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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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deutschen und dänischen Familien gegeben, die jetzt gewaltsam zerrissen werden
oder zu bösen Conflicten zwischen Herz und Pflicht Veranlassung geben. Viele
Beispiele sind mir bekannt, wo Brüder gegen Brüder, wie ja selbst im herzoglich
Glücksburgischen Hause, ja wo Väter gegen Söhne kämpfen, und fast jeder
Schleswiger, der mit uns kämpft, zählt einen Verwandten im dänischen Heere. --
Hier in Flensburg ist jetzt das Hauptquartier unserer Armee und dadurch ein
lebhaftes Treiben. Immerwährend marschiren Truppen aus und ein, die alle
muthig und freudig aussehen. Auch das Kieler Stndentencorps ist hierher von
seinem Zuge uach Apenrade, deu es mit dem Kieler Jägerbataillvn und den Kieler
Turnern unter ihrem sehr beliebten Führer, Major Michelsen, gemacht hatte,
zurückgekehrt. Manche alte Bekannte von verschiedenen deutschen Universitäten sand
ich hierunter wieder. Alle Soldaten brennen vor Begierde, sich mit den Dänen
zu messen, obgleich die Flensburger "Dänen" manche Mittel anwenden sollen, um
ihnen das Unrechte ihres Handelns vorzustellen.

Schwere Tage liegen hinter uns und alle unsere Sicgesträume und die Hoff¬
nungen auf ein baldiges Ende des Kriegs sind zu Wasser geworden. Wir sind
geschlagen, gänzlich geschlagen. Die vorgefaßte Idee, die Dänen seien noch lange
nicht fertig, hatte unsere Generäle so geblendet, daß sie die Stellung von Bau,
von deren UnHaltbarkeit sie überzeugt waren, nicht eher aufgaben, als bis es zu
spät, bis ein Corps, das aus den Edelsten und Kräftigsten des Landes bestand,
durch fremde Schuld hingeopfert war. Was wir verloren, haben wir nicht dnrch
Tapferkeit der Dänen, sondern durch die Unordnung und durch die Schuld unserer
Führer verloren. Was ein geordneter Rückzug hätte sei" sollen, ward eine wilde
ungeregelte Flucht. Hätten die Dänen diese Umstände benutzt und wären sie selbst
weniger ermüdet gewesen, so daß sie heftiger ans uns während des Rückzugs
hätten eindringen können, so wäre die ganze Armee verloren gegangen, während
wir jetzt nur noch mit einem blauen Auge davon kamen. Die Abtheilung, bei der
ich war, aus 50 Mann bestehend, war, obgleich vom Prinzen von Augustenburg
selbst aufgestellt, doch beim Rückzüge vergessen und nur durch ein Wunder ent¬
gingen wir der Ehre, auf der famose" Dronuing Marie") unsern Sommeraufent¬
halt wählen zu müssen. Dem Prinzen von Augustenburg, der in einer Proclamation
an das Heer früher gesagt hatte: "am Tage der Ehre sehen wir uns wieder,"
nun aber erst um 10 Uhr des Morgens in Flensburg ankam, so daß alle Befehle
zu spät gegeben wurden, hat dieser Tag und die folgenden Maßregeln in den
Augen des Volks und des Heeres sehr geschadet, und wenn man ihm früher seine
Grobheit und sein barsches Austreten nachsah, da man ihn für einen großen Feld-



*) Dem dänischen Gcfangnenschiff.

deutschen und dänischen Familien gegeben, die jetzt gewaltsam zerrissen werden
oder zu bösen Conflicten zwischen Herz und Pflicht Veranlassung geben. Viele
Beispiele sind mir bekannt, wo Brüder gegen Brüder, wie ja selbst im herzoglich
Glücksburgischen Hause, ja wo Väter gegen Söhne kämpfen, und fast jeder
Schleswiger, der mit uns kämpft, zählt einen Verwandten im dänischen Heere. —
Hier in Flensburg ist jetzt das Hauptquartier unserer Armee und dadurch ein
lebhaftes Treiben. Immerwährend marschiren Truppen aus und ein, die alle
muthig und freudig aussehen. Auch das Kieler Stndentencorps ist hierher von
seinem Zuge uach Apenrade, deu es mit dem Kieler Jägerbataillvn und den Kieler
Turnern unter ihrem sehr beliebten Führer, Major Michelsen, gemacht hatte,
zurückgekehrt. Manche alte Bekannte von verschiedenen deutschen Universitäten sand
ich hierunter wieder. Alle Soldaten brennen vor Begierde, sich mit den Dänen
zu messen, obgleich die Flensburger „Dänen" manche Mittel anwenden sollen, um
ihnen das Unrechte ihres Handelns vorzustellen.

Schwere Tage liegen hinter uns und alle unsere Sicgesträume und die Hoff¬
nungen auf ein baldiges Ende des Kriegs sind zu Wasser geworden. Wir sind
geschlagen, gänzlich geschlagen. Die vorgefaßte Idee, die Dänen seien noch lange
nicht fertig, hatte unsere Generäle so geblendet, daß sie die Stellung von Bau,
von deren UnHaltbarkeit sie überzeugt waren, nicht eher aufgaben, als bis es zu
spät, bis ein Corps, das aus den Edelsten und Kräftigsten des Landes bestand,
durch fremde Schuld hingeopfert war. Was wir verloren, haben wir nicht dnrch
Tapferkeit der Dänen, sondern durch die Unordnung und durch die Schuld unserer
Führer verloren. Was ein geordneter Rückzug hätte sei» sollen, ward eine wilde
ungeregelte Flucht. Hätten die Dänen diese Umstände benutzt und wären sie selbst
weniger ermüdet gewesen, so daß sie heftiger ans uns während des Rückzugs
hätten eindringen können, so wäre die ganze Armee verloren gegangen, während
wir jetzt nur noch mit einem blauen Auge davon kamen. Die Abtheilung, bei der
ich war, aus 50 Mann bestehend, war, obgleich vom Prinzen von Augustenburg
selbst aufgestellt, doch beim Rückzüge vergessen und nur durch ein Wunder ent¬
gingen wir der Ehre, auf der famose» Dronuing Marie") unsern Sommeraufent¬
halt wählen zu müssen. Dem Prinzen von Augustenburg, der in einer Proclamation
an das Heer früher gesagt hatte: „am Tage der Ehre sehen wir uns wieder,"
nun aber erst um 10 Uhr des Morgens in Flensburg ankam, so daß alle Befehle
zu spät gegeben wurden, hat dieser Tag und die folgenden Maßregeln in den
Augen des Volks und des Heeres sehr geschadet, und wenn man ihm früher seine
Grobheit und sein barsches Austreten nachsah, da man ihn für einen großen Feld-



*) Dem dänischen Gcfangnenschiff.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/112>, abgerufen am 16.06.2024.