Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Strapazen empfand. Allein, wie wir hiev einmarschirten, da lebte der frohe Muih
wieder auf, als wir sahen, wie die guten Schleswiger trotz dem, daß Mitternacht
schon vorbei war, uns noch erwarteten, Lichter an die Fenster setzten, wie wir
vorbei marschirten, und in den Quartieren uns mit Liebe und Sorgfalt verpfleg
ten. Wo wir heute hinkomme^ in dieser schönen Stadt, empfangen sie uns mit
Jubel, und eine leichte Furcht steigt dabei oft in mir auf, daß wir ihnen das
nicht sein werden, was sie von uns erwarten. Schleswig hat von jeher am ent¬
schiedensten vor allen scklcswigschen Städten seine Sympathien für die deutsche
Sache ausgesprochen, und zeigt auch jetzt, daß es für diese große Opfer bringen
kann. Schon steht ein Corps von Schleswigern dem Feinde gegenüber.

Seit gestern sind wir hier in der größten und reichsten Stadt der Herzog-
thümer. Die Dänen sollen diesseits Apenrade wenig Meilen on>' hier stehen,
dänische Kriegsschiffe lassen sich schon in der schönen Flensburger Bucht sehen.
Gleich nach unserm Einmarsch hier trat uus das Unangenehme dieses Krieges ent¬
gegen, da die Commandeure Befehl hatten, uns zu sagen, wie wenig man sich
auf die Flensburger verlassen könne, wie schon mehrere Fälle von heimlich verdorben
nen Waffen vorgekommen seien, und daher jeder seine Büchse stets mit sich zu
führen und nicht im Quartier stehen zu lassen habe. Flensburgs Stellung in die¬
sem Kriege ist eine sehr eigenthümliche. Von jeher eine deutsche Stadt mit deut¬
scher Sprache, Recht und Sitte hat doch ihre materielle Wohlfahrt durch den Han¬
del mit den dänischen Kolonien, die Versorgung Jütlands von hier ans und der
Schutz der großen Schiffahrt und Rhederei dnrch die dänische Flagge ganz ver¬
schieden von dem übrigen Lande sehr gewonnen, und eben diese ist es, welche
jetzt anch ein Hinneigen zu der dänischen Seite veranlaßt hat. Vor allem sind es
daher der Kanfmannstand, namentlich die großen Häuser, und dann die Schiffer,
die entschieden dänisch gesinnt, es seither dahin brachten, daß die Abgeordneten
der Stadt ans den Landtagen dem deutschen Interesse so entschieden entgegen tra¬
ten, während die sogenannten Gelehrten, wie überall in deu Herzogtümern, mit
alleiniger Ausnahme einiger Beamten, durchaus deutsch sind und der Handwerker¬
stand sich neutral hält. Die beiden Parteien der Deutschen und Dänen stehen
steh nördlich von Flensburg überall schroff entgegen, stehen wie anch hier schon
^ Jahren in gar keinem geselligen Verkehr, und diese Spaltung zerschneidet hält-
^ sogar Familienverhältnisse. Das ist überhaupt das Traurige dieses Krieges,
^ er namentlich den nördlichen Schleswig manche enge Bande zerschneidet. Die
Jahrhundert lange Verbindung mit Dänemark, während deren das Nntionalgcfnhl
ganz erstorben war und sich Deutsche und Dänen nur als Angehörige eines Reichs
fühlten, so die Anstellung der Dänen in den Herzogthümern und in der deut¬
schen Armee haben Veranlassung zur Knüpfung mancher Verwandtschaften zwischen
*


14

Strapazen empfand. Allein, wie wir hiev einmarschirten, da lebte der frohe Muih
wieder auf, als wir sahen, wie die guten Schleswiger trotz dem, daß Mitternacht
schon vorbei war, uns noch erwarteten, Lichter an die Fenster setzten, wie wir
vorbei marschirten, und in den Quartieren uns mit Liebe und Sorgfalt verpfleg
ten. Wo wir heute hinkomme^ in dieser schönen Stadt, empfangen sie uns mit
Jubel, und eine leichte Furcht steigt dabei oft in mir auf, daß wir ihnen das
nicht sein werden, was sie von uns erwarten. Schleswig hat von jeher am ent¬
schiedensten vor allen scklcswigschen Städten seine Sympathien für die deutsche
Sache ausgesprochen, und zeigt auch jetzt, daß es für diese große Opfer bringen
kann. Schon steht ein Corps von Schleswigern dem Feinde gegenüber.

