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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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geneigt ist, den Unabhängigkeitssinn der dentschen Fürsten als den demokratischen
Geist des deutschen Volks zu choaniren." --

Barbarossa hörte aufmerksam zu, aber die Verwirrung in seinen Zügen mehrte
sich mit jedem Worte. Endlich sagte er: warum erzählen Sie mir das alles,
meine Herren?

Der Professor machte eine Pause. -- Es kommt bei dem Kaiser alles darauf
an, daß er so legitim und so romantisch als möglich ist. Was das erste betrifft,
so wird an der Legitimität der Hohenstaufen Niemand zweifeln. -- Was ist das,
Legitimität? fragte der Kaiser. -- Ein Begriff, der sich mehr fühlen als beschrei¬
ben läßt, der aber jedenfalls sehr in's Ideale spielt. Es hatte sich seit dem Tod
des guten Kaiser Konrad eine geheime Gesellschaft gebildet, die Kronenwächter,
welche den doppelten Zweck hatten, für die Propagation jenes erlauchten Hauses,
freilich durch Vermischung mit bürgerlichen Blut, in Prosa wie in Versen zu
sorgen -- Hofratl) Raupach und andere gehörten in unserer Zeit zu diesem Orden;
theils die Krone der Hohenstaufen in einem gläsernen Schlosse auf einem hohen
Berge in Tyrol aufzubewahren. Herr v. Arnim, königl. preuß. Edelmann und
Gemahl der Bettine, hat die Geschichte dieses Ordens geschrieben, und wir selber
haben die Ehre, Mitglieder desselben zu sein. Zur Ehrenwartschaft wurde in der
Regel ein Hoftath genommen. Vor einigen Jahren hat der Ordensbruder Victor
Hugo durch ein sehr grausliches Stück, Iss burxravvs, die Aufmerksamkeit wieder
auf Ew. Majestät gelenkt; er hat nachgewiesen, daß Sie nicht im Kalykadnus
ertrunken seien. Anfangs hatten wir zwar, wir müssen es gestehen, die Augen
auf einen andern Herrn geworfen; romantisch genug ist er, aber theils leidet sein
Hans an zu rationalistischen Antecedentien, theils hat er selber zu viel Realität,
er wird fett. Wir brauchen einen Kaiser, der nnr Ideal ist, denn der Commu-
nismus greift fürchterlich um sich. Der Thron des römischen Reiches ist wieder
aufgerichtet, möge Ew. Majestät geruhen, ihn zu besteigen. Die sieben Erzämter
sollen demnach folgen.

Es entstand eine Pause; der Kaiser versank in Nachdenken. Man glaubte,
er sei eingeschlafen, aber plötzlich erhob er das stattliche Haupt, fixirte scharf die
17 Hofräthe und sagte langsam: Meine Herren! Was Sie mir gesagt haben,
verstehe ich nicht ganz. So viel scheint mir klar zu sein, daß Sie mir den Thron
meiner Väter wiedergeben wollen; Sie scheinen selbst geneigt, die Erblichkeit, dieses
unausgesetzte Streben meines Hauses, mir von freien Stücken einzuräumen. Ich
spreche Ihnen meinen tiefgefühlten Dank aus. Aber haben Sie wohl überlegt,
meine Herren, daß meine Existenz nur eine Fabel ist? daß diese ganze Kyffhäuser-
geschichte nirgend anders besteht, als in der Phantasie!

Die Professoren fuhren zurück. - - Ist es möglich, daß die destructive Phi¬
losophie auch in die Schattenwelt eingedrungen ist? auch die Legitimität gibt sich
dazu her, diese herz- und gemüthlose Theorie jener trocknen Menschen, im Angesicht


geneigt ist, den Unabhängigkeitssinn der dentschen Fürsten als den demokratischen
Geist des deutschen Volks zu choaniren." —

Barbarossa hörte aufmerksam zu, aber die Verwirrung in seinen Zügen mehrte
sich mit jedem Worte. Endlich sagte er: warum erzählen Sie mir das alles,
meine Herren?

Der Professor machte eine Pause. — Es kommt bei dem Kaiser alles darauf
an, daß er so legitim und so romantisch als möglich ist. Was das erste betrifft,
so wird an der Legitimität der Hohenstaufen Niemand zweifeln. — Was ist das,
Legitimität? fragte der Kaiser. — Ein Begriff, der sich mehr fühlen als beschrei¬
ben läßt, der aber jedenfalls sehr in's Ideale spielt. Es hatte sich seit dem Tod
des guten Kaiser Konrad eine geheime Gesellschaft gebildet, die Kronenwächter,
welche den doppelten Zweck hatten, für die Propagation jenes erlauchten Hauses,
freilich durch Vermischung mit bürgerlichen Blut, in Prosa wie in Versen zu
sorgen — Hofratl) Raupach und andere gehörten in unserer Zeit zu diesem Orden;
theils die Krone der Hohenstaufen in einem gläsernen Schlosse auf einem hohen
Berge in Tyrol aufzubewahren. Herr v. Arnim, königl. preuß. Edelmann und
Gemahl der Bettine, hat die Geschichte dieses Ordens geschrieben, und wir selber
haben die Ehre, Mitglieder desselben zu sein. Zur Ehrenwartschaft wurde in der
Regel ein Hoftath genommen. Vor einigen Jahren hat der Ordensbruder Victor
Hugo durch ein sehr grausliches Stück, Iss burxravvs, die Aufmerksamkeit wieder
auf Ew. Majestät gelenkt; er hat nachgewiesen, daß Sie nicht im Kalykadnus
ertrunken seien. Anfangs hatten wir zwar, wir müssen es gestehen, die Augen
auf einen andern Herrn geworfen; romantisch genug ist er, aber theils leidet sein
Hans an zu rationalistischen Antecedentien, theils hat er selber zu viel Realität,
er wird fett. Wir brauchen einen Kaiser, der nnr Ideal ist, denn der Commu-
nismus greift fürchterlich um sich. Der Thron des römischen Reiches ist wieder
aufgerichtet, möge Ew. Majestät geruhen, ihn zu besteigen. Die sieben Erzämter
sollen demnach folgen.

