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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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unteren Klassen immer mehr zu, und wir können hier vielleicht noch einen Stra¬
ßenkampf zu bestehen haben. Wer irgend etwas von Seiten der Dänen oder des
Pöbels zu befürchten hat, namentlich alle Beamte und die meisten Kaufleute ver¬
lassen noch diese Nacht die Stadt, da sie wohl sehen, daß der von Wrangel ver¬
sprochene Schutz unzulänglich ist. Schon streifen Dänen diesseits Christianöfcld
(zwei Meilen vou hier) und die uus als Verstärkung verheißene Kavallerie ist noch
nicht eingetroffen, wir können also bei einem feindlichen Ueberfall nicht eher etwas
davon merken, als bis der Feind dicht vor der Stadt ist und das in einer mit
so viel feindlichen Elementen vermischten Stadt! Für diese Nacht bin ich durchaus
nicht unbesorgt.

So haben wir denn die uns Allen so lieb gewordene Stadt und Gegend von
Hadersleben ihrem harten Schicksal überlassen müssen, um heute wiederum diese
schöne Stadt den gierigen und hungrigen Haien Preis zu geben, die wenige tau¬
send Schritt vou hier auf ihren Dampfschiffen und Kanonenböten ans der Rhede
lauern. Schon sind alle Deutschen aus der Stadt ausgewandert, so daß es an-
tjenblicklich keinen einzigen Arzt in der Stadt geben soll und um Mittag werden
wir und das preußische Bataillon, welches noch hier liegt, ebenfalls die Stadt
verlassen, ich glaube in Folge einer Verabredung mit dem Commandeur der däni¬
schen Schiffe, um das gedrohte Bombardement für die Stadt abzuwenden. Die
preußischen Soldaten hier sind jetzt auch über diesen Rückzug sehr verstimmt und
mißvergnügt. Hadersleben soll schon bald nach unserm Abmärsche, den wir gestern
Mittag unter dem Hohn der ans der ganzen Umgegend herbeiströmenden dänischen
Bauern antraten, von einer bedeutenden dänischen Macht besetzt sein.

Nach unserm Abmärsche ans Apenrade hatten wir "och einige Tage Vor-
postendienstc zu thun und wurden dann unserm Wunsche genas; "ach Wrangel's
Befehl hierher zurückgeführt, da eine neue Organisation und Armining dringend
nöthig geworden war. Hier beschloß der größte Theil des Corps in Folge der
von der provisorischen Regierung auch auf die Städter ausgedehnten Aushebung
in das reguläre Militär überzutreten und wo möglich den Grundstoff eines der
neu zu errichtende" Bataillone zu bilden, weshalb denn unser Freicorps heute auf¬
gelöst wurde. Dies geschah nicht wie bei der Auflösung der andern Corps mit
großen Feierlichkeiten, sondern ernst und still, da Alle über die neuesten Ereignisse
eine Mißstimmung ergriffen hatte. Man rüstet sich zum neuen Kampf, aber ohne
die Begeisterung und den innern Drang, indem jeder mehr oder weniger fühlt,
daß alle Anstrengungen, alle Siege durch eine Macht, die hinter den Coulissen
wirkt, vereitelt werden, nud erst, wenn man sich offen gegen diese wendet Heil
,
-- e--. zu erwarten sei.




unteren Klassen immer mehr zu, und wir können hier vielleicht noch einen Stra¬
ßenkampf zu bestehen haben. Wer irgend etwas von Seiten der Dänen oder des
Pöbels zu befürchten hat, namentlich alle Beamte und die meisten Kaufleute ver¬
lassen noch diese Nacht die Stadt, da sie wohl sehen, daß der von Wrangel ver¬
sprochene Schutz unzulänglich ist. Schon streifen Dänen diesseits Christianöfcld
(zwei Meilen vou hier) und die uus als Verstärkung verheißene Kavallerie ist noch
nicht eingetroffen, wir können also bei einem feindlichen Ueberfall nicht eher etwas
davon merken, als bis der Feind dicht vor der Stadt ist und das in einer mit
so viel feindlichen Elementen vermischten Stadt! Für diese Nacht bin ich durchaus
nicht unbesorgt.

So haben wir denn die uns Allen so lieb gewordene Stadt und Gegend von
Hadersleben ihrem harten Schicksal überlassen müssen, um heute wiederum diese
schöne Stadt den gierigen und hungrigen Haien Preis zu geben, die wenige tau¬
send Schritt vou hier auf ihren Dampfschiffen und Kanonenböten ans der Rhede
lauern. Schon sind alle Deutschen aus der Stadt ausgewandert, so daß es an-
tjenblicklich keinen einzigen Arzt in der Stadt geben soll und um Mittag werden
wir und das preußische Bataillon, welches noch hier liegt, ebenfalls die Stadt
verlassen, ich glaube in Folge einer Verabredung mit dem Commandeur der däni¬
schen Schiffe, um das gedrohte Bombardement für die Stadt abzuwenden. Die
preußischen Soldaten hier sind jetzt auch über diesen Rückzug sehr verstimmt und
mißvergnügt. Hadersleben soll schon bald nach unserm Abmärsche, den wir gestern
Mittag unter dem Hohn der ans der ganzen Umgegend herbeiströmenden dänischen
Bauern antraten, von einer bedeutenden dänischen Macht besetzt sein.

