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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Gine deutsche Kriegsflotte.



Deutschland, an drei Meeren gelegen, mit seinen 40 Millionen Einwohnern
hat ein einziges, wahrhaftes Kriegsfcchrzeng, wenn man die wenigen, meistens mit
Italienern bemannten östreichischen Kriegsschiffe nicht mitzählen will, während
Holland, Dänemark, Sardinien, Neapel, die Türkei-- geschweige denn gar Eng¬
land, Frankreich und Rußland -- doch so viel Kriegsschiffe besitzen, um ihre Küsten
vor einem feindlichen Ueberfall zu schützen, ihrer Handelsflagge auch in fernen
Meeren Schutz gegen etwaige Unbill zu gewähre". Ein Land aber, das Seeküsten
besitzt und keine. Kriegsschiffe zum Schutz derselben hat, ist immer nur halb be¬
waffnet, jedem fremden Feind leicht zugänglich, hat es sonst auch Hunderttausende
von Bajonnetten, umgibt ein noch so furchtbarer Gürtel von Kanonen starrender
Festungen seine Binnengrenze; hat dies doch anch das schlaue, gewiß allen un¬
nützen militärischen Ausgaben sehr abholde Nordamerika hinlänglich erkannt, und
so sehr es sein Landheer auf die kleinste Stärke herabzusetzen sucht, so wenig spart
es an seiner Flotte und scheuet keine Ausgabe, um diese auf einem achtungsgebie-
tenden Stand zu erhalten, ja von Jahr zu Jahr noch zu vermehren. Machen wir
aber jetzt nicht an uns selbst die traurige Erfahrung, was es heißt, einen Krieg
zu beginnen, ohne eine Flotte zu besitzen? Das kleine Dänemark mit kaum N
Millionen Einwohnern ist dem großen Deutschland ein gefährlicher Feind, weil es
4 -- 6 mittelgroße Fregatten und 16 -- 18 kleinere Korvetten und Kriegsdampf-
schiffe in See zu bringen vermag. Nicht allein, daß es die Operationen seines
Heeres in Schleswig auf die wirksamste Weise dadurch zu unterstützen vermag,
nein, es lahmt jetzt auch den gesammten Seehandel von ganz Deutschland, hält
unsere langen Ost- und Nordseeküsten in beständiger Furcht eines Ueberfalles. Kein
deutsches Schiff mag jetzt den schützenden Hafen verlassen; wenn es sich zu zeigen
versucht, ist es eine leichte Bente der dänischen Kaper, und unsere Flaggen ins¬
gesammt mußten schon vor dem Danebrvgskreuze sich "eigen.

Jeder, der ein Herz für Deutschlands Ehre und Größe im Leibe hat, muß
vor Zorn über diese Demüthigung erröthen. Und dabei haben wir eine Handels¬
flotte, nächst der englischen die zahlreichste der Welt, die es an Zuverlässigkeit
und Tüchtigkeit mit jeder aufzunehmen vermag und an unseren Nord- und Ostsee-


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Gine deutsche Kriegsflotte.



Deutschland, an drei Meeren gelegen, mit seinen 40 Millionen Einwohnern
hat ein einziges, wahrhaftes Kriegsfcchrzeng, wenn man die wenigen, meistens mit
Italienern bemannten östreichischen Kriegsschiffe nicht mitzählen will, während
Holland, Dänemark, Sardinien, Neapel, die Türkei— geschweige denn gar Eng¬
land, Frankreich und Rußland — doch so viel Kriegsschiffe besitzen, um ihre Küsten
vor einem feindlichen Ueberfall zu schützen, ihrer Handelsflagge auch in fernen
Meeren Schutz gegen etwaige Unbill zu gewähre». Ein Land aber, das Seeküsten
besitzt und keine. Kriegsschiffe zum Schutz derselben hat, ist immer nur halb be¬
waffnet, jedem fremden Feind leicht zugänglich, hat es sonst auch Hunderttausende
von Bajonnetten, umgibt ein noch so furchtbarer Gürtel von Kanonen starrender
Festungen seine Binnengrenze; hat dies doch anch das schlaue, gewiß allen un¬
nützen militärischen Ausgaben sehr abholde Nordamerika hinlänglich erkannt, und
so sehr es sein Landheer auf die kleinste Stärke herabzusetzen sucht, so wenig spart
es an seiner Flotte und scheuet keine Ausgabe, um diese auf einem achtungsgebie-
tenden Stand zu erhalten, ja von Jahr zu Jahr noch zu vermehren. Machen wir
aber jetzt nicht an uns selbst die traurige Erfahrung, was es heißt, einen Krieg
zu beginnen, ohne eine Flotte zu besitzen? Das kleine Dänemark mit kaum N
Millionen Einwohnern ist dem großen Deutschland ein gefährlicher Feind, weil es
4 — 6 mittelgroße Fregatten und 16 — 18 kleinere Korvetten und Kriegsdampf-
schiffe in See zu bringen vermag. Nicht allein, daß es die Operationen seines
Heeres in Schleswig auf die wirksamste Weise dadurch zu unterstützen vermag,
nein, es lahmt jetzt auch den gesammten Seehandel von ganz Deutschland, hält
unsere langen Ost- und Nordseeküsten in beständiger Furcht eines Ueberfalles. Kein
deutsches Schiff mag jetzt den schützenden Hafen verlassen; wenn es sich zu zeigen
versucht, ist es eine leichte Bente der dänischen Kaper, und unsere Flaggen ins¬
gesammt mußten schon vor dem Danebrvgskreuze sich «eigen.

