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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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funden, daß es einen römischen Kaiser gegeben , daß er in Frankfurt gekrönt sei;
sie haben ebenso von einem Reichstag und einem Reichskammergericht gehört. Aus
diese Grundregel hätten sie die gespannteste Aufmerksamkeit gerichtet.

"Aus einem treulich fortgesetzten Bemühen ist uns endlich eine Arbeit erwach¬
sen, die der besonnenen Pflege und einer zeitigenden Frühlingssonne gar sehr be¬
darf, wenn aus ihr etwas zum Heile des Vaterlandes erblühen soll. Dieses
Deutschland, welches die viel hundertjährigen Strafen seiner Entzweiung getragen
hat, muß seiue Volks - und Staatseinheit jetzt erreichen. Allein in jener Zer¬
stückelung, welche für unser Vaterland so traurige Früchte getragen hat, liegen
dennoch zugleich vielfältige Keime verborgen, welche unzertreten bleiben müssen,
wenn unsere Zukunft fröhlich gedeihen soll. Die Bedeutung unserer reichsfürst-
licheu Dynastien ist durch die Stürme weniger Wochen nicht entblättert. An un¬
sere Fürstenhäuser knüpft sich nicht blos die alte Gewohnheit des Gehorsams, welche
sich durchaus nicht beliebig anderswohin übertragen läßt, sondern die einzige Mög¬
lichkeit, dieses weitschichtige, vielgestaltige Deutschland allmälig in die Staatsein¬
heit einzuführen, die sich aus höheren Gründen nicht länger entbehren läßt. Ein¬
heit läßt sich ans deutschem Boden nnr durch eine unabsehliche Reihe von Freveln
erreichen und am Ziele würde das Gefühl völliger Verödung und Rathlosigkeit die
Gemüther überwältigen; denn es wäre ein plötzlicher, leichtsinniger Bruch mit un¬
serer ganzen Vergangenheit.

Es ist nnn gänzlich nothwendig, daß Deutschland ein Reich werde, dies ist
aber unmöglich, denn die deutschen Fürsten geben ihre Souveränität nicht auf.
Man könnte sie allerdings beschränken, theils durch ihre Landstände, theils durch
den vom deutschen Volk gewählten Reichstag; aber dadurch würde die Sou¬
veränität der Fürsten angetastet, die einzige Staatseinheit Deutschlands. Sie
sind bisher immer uneinig gewesen, und es läßt sich erwarten, daß diese Uneinig¬
keit unter den schwierigen Umständen der Gegenwart sich noch vergrößern werden.
Die Eigenthümlichkeit und Unabhängigkeit der meisten Staaten darf nicht verküm¬
mert werden, es ist die Ursache von Deutschlands Ohnmacht, und die Treue zu
den angestammten Fürstenhäusern, dieser edelste Zug des deutschen Wesens, die
so weit gegangen ist, überall Barrikaden aufzuwerfen und den Soldaten heißes
Wasser auf den Kopf zu gießen, wird sich nur befriedigen, wenn die Reichsstände
das unumschränkte Recht haben, über Deutschland zu beschließen, was sie wollen;
die Fürsten, diese Beschlüsse zu realisiren oder nicht; die Landstände, sich an diese
Ratification zu kehren oder nicht. Die Souveränität der Fürsten wird ans diese
Weise verdoppelt; den Reichsständen und den Landständen gegenüber. Eben so
sind beide Classen von Ständen souverän. Je größer die Fülle der Souveränität
ist, desto freier der Staat. Darum müssen wir zu dieser vielfachen Souveränität
noch eine höchste Souveränität hinzufügen, die wie der Geist Gottes verklärend
über den Wassern des deutschen Staatswesens schwebt, den Erbkaiser, der eben so


funden, daß es einen römischen Kaiser gegeben , daß er in Frankfurt gekrönt sei;
sie haben ebenso von einem Reichstag und einem Reichskammergericht gehört. Aus
diese Grundregel hätten sie die gespannteste Aufmerksamkeit gerichtet.

„Aus einem treulich fortgesetzten Bemühen ist uns endlich eine Arbeit erwach¬
sen, die der besonnenen Pflege und einer zeitigenden Frühlingssonne gar sehr be¬
darf, wenn aus ihr etwas zum Heile des Vaterlandes erblühen soll. Dieses
Deutschland, welches die viel hundertjährigen Strafen seiner Entzweiung getragen
hat, muß seiue Volks - und Staatseinheit jetzt erreichen. Allein in jener Zer¬
stückelung, welche für unser Vaterland so traurige Früchte getragen hat, liegen
dennoch zugleich vielfältige Keime verborgen, welche unzertreten bleiben müssen,
wenn unsere Zukunft fröhlich gedeihen soll. Die Bedeutung unserer reichsfürst-
licheu Dynastien ist durch die Stürme weniger Wochen nicht entblättert. An un¬
sere Fürstenhäuser knüpft sich nicht blos die alte Gewohnheit des Gehorsams, welche
sich durchaus nicht beliebig anderswohin übertragen läßt, sondern die einzige Mög¬
lichkeit, dieses weitschichtige, vielgestaltige Deutschland allmälig in die Staatsein¬
heit einzuführen, die sich aus höheren Gründen nicht länger entbehren läßt. Ein¬
heit läßt sich ans deutschem Boden nnr durch eine unabsehliche Reihe von Freveln
erreichen und am Ziele würde das Gefühl völliger Verödung und Rathlosigkeit die
Gemüther überwältigen; denn es wäre ein plötzlicher, leichtsinniger Bruch mit un¬
serer ganzen Vergangenheit.

Es ist nnn gänzlich nothwendig, daß Deutschland ein Reich werde, dies ist
aber unmöglich, denn die deutschen Fürsten geben ihre Souveränität nicht auf.
Man könnte sie allerdings beschränken, theils durch ihre Landstände, theils durch
den vom deutschen Volk gewählten Reichstag; aber dadurch würde die Sou¬
veränität der Fürsten angetastet, die einzige Staatseinheit Deutschlands. Sie
sind bisher immer uneinig gewesen, und es läßt sich erwarten, daß diese Uneinig¬
keit unter den schwierigen Umständen der Gegenwart sich noch vergrößern werden.
Die Eigenthümlichkeit und Unabhängigkeit der meisten Staaten darf nicht verküm¬
mert werden, es ist die Ursache von Deutschlands Ohnmacht, und die Treue zu
den angestammten Fürstenhäusern, dieser edelste Zug des deutschen Wesens, die
so weit gegangen ist, überall Barrikaden aufzuwerfen und den Soldaten heißes
Wasser auf den Kopf zu gießen, wird sich nur befriedigen, wenn die Reichsstände
das unumschränkte Recht haben, über Deutschland zu beschließen, was sie wollen;
die Fürsten, diese Beschlüsse zu realisiren oder nicht; die Landstände, sich an diese
Ratification zu kehren oder nicht. Die Souveränität der Fürsten wird ans diese
Weise verdoppelt; den Reichsständen und den Landständen gegenüber. Eben so
sind beide Classen von Ständen souverän. Je größer die Fülle der Souveränität
ist, desto freier der Staat. Darum müssen wir zu dieser vielfachen Souveränität
noch eine höchste Souveränität hinzufügen, die wie der Geist Gottes verklärend
über den Wassern des deutschen Staatswesens schwebt, den Erbkaiser, der eben so


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/230>, abgerufen am 17.06.2024.