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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Daß die böse Kritik doch auch jede Freude trüben muß! Wir haben gesiegt,
herrlich gesiegt, und nun schreit mau allgemein, daß es noch besser hätte sein
müssen. Wahr ist es freilich, daß wenn mit dem Angriff von Schleswig eiuen
Tag "och gewartet wäre, die Dänen weit mehr verloren hätten und namentlich
unser kühner Zug durch Angeln mitten dnrch die Feinde weit mehr genutzt hätte.
Unerhörte Strapazen, einen I7stündigen Marsch, dabei Bivouaks bei strömendem
Regen, hatten wir auszustehen; dafür aber bot dieser Zug so viel Erfreuliches
und brachte uus alle in eine ganz neue frohe Stimmung, daß wir gerne stets
daran zurückdenken werden. Ein schöner Punkt war es z. B., wie wir, während
an einer andern Stelle zum Schein der Uebergang nnter fürchterlichem Kanoniren
versucht wurde, still und friedlich von den braven Schiffern ans Cappeln über
die Schlei gesetzt wurden, denen man, während ihre Stadt noch occupirt war,
den Auftrag, mit allen ihren Böten hierher zu kommen, zugesandt hatte. Schön war
auch der Morgen des zweiten Ostertages, wo die ersten Gerüchte von der Schleswiger
Schlacht zu uns drangen, die Sturmglocken überall ertönten und der Angelsche
Landsturm mit seinen seither vor den Dänen versteckten, jetzt wieder ausgegrabenen
Waffen sich erhob und alle Wege besetzte. Trotz der bösen Strapazen des letzten
Tages kannten wir nnn keine Müdigkeit mehr, mit einem donnernden "Das Volk
steht auf" ging es ini Eilmarsch vorwärts, den selbst die gewaltigen Zurüstungen
der Angeler, um uns zu Pflegen, nicht hindern konnten. Schön war auch unser
Einzug in Flensburg in früher Morgenstunde, das wir als die Letzte" vor vier¬
zehn Tagen so traurig hatte" verlassen müssen und jetzt als die ersten wieder be¬
treten durften. Schweigend zöge" wir ein und nur ernste Gesichter sahen die
Flensburger, die so treulos an uns gehandelt hatten; jedes Hurrah, jedes "Schles¬
wig-Holstein meerumschluugen" beantworteten wir höchstens mit einem Zischen und
schweigend zogen wir wieder ans dieser Stadt, die sich während unseres Durch¬
marsches als eine "schnell wandelbare" bereits in ein schwarz-roth-goldenes Ge¬
wand gesteckt hatte, während sie gestern noch das weiß-rothe trug.-- Jetzt ruhen
wir uns hier in einem Haidedorse von den Mühen aus, ziehen Morgen weiter,
ohne Hoffnung auf deu Feind zu stoßen, der in wilder, abenteuerlicher Flucht
Flensburg verlassen hat.

So hätten wir endlich das angenehme Bewußtsein in Feindesland zu sein,
freilich dabei nur eine halbe Stunde von einer ganz deutschen Stadt entfernt.
Das Dänenthum tritt uus hier auch viel schroffer entgegen, als seither, und unser
Pastor, bei dem wir einquartirt sind, empfing uns gleich mit den Worten: "Es
ist ein eigen Gefühl, wenn man seine Feinde zum ersten Male sieht." Als später



*) Eine jüdische Enclave.

Daß die böse Kritik doch auch jede Freude trüben muß! Wir haben gesiegt,
herrlich gesiegt, und nun schreit mau allgemein, daß es noch besser hätte sein
müssen. Wahr ist es freilich, daß wenn mit dem Angriff von Schleswig eiuen
Tag »och gewartet wäre, die Dänen weit mehr verloren hätten und namentlich
unser kühner Zug durch Angeln mitten dnrch die Feinde weit mehr genutzt hätte.
Unerhörte Strapazen, einen I7stündigen Marsch, dabei Bivouaks bei strömendem
Regen, hatten wir auszustehen; dafür aber bot dieser Zug so viel Erfreuliches
und brachte uus alle in eine ganz neue frohe Stimmung, daß wir gerne stets
daran zurückdenken werden. Ein schöner Punkt war es z. B., wie wir, während
an einer andern Stelle zum Schein der Uebergang nnter fürchterlichem Kanoniren
versucht wurde, still und friedlich von den braven Schiffern ans Cappeln über
die Schlei gesetzt wurden, denen man, während ihre Stadt noch occupirt war,
den Auftrag, mit allen ihren Böten hierher zu kommen, zugesandt hatte. Schön war
auch der Morgen des zweiten Ostertages, wo die ersten Gerüchte von der Schleswiger
Schlacht zu uns drangen, die Sturmglocken überall ertönten und der Angelsche
Landsturm mit seinen seither vor den Dänen versteckten, jetzt wieder ausgegrabenen
Waffen sich erhob und alle Wege besetzte. Trotz der bösen Strapazen des letzten
Tages kannten wir nnn keine Müdigkeit mehr, mit einem donnernden „Das Volk
steht auf" ging es ini Eilmarsch vorwärts, den selbst die gewaltigen Zurüstungen
der Angeler, um uns zu Pflegen, nicht hindern konnten. Schön war auch unser
Einzug in Flensburg in früher Morgenstunde, das wir als die Letzte» vor vier¬
zehn Tagen so traurig hatte» verlassen müssen und jetzt als die ersten wieder be¬
treten durften. Schweigend zöge» wir ein und nur ernste Gesichter sahen die
Flensburger, die so treulos an uns gehandelt hatten; jedes Hurrah, jedes „Schles¬
wig-Holstein meerumschluugen" beantworteten wir höchstens mit einem Zischen und
schweigend zogen wir wieder ans dieser Stadt, die sich während unseres Durch¬
marsches als eine „schnell wandelbare" bereits in ein schwarz-roth-goldenes Ge¬
wand gesteckt hatte, während sie gestern noch das weiß-rothe trug.— Jetzt ruhen
wir uns hier in einem Haidedorse von den Mühen aus, ziehen Morgen weiter,
ohne Hoffnung auf deu Feind zu stoßen, der in wilder, abenteuerlicher Flucht
Flensburg verlassen hat.

