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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Zur dänischen Frage.



Emtisiik der deutschdSnisihcn Shinvathien in Schleswig-Holstein. -- GlaudcnSbckcnnlnii! eines HnderSlebener
Kleinbürger". -- Die Friedeniuntc> Handlungen und die englische Presse. -- Dtinischc KriegSpolitil. --
Schwedische Zusagen und welche" Grund sie haben. -- Russische Drohungen. -- Zwei FricdenSfällc. _
Abgrenzungslinie in Schleswig. -- Neue Hansa!

Während im Frankfurter Reichstag die Ultras der beide" Seiten sich darum
erhitzen, ob die Nationalität oder die Freiheit das erste Gut, das höchste zu wah¬
rende Interesse eines Volkes sei, ist dieser L"""" l>c-Ul längst ans dem Gebiete
der Wirklichkeit entschieden worden. Die Völker verlangen vor Allem Sicherung
und Wiederherstellung ihrer Nationalität und dann, auf diese feste Grundlage er¬
hoben, freie, demokratische Institutionen. Die Herzogthümer Schleswig-Holstein
haben den Beweis geliefert. Dort will das Volk gern den König-Herzog beibe¬
halten, gern die alten Lasten anch noch ferner tragen, es will nur deutsch, nur
einig und unzerrissen bleiben, will das heilige Recht seines Volksthums gewahrt
wissen. Freilich ist nicht das ganze Volk dieses Sinnes, ein großer Theil will
lieber dänisch sein als deutsch, aber die Majorität, nicht nur der Kopfzahl, son¬
dern der Geister, die Majorität der Bildung ist in Schleswig-Holstein entschieden
deutsch. Holstein zumal hegt nur eine kleine dänische Partei in seinen Handels¬
städten, unter seiner Bourgeoisie; in Schleswig kann man annehmen, daß zwei
Drittheile der Bevölkerung deutsch sind, ein Drittheil dänisch ist. Es ist dabei
nicht außer Augen zu lassen, daß der Norden und Nordwesten des letzteren Lan¬
des, also die Aemter Lügumkloster und Hadersleben fast ganz, Apenrade und
Flensburg mindestens zu drei Viertheilen, ans Seite des Dänenthums stehen.
Nichtsdestoweniger ist auch in diesen Landestheilen das Gefühl der Nationalität
nicht untergegangen, sondern es macht sich allenthalben in der Weise geltend, daß
es eine Grenzlinie zwischen politischer Gesinnung und vaterländischen Anrecht zu
ziehen sucht. Dies ist mir besonders in der Stadt Hadersleben sehr deutlich ge¬
worden. Dort ist die intelligente Minderzahl deutsch, die Mehrzahl der Schiffer,
Handelsleute und kleinen Bürger ganz dänisch gesinnt. Einen aus der Zahl der
Letzteren, einen Insassen der bei allen Deutschen verrufenen Schlachterstraße, lernte
ich näher kennen. Der gute Mann legte mir sein politisches Glaubensbekenntniß
folgendermaßen ab: "Wir sprechen dänisch, wenn wir gleich deutsch verstehen, sind


Zur dänischen Frage.



Emtisiik der deutschdSnisihcn Shinvathien in Schleswig-Holstein. — GlaudcnSbckcnnlnii! eines HnderSlebener
Kleinbürger». — Die Friedeniuntc> Handlungen und die englische Presse. — Dtinischc KriegSpolitil. —
Schwedische Zusagen und welche» Grund sie haben. — Russische Drohungen. — Zwei FricdenSfällc. _
Abgrenzungslinie in Schleswig. — Neue Hansa!