Es entstand eine Pause; der Kaiser versank in Nachdenken. Man glaubte,
er sei eingeschlafen, aber plötzlich erhob er das stattliche Haupt, fixirte scharf die
17 Hofräthe und sagte langsam: Meine Herren! Was Sie mir gesagt haben,
verstehe ich nicht ganz. So viel scheint mir klar zu sein, daß Sie mir den Thron
meiner Väter wiedergeben wollen; Sie scheinen selbst geneigt, die Erblichkeit, dieses
unausgesetzte Streben meines Hauses, mir von freien Stücken einzuräumen. Ich
spreche Ihnen meinen tiefgefühlten Dank aus. Aber haben Sie wohl überlegt,
meine Herren, daß meine Existenz nur eine Fabel ist? daß diese ganze Kyffhäuser-
geschichte nirgend anders besteht, als in der Phantasie!

Die Professoren fuhren zurück. - - Ist es möglich, daß die destructive Phi¬
losophie auch in die Schattenwelt eingedrungen ist? auch die Legitimität gibt sich
dazu her, diese herz- und gemüthlose Theorie jener trocknen Menschen, im Angesicht


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[0231] geneigt ist, den Unabhängigkeitssinn der dentschen Fürsten als den demokratischen Geist des deutschen Volks zu choaniren." — Barbarossa hörte aufmerksam zu, aber die Verwirrung in seinen Zügen mehrte sich mit jedem Worte. Endlich sagte er: warum erzählen Sie mir das alles, meine Herren? Der Professor machte eine Pause. — Es kommt bei dem Kaiser alles darauf an, daß er so legitim und so romantisch als möglich ist. Was das erste betrifft, so wird an der Legitimität der Hohenstaufen Niemand zweifeln. — Was ist das, Legitimität? fragte der Kaiser. — Ein Begriff, der sich mehr fühlen als beschrei¬ ben läßt, der aber jedenfalls sehr in's Ideale spielt. Es hatte sich seit dem Tod des guten Kaiser Konrad eine geheime Gesellschaft gebildet, die Kronenwächter, welche den doppelten Zweck hatten, für die Propagation jenes erlauchten Hauses, freilich durch Vermischung mit bürgerlichen Blut, in Prosa wie in Versen zu sorgen — Hofratl) Raupach und andere gehörten in unserer Zeit zu diesem Orden; theils die Krone der Hohenstaufen in einem gläsernen Schlosse auf einem hohen Berge in Tyrol aufzubewahren. Herr v. Arnim, königl. preuß. Edelmann und Gemahl der Bettine, hat die Geschichte dieses Ordens geschrieben, und wir selber haben die Ehre, Mitglieder desselben zu sein. Zur Ehrenwartschaft wurde in der Regel ein Hoftath genommen. Vor einigen Jahren hat der Ordensbruder Victor Hugo durch ein sehr grausliches Stück, Iss burxravvs, die Aufmerksamkeit wieder auf Ew. Majestät gelenkt; er hat nachgewiesen, daß Sie nicht im Kalykadnus ertrunken seien. Anfangs hatten wir zwar, wir müssen es gestehen, die Augen auf einen andern Herrn geworfen; romantisch genug ist er, aber theils leidet sein Hans an zu rationalistischen Antecedentien, theils hat er selber zu viel Realität, er wird fett. Wir brauchen einen Kaiser, der nnr Ideal ist, denn der Commu- nismus greift fürchterlich um sich. Der Thron des römischen Reiches ist wieder aufgerichtet, möge Ew. Majestät geruhen, ihn zu besteigen. Die sieben Erzämter sollen demnach folgen. Es entstand eine Pause; der Kaiser versank in Nachdenken. Man glaubte, er sei eingeschlafen, aber plötzlich erhob er das stattliche Haupt, fixirte scharf die 17 Hofräthe und sagte langsam: Meine Herren! Was Sie mir gesagt haben, verstehe ich nicht ganz. So viel scheint mir klar zu sein, daß Sie mir den Thron meiner Väter wiedergeben wollen; Sie scheinen selbst geneigt, die Erblichkeit, dieses unausgesetzte Streben meines Hauses, mir von freien Stücken einzuräumen. Ich spreche Ihnen meinen tiefgefühlten Dank aus. Aber haben Sie wohl überlegt, meine Herren, daß meine Existenz nur eine Fabel ist? daß diese ganze Kyffhäuser- geschichte nirgend anders besteht, als in der Phantasie! Die Professoren fuhren zurück. - - Ist es möglich, daß die destructive Phi¬ losophie auch in die Schattenwelt eingedrungen ist? auch die Legitimität gibt sich dazu her, diese herz- und gemüthlose Theorie jener trocknen Menschen, im Angesicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/231>, abgerufen am 17.06.2024.