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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Herrn hielt, so ist jetzt eine allgemeine Erbitterung gegen ihn eingetreten, um so
mehr, da man ihm nachsagt, daß er sich nicht eben sehr theilnehmend über die
Flensburger Opfer ausgesprochen hat. Vor und nach diesem unglücklichen Ereig-
niß hatten wir bis heute mit fürchterlichen Strapazen und Mühen zu kämpfen,
Tag und Nacht marschirt, selten wenige Stunden Ruhe, Tage lang ohne Nah¬
rung und dabei durch die Ereignisse der letzten Tage niedergedrückt. Die einzige
angenehme Erinnerung dabei ist die Aufnahme, die die Schleswiger uns zu Theil
werden ließen, die trotzdem, daß wir einzeln, spät nach Mitternacht und lauge
nach dem andern Theil des Heeres ankamen, noch auf der Straße standen, um
den Flüchtlingen ein Quartier anzubieten. Nach den wenigen Stunden Ruhe war
es dafür um so härter, als wir den folgenden Morgen diese uns so liebe Stadt
aufgeben mußten, was mau uns freilich anfangs durch allerlei Märsche zu ver¬
bergen wußte, da man unsere wiedererwachte Kampfbegierde sah. Allein jetzt nach
der unglücklichen Schlappe vom !!. war das unmöglich, was nach einem rechtzei¬
tigen und geordneten Rückzuge leicht gewesen wäre. Hier an der holsteinischen
Grenze liegen wir nun dicht zusammengedrängt, organisiren uns von Neuem, hel¬
fen nach, wo es mangelt und hoffen ans die Zeit, wo es wieder vorwärts geht.
Nur die häufigen Allarmirungcu deuten uns die Nähe des Feindes an. Jenseits
des Kanals, zehn Minuten vou hier, liegt ein preußisches Regiment, nette, fixe,
kampflustige Jungens, mit denen wir im besten Einvernehmen stehen. Hundertmal
schwören sie uns, sie wollten uns rächen.

Das Osterfest beginnt schön und endigt hoffentlich noch besser; wir sprechen
wenigstens schon davon, den zweiten Ostertag in Schleswig einen Ball geben zu
wollen. Heute Morgen wurden zwei Freicorps, die eine halbe Stunde von hier
liegen, von bedeutender dänischer Uebermacht überfallen, aber durch die Talente
ihres Commandeurs, eines Herrn von der Tann und durch eigene Tapferkeit sind
die Dänen nach mehrstündigem Gefecht zurückgeschlagen. Uns ward das traurige
Loos, deu ganzen Morgen in Reserve dicke beim Schlachtfelde aufgestellt zu stehen,
wodurch wir freilich nach Aussage des Commandeurs aller Freischaaren sehr viel genutzt
haben, indem wir die andern Corps vorm gänzlichen Abschneiden retteten. Heute
noch werden alle Freischaaren nach Norden aufbrechen, und so wird dem langen
Elende, das wir hier zu tragen hatten, ein Ende gemacht. Vierzehn Tage lang
"uf großen Gütern oder armen Dörfern zusammengepreßt, abgeschnitten von jedem
Verkehr mit der andern Welt, ohne irgend eine Erheiterung und Anregung, wie
^ sonst der Krieg mit sich bringt, lebten wir ein trauriges, langweiliges Leben,
as auch Nachricht von dem kühn ausgesonnenen und ausgeführten Hand¬
streich el"ja."w Kameraden ans einen dänischen Vorposten von 25 Dragonern dauernd
erheitern konnte. Doch jetzt geht es vorwärts, hoffentlich zum Siege, und jetzt
lerne Rast mehr, als bis wir oben am Skagen stehen.


Herrn hielt, so ist jetzt eine allgemeine Erbitterung gegen ihn eingetreten, um so
mehr, da man ihm nachsagt, daß er sich nicht eben sehr theilnehmend über die
Flensburger Opfer ausgesprochen hat. Vor und nach diesem unglücklichen Ereig-
niß hatten wir bis heute mit fürchterlichen Strapazen und Mühen zu kämpfen,
Tag und Nacht marschirt, selten wenige Stunden Ruhe, Tage lang ohne Nah¬
rung und dabei durch die Ereignisse der letzten Tage niedergedrückt. Die einzige
angenehme Erinnerung dabei ist die Aufnahme, die die Schleswiger uns zu Theil
werden ließen, die trotzdem, daß wir einzeln, spät nach Mitternacht und lauge
nach dem andern Theil des Heeres ankamen, noch auf der Straße standen, um
den Flüchtlingen ein Quartier anzubieten. Nach den wenigen Stunden Ruhe war
es dafür um so härter, als wir den folgenden Morgen diese uns so liebe Stadt
aufgeben mußten, was mau uns freilich anfangs durch allerlei Märsche zu ver¬
bergen wußte, da man unsere wiedererwachte Kampfbegierde sah. Allein jetzt nach
der unglücklichen Schlappe vom !!. war das unmöglich, was nach einem rechtzei¬
tigen und geordneten Rückzuge leicht gewesen wäre. Hier an der holsteinischen
Grenze liegen wir nun dicht zusammengedrängt, organisiren uns von Neuem, hel¬
fen nach, wo es mangelt und hoffen ans die Zeit, wo es wieder vorwärts geht.
Nur die häufigen Allarmirungcu deuten uns die Nähe des Feindes an. Jenseits
des Kanals, zehn Minuten vou hier, liegt ein preußisches Regiment, nette, fixe,
kampflustige Jungens, mit denen wir im besten Einvernehmen stehen. Hundertmal
schwören sie uns, sie wollten uns rächen.

Das Osterfest beginnt schön und endigt hoffentlich noch besser; wir sprechen
wenigstens schon davon, den zweiten Ostertag in Schleswig einen Ball geben zu
wollen. Heute Morgen wurden zwei Freicorps, die eine halbe Stunde von hier
liegen, von bedeutender dänischer Uebermacht überfallen, aber durch die Talente
ihres Commandeurs, eines Herrn von der Tann und durch eigene Tapferkeit sind
die Dänen nach mehrstündigem Gefecht zurückgeschlagen. Uns ward das traurige
Loos, deu ganzen Morgen in Reserve dicke beim Schlachtfelde aufgestellt zu stehen,
wodurch wir freilich nach Aussage des Commandeurs aller Freischaaren sehr viel genutzt
haben, indem wir die andern Corps vorm gänzlichen Abschneiden retteten. Heute
noch werden alle Freischaaren nach Norden aufbrechen, und so wird dem langen
Elende, das wir hier zu tragen hatten, ein Ende gemacht. Vierzehn Tage lang
"uf großen Gütern oder armen Dörfern zusammengepreßt, abgeschnitten von jedem
Verkehr mit der andern Welt, ohne irgend eine Erheiterung und Anregung, wie
^ sonst der Krieg mit sich bringt, lebten wir ein trauriges, langweiliges Leben,
as auch Nachricht von dem kühn ausgesonnenen und ausgeführten Hand¬
streich el„ja.«w Kameraden ans einen dänischen Vorposten von 25 Dragonern dauernd
erheitern konnte. Doch jetzt geht es vorwärts, hoffentlich zum Siege, und jetzt
lerne Rast mehr, als bis wir oben am Skagen stehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/113>, abgerufen am 16.06.2024.