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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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einige Kameraden eine kleine deutsche Kompagniefahne vor seinem Hause aufpflanz¬
ten, geriet!) er durch die Tricolore in die größte Aufregung und versuchte bei allen
Instanzen deren Wegnahme, freilich vergebens, zu bewirken^). Sonst sind die
Leute hier in den Quartieren freundlich und sorgsam, wenn sie erst einmal die
Furcht abgelegt habe", die ihnen die dänischen Beamten und Prediger vor den
deutschen Truppen, namentlich den "räuberischen Freischaaren" beigebracht haben.
Kam es doch vor, daß sich Leute in klaren dürren Worten bei unserem Abgange
bedankten, daß wir ihnen nichts gestohlen hätten. In Tondern trat mir die trau¬
rige Lage der Beamten im nördlichen Schleswig recht entgegen, als ich dort zu¬
fällig mit einem derselben in nähere Berührung kam. Auch er hatte Anfangs die
Provisorische Regierung anerkannt, später während der dänischen Occupation voll
Sorgen um seine große Familie diesen Schritt wieder gut zu machen gesucht, zum
Theil auch, da ihm schou früher Zweifel über die Rechtmäßigkeit der provisorischen
Regierung und über die Verträglichkeit seines Schrittes mit seinem Amtseide auf¬
gestiegen waren. Nun rücken die Deutschen wieder ein und verlangen Rechenschaft
über seiue Kasse und seine Handlungsweise, was, wie er meinte, morgen wieder
von den Dänen geschehen könne. Die provisorische Regierung wird dem Verneh¬
men nach jeden, der sich den dänischen Behörden gefügt hat, ohne Weiteres ab¬
setzen, --- eine energische Maßregel, aber eine nothwendige.

Wiederum sind wir lange ohne Ruhe und Rast bald rechts, bald links durch
die Haiden Jütlands und Schleswigs nmhermarschirt, ohne den Feind zu treffen.
Der Krieg und der Kriegerstand hat wenig Erfreuliches, sobald man mal die Span¬
nung, die die Nähe des Feindes immer bringt, verliert. Bei diesem ewigen Mar¬
schiren, in der öden einförmigen Gegend, da erstirbt jedes Gespräch, jedes Denken;
wie eine Maschine wandelt man dahin, macht theilnahmlos Halt und legt sich zur
Ruhe nieder, wenn's befohlen wird, und läuft eben so wieder weiter. Des Mor¬
gens früh, da hört man noch einige muntere Lieder, aber bald macht das einem
allgemeinen Raisonniren über alle Maßregeln des Kommandos Platz, bis anch
das endlich erstirbt. Und dann des Abends diese Quartiere von Jütland, wovon
keine Fabel genug erzählen kann. Es ist vorgekommen, daß wir Quartiere ver¬
lassen mußten, weil, was buchstäblich wahr ist, Ungeziefer von der schlimmsten
^orde, an den Wänden in Schaaren umherlief, so daß wir es vorzogen, trotz des
schlechte,, Wetters im Freien zu campiren. Wahrlich diese Mühen standhaft zu
tragen und nicht zu erschlaffen, ist eine weit größere Aufgabe, als in das wildeste



schön/ ^ "'^ h^den, hat er den Baum, an dem die Fahne befestigt war, eine
1 y alte Linde und die mittelste von dreien, die das Haus schmückten, mit Stumpf und
le ausroden lassen; ein Beispiel von Rationalgefühl, wie wir es in Deutschland wohl nicht
finden werde".

einige Kameraden eine kleine deutsche Kompagniefahne vor seinem Hause aufpflanz¬
ten, geriet!) er durch die Tricolore in die größte Aufregung und versuchte bei allen
Instanzen deren Wegnahme, freilich vergebens, zu bewirken^). Sonst sind die
Leute hier in den Quartieren freundlich und sorgsam, wenn sie erst einmal die
Furcht abgelegt habe», die ihnen die dänischen Beamten und Prediger vor den
deutschen Truppen, namentlich den „räuberischen Freischaaren" beigebracht haben.
Kam es doch vor, daß sich Leute in klaren dürren Worten bei unserem Abgange
bedankten, daß wir ihnen nichts gestohlen hätten. In Tondern trat mir die trau¬
rige Lage der Beamten im nördlichen Schleswig recht entgegen, als ich dort zu¬
fällig mit einem derselben in nähere Berührung kam. Auch er hatte Anfangs die
Provisorische Regierung anerkannt, später während der dänischen Occupation voll
Sorgen um seine große Familie diesen Schritt wieder gut zu machen gesucht, zum
Theil auch, da ihm schou früher Zweifel über die Rechtmäßigkeit der provisorischen
Regierung und über die Verträglichkeit seines Schrittes mit seinem Amtseide auf¬
gestiegen waren. Nun rücken die Deutschen wieder ein und verlangen Rechenschaft
über seiue Kasse und seine Handlungsweise, was, wie er meinte, morgen wieder
von den Dänen geschehen könne. Die provisorische Regierung wird dem Verneh¬
men nach jeden, der sich den dänischen Behörden gefügt hat, ohne Weiteres ab¬
setzen, —- eine energische Maßregel, aber eine nothwendige.

Wiederum sind wir lange ohne Ruhe und Rast bald rechts, bald links durch
die Haiden Jütlands und Schleswigs nmhermarschirt, ohne den Feind zu treffen.
Der Krieg und der Kriegerstand hat wenig Erfreuliches, sobald man mal die Span¬
nung, die die Nähe des Feindes immer bringt, verliert. Bei diesem ewigen Mar¬
schiren, in der öden einförmigen Gegend, da erstirbt jedes Gespräch, jedes Denken;
wie eine Maschine wandelt man dahin, macht theilnahmlos Halt und legt sich zur
Ruhe nieder, wenn's befohlen wird, und läuft eben so wieder weiter. Des Mor¬
gens früh, da hört man noch einige muntere Lieder, aber bald macht das einem
allgemeinen Raisonniren über alle Maßregeln des Kommandos Platz, bis anch
das endlich erstirbt. Und dann des Abends diese Quartiere von Jütland, wovon
keine Fabel genug erzählen kann. Es ist vorgekommen, daß wir Quartiere ver¬
lassen mußten, weil, was buchstäblich wahr ist, Ungeziefer von der schlimmsten
^orde, an den Wänden in Schaaren umherlief, so daß wir es vorzogen, trotz des
schlechte,, Wetters im Freien zu campiren. Wahrlich diese Mühen standhaft zu
tragen und nicht zu erschlaffen, ist eine weit größere Aufgabe, als in das wildeste



schön/ ^ "'^ h^den, hat er den Baum, an dem die Fahne befestigt war, eine
1 y alte Linde und die mittelste von dreien, die das Haus schmückten, mit Stumpf und
le ausroden lassen; ein Beispiel von Rationalgefühl, wie wir es in Deutschland wohl nicht
finden werde».
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/115>, abgerufen am 16.06.2024.