Während im Frankfurter Reichstag die Ultras der beide» Seiten sich darum
erhitzen, ob die Nationalität oder die Freiheit das erste Gut, das höchste zu wah¬
rende Interesse eines Volkes sei, ist dieser L»«»« l>c-Ul längst ans dem Gebiete
der Wirklichkeit entschieden worden. Die Völker verlangen vor Allem Sicherung
und Wiederherstellung ihrer Nationalität und dann, auf diese feste Grundlage er¬
hoben, freie, demokratische Institutionen. Die Herzogthümer Schleswig-Holstein
haben den Beweis geliefert. Dort will das Volk gern den König-Herzog beibe¬
halten, gern die alten Lasten anch noch ferner tragen, es will nur deutsch, nur
einig und unzerrissen bleiben, will das heilige Recht seines Volksthums gewahrt
wissen. Freilich ist nicht das ganze Volk dieses Sinnes, ein großer Theil will
lieber dänisch sein als deutsch, aber die Majorität, nicht nur der Kopfzahl, son¬
dern der Geister, die Majorität der Bildung ist in Schleswig-Holstein entschieden
deutsch. Holstein zumal hegt nur eine kleine dänische Partei in seinen Handels¬
städten, unter seiner Bourgeoisie; in Schleswig kann man annehmen, daß zwei
Drittheile der Bevölkerung deutsch sind, ein Drittheil dänisch ist. Es ist dabei
nicht außer Augen zu lassen, daß der Norden und Nordwesten des letzteren Lan¬
des, also die Aemter Lügumkloster und Hadersleben fast ganz, Apenrade und
Flensburg mindestens zu drei Viertheilen, ans Seite des Dänenthums stehen.
Nichtsdestoweniger ist auch in diesen Landestheilen das Gefühl der Nationalität
nicht untergegangen, sondern es macht sich allenthalben in der Weise geltend, daß
es eine Grenzlinie zwischen politischer Gesinnung und vaterländischen Anrecht zu
ziehen sucht. Dies ist mir besonders in der Stadt Hadersleben sehr deutlich ge¬
worden. Dort ist die intelligente Minderzahl deutsch, die Mehrzahl der Schiffer,
Handelsleute und kleinen Bürger ganz dänisch gesinnt. Einen aus der Zahl der
Letzteren, einen Insassen der bei allen Deutschen verrufenen Schlachterstraße, lernte
ich näher kennen. Der gute Mann legte mir sein politisches Glaubensbekenntniß
folgendermaßen ab: „Wir sprechen dänisch, wenn wir gleich deutsch verstehen, sind


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[0506] Zur dänischen Frage. Emtisiik der deutschdSnisihcn Shinvathien in Schleswig-Holstein. — GlaudcnSbckcnnlnii! eines HnderSlebener Kleinbürger». — Die Friedeniuntc> Handlungen und die englische Presse. — Dtinischc KriegSpolitil. — Schwedische Zusagen und welche» Grund sie haben. — Russische Drohungen. — Zwei FricdenSfällc. _ Abgrenzungslinie in Schleswig. — Neue Hansa! Während im Frankfurter Reichstag die Ultras der beide» Seiten sich darum erhitzen, ob die Nationalität oder die Freiheit das erste Gut, das höchste zu wah¬ rende Interesse eines Volkes sei, ist dieser L»«»« l>c-Ul längst ans dem Gebiete der Wirklichkeit entschieden worden. Die Völker verlangen vor Allem Sicherung und Wiederherstellung ihrer Nationalität und dann, auf diese feste Grundlage er¬ hoben, freie, demokratische Institutionen. Die Herzogthümer Schleswig-Holstein haben den Beweis geliefert. Dort will das Volk gern den König-Herzog beibe¬ halten, gern die alten Lasten anch noch ferner tragen, es will nur deutsch, nur einig und unzerrissen bleiben, will das heilige Recht seines Volksthums gewahrt wissen. Freilich ist nicht das ganze Volk dieses Sinnes, ein großer Theil will lieber dänisch sein als deutsch, aber die Majorität, nicht nur der Kopfzahl, son¬ dern der Geister, die Majorität der Bildung ist in Schleswig-Holstein entschieden deutsch. Holstein zumal hegt nur eine kleine dänische Partei in seinen Handels¬ städten, unter seiner Bourgeoisie; in Schleswig kann man annehmen, daß zwei Drittheile der Bevölkerung deutsch sind, ein Drittheil dänisch ist. Es ist dabei nicht außer Augen zu lassen, daß der Norden und Nordwesten des letzteren Lan¬ des, also die Aemter Lügumkloster und Hadersleben fast ganz, Apenrade und Flensburg mindestens zu drei Viertheilen, ans Seite des Dänenthums stehen. Nichtsdestoweniger ist auch in diesen Landestheilen das Gefühl der Nationalität nicht untergegangen, sondern es macht sich allenthalben in der Weise geltend, daß es eine Grenzlinie zwischen politischer Gesinnung und vaterländischen Anrecht zu ziehen sucht. Dies ist mir besonders in der Stadt Hadersleben sehr deutlich ge¬ worden. Dort ist die intelligente Minderzahl deutsch, die Mehrzahl der Schiffer, Handelsleute und kleinen Bürger ganz dänisch gesinnt. Einen aus der Zahl der Letzteren, einen Insassen der bei allen Deutschen verrufenen Schlachterstraße, lernte ich näher kennen. Der gute Mann legte mir sein politisches Glaubensbekenntniß folgendermaßen ab: „Wir sprechen dänisch, wenn wir gleich deutsch verstehen, sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/506>, abgerufen am 17.06.2024.