selbst diesen Kampf beginnen, jetzt be¬
ginnen, statt sich erst darauf einzulassen, wenn der Russe es bequem finden wird.

Darum erscheint es als Veruunftpflicht sür die Staaten Oestreich und Deutsch-
land, der Dynastie Oestreich kategorisch ihr Halt! gegen Italien zuzurufen, und
nicht zu dulden, daß einer vielhundertjährigen Chimäre neue Millionen, neues
Blut, die edelste Kraft Oestreichs, also anch Deutschlands geopfert, vielleicht die
ganze Zukunft beider Staaten nutzlos auf das Spiel gesetzt werde. Freunde be¬
darf Deutschland im Westen und Süden, der freie Staat bedarf keiner Unter¬
jochten! Die Waffen des freien Deutschlands sollen und dürfen nicht zur Knech¬
tung anderer Nationalitäten geschwungen werden. Deutschlands Kraft darf weder
für den Augenblick geschwächt, noch durch einen neuen Knechtuugssieg in Italien
von Neuem sür die Zukunft gelähmt und gebunden werden! - --

In dem Augenblick, wo ich diesen ehrlichen Erguß meines Herzens schließen
will, wiederholt sich eine früher verlachte Kunde.- "Das östreichische Kaiser¬
haus trage Bedenken, dem Bundestage sich unterzuordnen, die
östreichische Ministerialwelt und Diplomatie glaube mit einem
vollständig souveränen Großmachts - Oestreich allein fortan be¬
stehen zu können, und das östreichische Volk lebe der Ueberzeu¬
gung, daß ihm nur dann ein Heil erblühen könne, wenn Lombar-


Aber diese Pflicht erscheint noch heiliger und dringender in diesem Augenblicke
der großen Entscheidung, welcher Oestreichs und Deutschlands ganze Kraft und
ganzen Enthusiasmus erheischt.

Oestreich muß sich um jeden Preis der Metternich'schen Schmach von Ru߬
lands Hegemonie, von Rußlands beinahe unmittelbaren Eingriffen und Fortschritten
nach Westen entwinden.

Gleicher Beruf und gleiche Pflicht gebieten Oestreich wie Deutschland, rasch
und entschlossen im Südosten zu einem Befreinngswerke zu schreiten. Frei muß
die Donau für die Lande, welchen sie entströmt, in das Meer gelangen können.
Keine Bevormundung von Moldau und Walachei mehr! Kein Landweg mehr nach
Constantinopel sür russische Heere offen! Dort muß eine neue, feste Grenzmark,
ein „bis hierher und nicht weiter!" gegen das Czarenthum gezogen werden. Den
Seeweg nach Constantinopel für Rußlands Eroberungsflotten unfahrbar zu ma¬
chen, werden die italienischen und deutschen Flotten wohl bald im Stande sein. —
Dort erblüht allen deutschen Landen eine neue Handelswelt und ein unermeßlicher
Markt, welcher wohl reich aufwiegen wird, was man vielleicht im Einzelnen durch
Freigebung Italiens an manchen Orten verliert.

Sollen Oestreich und Deutschland diese heiligste ihrer Pflichten mit Erfolg
üben können, so müssen sie den Rücken frei haben. Dieser Kampf steht bevor, er
ist unvermeidlich, gleichviel ob heute von Oestreich und Deutschland in's Leben
gerufen, oder morgen von dem Ezaren geboten. Aber offenbar stehen Oestreich
und Deutschland im Vortheile, wenn sie selbst diesen Kampf beginnen, jetzt be¬
ginnen, statt sich erst darauf einzulassen, wenn der Russe es bequem finden wird.

Darum erscheint es als Veruunftpflicht sür die Staaten Oestreich und Deutsch-
land, der Dynastie Oestreich kategorisch ihr Halt! gegen Italien zuzurufen, und
nicht zu dulden, daß einer vielhundertjährigen Chimäre neue Millionen, neues
Blut, die edelste Kraft Oestreichs, also anch Deutschlands geopfert, vielleicht die
ganze Zukunft beider Staaten nutzlos auf das Spiel gesetzt werde. Freunde be¬
darf Deutschland im Westen und Süden, der freie Staat bedarf keiner Unter¬
jochten! Die Waffen des freien Deutschlands sollen und dürfen nicht zur Knech¬
tung anderer Nationalitäten geschwungen werden. Deutschlands Kraft darf weder
für den Augenblick geschwächt, noch durch einen neuen Knechtuugssieg in Italien
von Neuem sür die Zukunft gelähmt und gebunden werden! - —

In dem Augenblick, wo ich diesen ehrlichen Erguß meines Herzens schließen
will, wiederholt sich eine früher verlachte Kunde.- „Das östreichische Kaiser¬
haus trage Bedenken, dem Bundestage sich unterzuordnen, die
östreichische Ministerialwelt und Diplomatie glaube mit einem
vollständig souveränen Großmachts - Oestreich allein fortan be¬
stehen zu können, und das östreichische Volk lebe der Ueberzeu¬
gung, daß ihm nur dann ein Heil erblühen könne, wenn Lombar-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/217>, abgerufen am 17.06.2024.