Seit gestern sind wir hier in der größten und reichsten Stadt der Herzog-
thümer. Die Dänen sollen diesseits Apenrade wenig Meilen on>' hier stehen,
dänische Kriegsschiffe lassen sich schon in der schönen Flensburger Bucht sehen.
Gleich nach unserm Einmarsch hier trat uus das Unangenehme dieses Krieges ent¬
gegen, da die Commandeure Befehl hatten, uns zu sagen, wie wenig man sich
auf die Flensburger verlassen könne, wie schon mehrere Fälle von heimlich verdorben
nen Waffen vorgekommen seien, und daher jeder seine Büchse stets mit sich zu
führen und nicht im Quartier stehen zu lassen habe. Flensburgs Stellung in die¬
sem Kriege ist eine sehr eigenthümliche. Von jeher eine deutsche Stadt mit deut¬
scher Sprache, Recht und Sitte hat doch ihre materielle Wohlfahrt durch den Han¬
del mit den dänischen Kolonien, die Versorgung Jütlands von hier ans und der
Schutz der großen Schiffahrt und Rhederei dnrch die dänische Flagge ganz ver¬
schieden von dem übrigen Lande sehr gewonnen, und eben diese ist es, welche
jetzt anch ein Hinneigen zu der dänischen Seite veranlaßt hat. Vor allem sind es
daher der Kanfmannstand, namentlich die großen Häuser, und dann die Schiffer,
die entschieden dänisch gesinnt, es seither dahin brachten, daß die Abgeordneten
der Stadt ans den Landtagen dem deutschen Interesse so entschieden entgegen tra¬
ten, während die sogenannten Gelehrten, wie überall in deu Herzogtümern, mit
alleiniger Ausnahme einiger Beamten, durchaus deutsch sind und der Handwerker¬
stand sich neutral hält. Die beiden Parteien der Deutschen und Dänen stehen
steh nördlich von Flensburg überall schroff entgegen, stehen wie anch hier schon
^ Jahren in gar keinem geselligen Verkehr, und diese Spaltung zerschneidet hält-
^ sogar Familienverhältnisse. Das ist überhaupt das Traurige dieses Krieges,
^ er namentlich den nördlichen Schleswig manche enge Bande zerschneidet. Die
Jahrhundert lange Verbindung mit Dänemark, während deren das Nntionalgcfnhl
ganz erstorben war und sich Deutsche und Dänen nur als Angehörige eines Reichs
fühlten, so die Anstellung der Dänen in den Herzogthümern und in der deut¬
schen Armee haben Veranlassung zur Knüpfung mancher Verwandtschaften zwischen
*