Jeder, der ein Herz für Deutschlands Ehre und Größe im Leibe hat, muß
vor Zorn über diese Demüthigung erröthen. Und dabei haben wir eine Handels¬
flotte, nächst der englischen die zahlreichste der Welt, die es an Zuverlässigkeit
und Tüchtigkeit mit jeder aufzunehmen vermag und an unseren Nord- und Ostsee-


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[0221] Gine deutsche Kriegsflotte. Deutschland, an drei Meeren gelegen, mit seinen 40 Millionen Einwohnern hat ein einziges, wahrhaftes Kriegsfcchrzeng, wenn man die wenigen, meistens mit Italienern bemannten östreichischen Kriegsschiffe nicht mitzählen will, während Holland, Dänemark, Sardinien, Neapel, die Türkei— geschweige denn gar Eng¬ land, Frankreich und Rußland — doch so viel Kriegsschiffe besitzen, um ihre Küsten vor einem feindlichen Ueberfall zu schützen, ihrer Handelsflagge auch in fernen Meeren Schutz gegen etwaige Unbill zu gewähre». Ein Land aber, das Seeküsten besitzt und keine. Kriegsschiffe zum Schutz derselben hat, ist immer nur halb be¬ waffnet, jedem fremden Feind leicht zugänglich, hat es sonst auch Hunderttausende von Bajonnetten, umgibt ein noch so furchtbarer Gürtel von Kanonen starrender Festungen seine Binnengrenze; hat dies doch anch das schlaue, gewiß allen un¬ nützen militärischen Ausgaben sehr abholde Nordamerika hinlänglich erkannt, und so sehr es sein Landheer auf die kleinste Stärke herabzusetzen sucht, so wenig spart es an seiner Flotte und scheuet keine Ausgabe, um diese auf einem achtungsgebie- tenden Stand zu erhalten, ja von Jahr zu Jahr noch zu vermehren. Machen wir aber jetzt nicht an uns selbst die traurige Erfahrung, was es heißt, einen Krieg zu beginnen, ohne eine Flotte zu besitzen? Das kleine Dänemark mit kaum N Millionen Einwohnern ist dem großen Deutschland ein gefährlicher Feind, weil es 4 — 6 mittelgroße Fregatten und 16 — 18 kleinere Korvetten und Kriegsdampf- schiffe in See zu bringen vermag. Nicht allein, daß es die Operationen seines Heeres in Schleswig auf die wirksamste Weise dadurch zu unterstützen vermag, nein, es lahmt jetzt auch den gesammten Seehandel von ganz Deutschland, hält unsere langen Ost- und Nordseeküsten in beständiger Furcht eines Ueberfalles. Kein deutsches Schiff mag jetzt den schützenden Hafen verlassen; wenn es sich zu zeigen versucht, ist es eine leichte Bente der dänischen Kaper, und unsere Flaggen ins¬ gesammt mußten schon vor dem Danebrvgskreuze sich «eigen. Jeder, der ein Herz für Deutschlands Ehre und Größe im Leibe hat, muß vor Zorn über diese Demüthigung erröthen. Und dabei haben wir eine Handels¬ flotte, nächst der englischen die zahlreichste der Welt, die es an Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit mit jeder aufzunehmen vermag und an unseren Nord- und Ostsee- 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/221>, abgerufen am 17.06.2024.