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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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kann anderes daraus werden, als eine verhäugnißreiche Wiederanknüpfung jener
unseligen diplomatische" Ränke zwischen Frankreich und Oestreich, jener jammer¬
vollen Eifersüchtelei auf den gegenseitigen Einfluß in Italien, jenes ewigen, alle
Kraft und Zuversicht raubenden Zustandes eines bewaffneten Friedens, worin
auch Deutschland unabwendbar verflochten wird? Was wird und muß hieraus
für Italien sich ergeben? Unabwendbar die alte Wortbrüchigkeit, Treulosigkeit,
Verrath, Reaction, Zerwürfniß, Lähmung, geheime Gesellschaften, neue Demo¬
ralisation eines kaum zu einigem Bewußtsein gelangten Volkes, und neues Re-
volutionsgebrüte. Italien, als ein großes einiges Glied in der europäischen
Staatenkette, ist unrettbar verloren, und abermals verdammt, unter Scheinsürsten
von Moden und Parma sein Leben zu verkümmern, in geheimer Eifersucht zwischen
Piemont, Lombardei und Neapel seine schönsten Kräfte gegen sich selbst zu kehren
und seine landwirtschaftlichen Zustände nur zu verbessern, um bald wieder bequeme
Schlachtfelder für Franzosen und Oestreicher zu bereiten.

Und was hat Oestreich davon? Den Hochgenuß, sage" zu könne": unser Kaiser
hat doch recht behalten! Das Glück, jährlich ein paar Millionen mehr an Hee¬
resmacht zu vergeuden, um das vetterliche Einmischungsrecht in alle italienischen
Dinge wahren zu können! Die Ehre und den beneidenswerthen Ruhm, von
Rußlands Willen fort und fort abhängig zu bleiben, mehr und mehr in Ru߬
lands Vasallenschaft zu versinken, weil seine Dynastie ewig für Italien, Ungarn
und Galizien besorgt, überall die Hände gebunden hat. Wohlan, will die
östreichische Nation eine unfruchtbare, schmachvolle und ewig mit neuen Gefahren
drohende Vetterschafts-Oberhoheit ihrer Dynastie in Italien der innigsten Freund
schast und Verbrüderung mit dem freien Deutschland vorziehen, so stürze es sich
in sein unvermeidliches Verderben, Deutschlands Freiheit wird deshalb nicht un¬
tergehen, des übrigen einigen Deutschlands Macht bleibt stark genug, um sich
selbst zu behaupten, und allen kaiserlichen Gelüsten von Petersburg und des rus¬
sischen Vasallenthnms zu Wien trotzen zu können, ohne ans Frankreichs Hülfe
zu bauen!

Aber, nein, edle Oestreicher, handelt nicht also, reißt den künstlichen Flor
von euren Augen, enthebt euch einem alten Blendwerke. An der Hand Deutsch
lands könnt und werdet, ja müßt ihr im Osten zehnfach an wahrem Glanz und
Glück, an wirklicher Macht gewinnen, was ihr an Scheinglanz im Westen hin¬
geht. An der Donan hinab grünt euer Canaan, am Po und Mincio säet ihr
nur Drachenzähne, welche über kurz oder lang als lombardische Vespern aufgehen
werden. Nur mit Deutschland und im Geiste wahrer Freiheit könnt ihr groß
und geachtet bleiben; mit Rußland und im Geiste Rußlands handelnd .....- müßt
ihr unrettbar untergehen!

ttebrigens wähne sich Oestreich um des Himmels Willen nicht Sieger in
Italien, wenn vielleicht Radetzky wieder einigen Boden und einige Treffen ge-


Grcnzbottn. II. 28

kann anderes daraus werden, als eine verhäugnißreiche Wiederanknüpfung jener
unseligen diplomatische» Ränke zwischen Frankreich und Oestreich, jener jammer¬
vollen Eifersüchtelei auf den gegenseitigen Einfluß in Italien, jenes ewigen, alle
Kraft und Zuversicht raubenden Zustandes eines bewaffneten Friedens, worin
auch Deutschland unabwendbar verflochten wird? Was wird und muß hieraus
für Italien sich ergeben? Unabwendbar die alte Wortbrüchigkeit, Treulosigkeit,
Verrath, Reaction, Zerwürfniß, Lähmung, geheime Gesellschaften, neue Demo¬
ralisation eines kaum zu einigem Bewußtsein gelangten Volkes, und neues Re-
volutionsgebrüte. Italien, als ein großes einiges Glied in der europäischen
Staatenkette, ist unrettbar verloren, und abermals verdammt, unter Scheinsürsten
von Moden und Parma sein Leben zu verkümmern, in geheimer Eifersucht zwischen
Piemont, Lombardei und Neapel seine schönsten Kräfte gegen sich selbst zu kehren
und seine landwirtschaftlichen Zustände nur zu verbessern, um bald wieder bequeme
Schlachtfelder für Franzosen und Oestreicher zu bereiten.