14
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277541"/>
          <p xml:id="ID_352" prev="#ID_351"> Strapazen empfand. Allein, wie wir hiev einmarschirten, da lebte der frohe Muih<lb/>
wieder auf, als wir sahen, wie die guten Schleswiger trotz dem, daß Mitternacht<lb/>
schon vorbei war, uns noch erwarteten, Lichter an die Fenster setzten, wie wir<lb/>
vorbei marschirten, und in den Quartieren uns mit Liebe und Sorgfalt verpfleg<lb/>
ten. Wo wir heute hinkomme^ in dieser schönen Stadt, empfangen sie uns mit<lb/>
Jubel, und eine leichte Furcht steigt dabei oft in mir auf, daß wir ihnen das<lb/>
nicht sein werden, was sie von uns erwarten. Schleswig hat von jeher am ent¬<lb/>
schiedensten vor allen scklcswigschen Städten seine Sympathien für die deutsche<lb/>
Sache ausgesprochen, und zeigt auch jetzt, daß es für diese große Opfer bringen<lb/>
kann. Schon steht ein Corps von Schleswigern dem Feinde gegenüber.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_353" next="#ID_354"> Seit gestern sind wir hier in der größten und reichsten Stadt der Herzog-<lb/>
thümer. Die Dänen sollen diesseits Apenrade wenig Meilen on&gt;' hier stehen,<lb/>
dänische Kriegsschiffe lassen sich schon in der schönen Flensburger Bucht sehen.<lb/>
Gleich nach unserm Einmarsch hier trat uus das Unangenehme dieses Krieges ent¬<lb/>
gegen, da die Commandeure Befehl hatten, uns zu sagen, wie wenig man sich<lb/>
auf die Flensburger verlassen könne, wie schon mehrere Fälle von heimlich verdorben<lb/>
nen Waffen vorgekommen seien, und daher jeder seine Büchse stets mit sich zu<lb/>
führen und nicht im Quartier stehen zu lassen habe. Flensburgs Stellung in die¬<lb/>
sem Kriege ist eine sehr eigenthümliche. Von jeher eine deutsche Stadt mit deut¬<lb/>
scher Sprache, Recht und Sitte hat doch ihre materielle Wohlfahrt durch den Han¬<lb/>
del mit den dänischen Kolonien, die Versorgung Jütlands von hier ans und der<lb/>
Schutz der großen Schiffahrt und Rhederei dnrch die dänische Flagge ganz ver¬<lb/>
schieden von dem übrigen Lande sehr gewonnen, und eben diese ist es, welche<lb/>
jetzt anch ein Hinneigen zu der dänischen Seite veranlaßt hat.  Vor allem sind es<lb/>
daher der Kanfmannstand, namentlich die großen Häuser, und dann die Schiffer,<lb/>
die entschieden dänisch gesinnt, es seither dahin brachten, daß die Abgeordneten<lb/>
der Stadt ans den Landtagen dem deutschen Interesse so entschieden entgegen tra¬<lb/>
ten, während die sogenannten Gelehrten, wie überall in deu Herzogtümern, mit<lb/>
alleiniger Ausnahme einiger Beamten, durchaus deutsch sind und der Handwerker¬<lb/>
stand sich neutral hält. Die beiden Parteien der Deutschen und Dänen stehen<lb/>
steh nördlich von Flensburg überall schroff entgegen, stehen wie anch hier schon<lb/>
^ Jahren in gar keinem geselligen Verkehr, und diese Spaltung zerschneidet hält-<lb/>
^ sogar Familienverhältnisse. Das ist überhaupt das Traurige dieses Krieges,<lb/>
^ er namentlich den nördlichen Schleswig manche enge Bande zerschneidet. Die<lb/>
Jahrhundert lange Verbindung mit Dänemark, während deren das Nntionalgcfnhl<lb/>
ganz erstorben war und sich Deutsche und Dänen nur als Angehörige eines Reichs<lb/>
fühlten, so   die Anstellung der Dänen in den Herzogthümern und in der deut¬<lb/>
schen Armee haben Veranlassung zur Knüpfung mancher Verwandtschaften zwischen<lb/>
*</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 14 </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0111] Strapazen empfand. Allein, wie wir hiev einmarschirten, da lebte der frohe Muih wieder auf, als wir sahen, wie die guten Schleswiger trotz dem, daß Mitternacht schon vorbei war, uns noch erwarteten, Lichter an die Fenster setzten, wie wir vorbei marschirten, und in den Quartieren uns mit Liebe und Sorgfalt verpfleg ten. Wo wir heute hinkomme^ in dieser schönen Stadt, empfangen sie uns mit Jubel, und eine leichte Furcht steigt dabei oft in mir auf, daß wir ihnen das nicht sein werden, was sie von uns erwarten. Schleswig hat von jeher am ent¬ schiedensten vor allen scklcswigschen Städten seine Sympathien für die deutsche Sache ausgesprochen, und zeigt auch jetzt, daß es für diese große Opfer bringen kann. Schon steht ein Corps von Schleswigern dem Feinde gegenüber. Seit gestern sind wir hier in der größten und reichsten Stadt der Herzog- thümer. Die Dänen sollen diesseits Apenrade wenig Meilen on>' hier stehen, dänische Kriegsschiffe lassen sich schon in der schönen Flensburger Bucht sehen. Gleich nach unserm Einmarsch hier trat uus das Unangenehme dieses Krieges ent¬ gegen, da die Commandeure Befehl hatten, uns zu sagen, wie wenig man sich auf die Flensburger verlassen könne, wie schon mehrere Fälle von heimlich verdorben nen Waffen vorgekommen seien, und daher jeder seine Büchse stets mit sich zu führen und nicht im Quartier stehen zu lassen habe. Flensburgs Stellung in die¬ sem Kriege ist eine sehr eigenthümliche. Von jeher eine deutsche Stadt mit deut¬ scher Sprache, Recht und Sitte hat doch ihre materielle Wohlfahrt durch den Han¬ del mit den dänischen Kolonien, die Versorgung Jütlands von hier ans und der Schutz der großen Schiffahrt und Rhederei dnrch die dänische Flagge ganz ver¬ schieden von dem übrigen Lande sehr gewonnen, und eben diese ist es, welche jetzt anch ein Hinneigen zu der dänischen Seite veranlaßt hat. Vor allem sind es daher der Kanfmannstand, namentlich die großen Häuser, und dann die Schiffer, die entschieden dänisch gesinnt, es seither dahin brachten, daß die Abgeordneten der Stadt ans den Landtagen dem deutschen Interesse so entschieden entgegen tra¬ ten, während die sogenannten Gelehrten, wie überall in deu Herzogtümern, mit alleiniger Ausnahme einiger Beamten, durchaus deutsch sind und der Handwerker¬ stand sich neutral hält. Die beiden Parteien der Deutschen und Dänen stehen steh nördlich von Flensburg überall schroff entgegen, stehen wie anch hier schon ^ Jahren in gar keinem geselligen Verkehr, und diese Spaltung zerschneidet hält- ^ sogar Familienverhältnisse. Das ist überhaupt das Traurige dieses Krieges, ^ er namentlich den nördlichen Schleswig manche enge Bande zerschneidet. Die Jahrhundert lange Verbindung mit Dänemark, während deren das Nntionalgcfnhl ganz erstorben war und sich Deutsche und Dänen nur als Angehörige eines Reichs fühlten, so die Anstellung der Dänen in den Herzogthümern und in der deut¬ schen Armee haben Veranlassung zur Knüpfung mancher Verwandtschaften zwischen * 14

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/111
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/111>, abgerufen am 16.06.2024.