So hätten wir endlich das angenehme Bewußtsein in Feindesland zu sein,
freilich dabei nur eine halbe Stunde von einer ganz deutschen Stadt entfernt.
Das Dänenthum tritt uus hier auch viel schroffer entgegen, als seither, und unser
Pastor, bei dem wir einquartirt sind, empfing uns gleich mit den Worten: „Es
ist ein eigen Gefühl, wenn man seine Feinde zum ersten Male sieht." Als später



*) Eine jüdische Enclave.
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[0114] Daß die böse Kritik doch auch jede Freude trüben muß! Wir haben gesiegt, herrlich gesiegt, und nun schreit mau allgemein, daß es noch besser hätte sein müssen. Wahr ist es freilich, daß wenn mit dem Angriff von Schleswig eiuen Tag »och gewartet wäre, die Dänen weit mehr verloren hätten und namentlich unser kühner Zug durch Angeln mitten dnrch die Feinde weit mehr genutzt hätte. Unerhörte Strapazen, einen I7stündigen Marsch, dabei Bivouaks bei strömendem Regen, hatten wir auszustehen; dafür aber bot dieser Zug so viel Erfreuliches und brachte uus alle in eine ganz neue frohe Stimmung, daß wir gerne stets daran zurückdenken werden. Ein schöner Punkt war es z. B., wie wir, während an einer andern Stelle zum Schein der Uebergang nnter fürchterlichem Kanoniren versucht wurde, still und friedlich von den braven Schiffern ans Cappeln über die Schlei gesetzt wurden, denen man, während ihre Stadt noch occupirt war, den Auftrag, mit allen ihren Böten hierher zu kommen, zugesandt hatte. Schön war auch der Morgen des zweiten Ostertages, wo die ersten Gerüchte von der Schleswiger Schlacht zu uns drangen, die Sturmglocken überall ertönten und der Angelsche Landsturm mit seinen seither vor den Dänen versteckten, jetzt wieder ausgegrabenen Waffen sich erhob und alle Wege besetzte. Trotz der bösen Strapazen des letzten Tages kannten wir nnn keine Müdigkeit mehr, mit einem donnernden „Das Volk steht auf" ging es ini Eilmarsch vorwärts, den selbst die gewaltigen Zurüstungen der Angeler, um uns zu Pflegen, nicht hindern konnten. Schön war auch unser Einzug in Flensburg in früher Morgenstunde, das wir als die Letzte» vor vier¬ zehn Tagen so traurig hatte» verlassen müssen und jetzt als die ersten wieder be¬ treten durften. Schweigend zöge» wir ein und nur ernste Gesichter sahen die Flensburger, die so treulos an uns gehandelt hatten; jedes Hurrah, jedes „Schles¬ wig-Holstein meerumschluugen" beantworteten wir höchstens mit einem Zischen und schweigend zogen wir wieder ans dieser Stadt, die sich während unseres Durch¬ marsches als eine „schnell wandelbare" bereits in ein schwarz-roth-goldenes Ge¬ wand gesteckt hatte, während sie gestern noch das weiß-rothe trug.— Jetzt ruhen wir uns hier in einem Haidedorse von den Mühen aus, ziehen Morgen weiter, ohne Hoffnung auf deu Feind zu stoßen, der in wilder, abenteuerlicher Flucht Flensburg verlassen hat. So hätten wir endlich das angenehme Bewußtsein in Feindesland zu sein, freilich dabei nur eine halbe Stunde von einer ganz deutschen Stadt entfernt. Das Dänenthum tritt uus hier auch viel schroffer entgegen, als seither, und unser Pastor, bei dem wir einquartirt sind, empfing uns gleich mit den Worten: „Es ist ein eigen Gefühl, wenn man seine Feinde zum ersten Male sieht." Als später *) Eine jüdische Enclave.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/114>, abgerufen am 16.06.2024.