Und was hat Oestreich davon? Den Hochgenuß, sage» zu könne«: unser Kaiser
hat doch recht behalten! Das Glück, jährlich ein paar Millionen mehr an Hee¬
resmacht zu vergeuden, um das vetterliche Einmischungsrecht in alle italienischen
Dinge wahren zu können! Die Ehre und den beneidenswerthen Ruhm, von
Rußlands Willen fort und fort abhängig zu bleiben, mehr und mehr in Ru߬
lands Vasallenschaft zu versinken, weil seine Dynastie ewig für Italien, Ungarn
und Galizien besorgt, überall die Hände gebunden hat. Wohlan, will die
östreichische Nation eine unfruchtbare, schmachvolle und ewig mit neuen Gefahren
drohende Vetterschafts-Oberhoheit ihrer Dynastie in Italien der innigsten Freund
schast und Verbrüderung mit dem freien Deutschland vorziehen, so stürze es sich
in sein unvermeidliches Verderben, Deutschlands Freiheit wird deshalb nicht un¬
tergehen, des übrigen einigen Deutschlands Macht bleibt stark genug, um sich
selbst zu behaupten, und allen kaiserlichen Gelüsten von Petersburg und des rus¬
sischen Vasallenthnms zu Wien trotzen zu können, ohne ans Frankreichs Hülfe
zu bauen!

Aber, nein, edle Oestreicher, handelt nicht also, reißt den künstlichen Flor
von euren Augen, enthebt euch einem alten Blendwerke. An der Hand Deutsch
lands könnt und werdet, ja müßt ihr im Osten zehnfach an wahrem Glanz und
Glück, an wirklicher Macht gewinnen, was ihr an Scheinglanz im Westen hin¬
geht. An der Donan hinab grünt euer Canaan, am Po und Mincio säet ihr
nur Drachenzähne, welche über kurz oder lang als lombardische Vespern aufgehen
werden. Nur mit Deutschland und im Geiste wahrer Freiheit könnt ihr groß
und geachtet bleiben; mit Rußland und im Geiste Rußlands handelnd .....- müßt
ihr unrettbar untergehen!

ttebrigens wähne sich Oestreich um des Himmels Willen nicht Sieger in
Italien, wenn vielleicht Radetzky wieder einigen Boden und einige Treffen ge-


Grcnzbottn. II. 28
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[0219] kann anderes daraus werden, als eine verhäugnißreiche Wiederanknüpfung jener unseligen diplomatische» Ränke zwischen Frankreich und Oestreich, jener jammer¬ vollen Eifersüchtelei auf den gegenseitigen Einfluß in Italien, jenes ewigen, alle Kraft und Zuversicht raubenden Zustandes eines bewaffneten Friedens, worin auch Deutschland unabwendbar verflochten wird? Was wird und muß hieraus für Italien sich ergeben? Unabwendbar die alte Wortbrüchigkeit, Treulosigkeit, Verrath, Reaction, Zerwürfniß, Lähmung, geheime Gesellschaften, neue Demo¬ ralisation eines kaum zu einigem Bewußtsein gelangten Volkes, und neues Re- volutionsgebrüte. Italien, als ein großes einiges Glied in der europäischen Staatenkette, ist unrettbar verloren, und abermals verdammt, unter Scheinsürsten von Moden und Parma sein Leben zu verkümmern, in geheimer Eifersucht zwischen Piemont, Lombardei und Neapel seine schönsten Kräfte gegen sich selbst zu kehren und seine landwirtschaftlichen Zustände nur zu verbessern, um bald wieder bequeme Schlachtfelder für Franzosen und Oestreicher zu bereiten. Und was hat Oestreich davon? Den Hochgenuß, sage» zu könne«: unser Kaiser hat doch recht behalten! Das Glück, jährlich ein paar Millionen mehr an Hee¬ resmacht zu vergeuden, um das vetterliche Einmischungsrecht in alle italienischen Dinge wahren zu können! Die Ehre und den beneidenswerthen Ruhm, von Rußlands Willen fort und fort abhängig zu bleiben, mehr und mehr in Ru߬ lands Vasallenschaft zu versinken, weil seine Dynastie ewig für Italien, Ungarn und Galizien besorgt, überall die Hände gebunden hat. Wohlan, will die östreichische Nation eine unfruchtbare, schmachvolle und ewig mit neuen Gefahren drohende Vetterschafts-Oberhoheit ihrer Dynastie in Italien der innigsten Freund schast und Verbrüderung mit dem freien Deutschland vorziehen, so stürze es sich in sein unvermeidliches Verderben, Deutschlands Freiheit wird deshalb nicht un¬ tergehen, des übrigen einigen Deutschlands Macht bleibt stark genug, um sich selbst zu behaupten, und allen kaiserlichen Gelüsten von Petersburg und des rus¬ sischen Vasallenthnms zu Wien trotzen zu können, ohne ans Frankreichs Hülfe zu bauen! Aber, nein, edle Oestreicher, handelt nicht also, reißt den künstlichen Flor von euren Augen, enthebt euch einem alten Blendwerke. An der Hand Deutsch lands könnt und werdet, ja müßt ihr im Osten zehnfach an wahrem Glanz und Glück, an wirklicher Macht gewinnen, was ihr an Scheinglanz im Westen hin¬ geht. An der Donan hinab grünt euer Canaan, am Po und Mincio säet ihr nur Drachenzähne, welche über kurz oder lang als lombardische Vespern aufgehen werden. Nur mit Deutschland und im Geiste wahrer Freiheit könnt ihr groß und geachtet bleiben; mit Rußland und im Geiste Rußlands handelnd .....- müßt ihr unrettbar untergehen! ttebrigens wähne sich Oestreich um des Himmels Willen nicht Sieger in Italien, wenn vielleicht Radetzky wieder einigen Boden und einige Treffen ge- Grcnzbottn. II. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/219>, abgerufen am 17.06.2024.