Nach unserm Abmärsche ans Apenrade hatten wir »och einige Tage Vor-
postendienstc zu thun und wurden dann unserm Wunsche genas; »ach Wrangel's
Befehl hierher zurückgeführt, da eine neue Organisation und Armining dringend
nöthig geworden war. Hier beschloß der größte Theil des Corps in Folge der
von der provisorischen Regierung auch auf die Städter ausgedehnten Aushebung
in das reguläre Militär überzutreten und wo möglich den Grundstoff eines der
neu zu errichtende» Bataillone zu bilden, weshalb denn unser Freicorps heute auf¬
gelöst wurde. Dies geschah nicht wie bei der Auflösung der andern Corps mit
großen Feierlichkeiten, sondern ernst und still, da Alle über die neuesten Ereignisse
eine Mißstimmung ergriffen hatte. Man rüstet sich zum neuen Kampf, aber ohne
die Begeisterung und den innern Drang, indem jeder mehr oder weniger fühlt,
daß alle Anstrengungen, alle Siege durch eine Macht, die hinter den Coulissen
wirkt, vereitelt werden, nud erst, wenn man sich offen gegen diese wendet Heil
,
— e—. zu erwarten sei.




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[0120] unteren Klassen immer mehr zu, und wir können hier vielleicht noch einen Stra¬ ßenkampf zu bestehen haben. Wer irgend etwas von Seiten der Dänen oder des Pöbels zu befürchten hat, namentlich alle Beamte und die meisten Kaufleute ver¬ lassen noch diese Nacht die Stadt, da sie wohl sehen, daß der von Wrangel ver¬ sprochene Schutz unzulänglich ist. Schon streifen Dänen diesseits Christianöfcld (zwei Meilen vou hier) und die uus als Verstärkung verheißene Kavallerie ist noch nicht eingetroffen, wir können also bei einem feindlichen Ueberfall nicht eher etwas davon merken, als bis der Feind dicht vor der Stadt ist und das in einer mit so viel feindlichen Elementen vermischten Stadt! Für diese Nacht bin ich durchaus nicht unbesorgt. So haben wir denn die uns Allen so lieb gewordene Stadt und Gegend von Hadersleben ihrem harten Schicksal überlassen müssen, um heute wiederum diese schöne Stadt den gierigen und hungrigen Haien Preis zu geben, die wenige tau¬ send Schritt vou hier auf ihren Dampfschiffen und Kanonenböten ans der Rhede lauern. Schon sind alle Deutschen aus der Stadt ausgewandert, so daß es an- tjenblicklich keinen einzigen Arzt in der Stadt geben soll und um Mittag werden wir und das preußische Bataillon, welches noch hier liegt, ebenfalls die Stadt verlassen, ich glaube in Folge einer Verabredung mit dem Commandeur der däni¬ schen Schiffe, um das gedrohte Bombardement für die Stadt abzuwenden. Die preußischen Soldaten hier sind jetzt auch über diesen Rückzug sehr verstimmt und mißvergnügt. Hadersleben soll schon bald nach unserm Abmärsche, den wir gestern Mittag unter dem Hohn der ans der ganzen Umgegend herbeiströmenden dänischen Bauern antraten, von einer bedeutenden dänischen Macht besetzt sein. Nach unserm Abmärsche ans Apenrade hatten wir »och einige Tage Vor- postendienstc zu thun und wurden dann unserm Wunsche genas; »ach Wrangel's Befehl hierher zurückgeführt, da eine neue Organisation und Armining dringend nöthig geworden war. Hier beschloß der größte Theil des Corps in Folge der von der provisorischen Regierung auch auf die Städter ausgedehnten Aushebung in das reguläre Militär überzutreten und wo möglich den Grundstoff eines der neu zu errichtende» Bataillone zu bilden, weshalb denn unser Freicorps heute auf¬ gelöst wurde. Dies geschah nicht wie bei der Auflösung der andern Corps mit großen Feierlichkeiten, sondern ernst und still, da Alle über die neuesten Ereignisse eine Mißstimmung ergriffen hatte. Man rüstet sich zum neuen Kampf, aber ohne die Begeisterung und den innern Drang, indem jeder mehr oder weniger fühlt, daß alle Anstrengungen, alle Siege durch eine Macht, die hinter den Coulissen wirkt, vereitelt werden, nud erst, wenn man sich offen gegen diese wendet Heil , — e—. zu erwarten sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/120>, abgerufen am 16.06.2024.