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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Hinweg mit der Frivolität! Zwischen Ihnen und mir paßt sie nicht. Den¬
ken Sie an den wahren Spruch der Weltgeschichte: großen Ereignissen fliegen
ihre Schatten voraus. Auch die symbolische Handlung der Cassenengel auf Ihren
Scheinen wurde ein solcher Schatten, der den großen Erschütterungen der Ge¬
genwart vorausflog, wie Wolkenschatten über die Flur ziehen, bevor der Platzre¬
gen dahinrauscht. Als Ihre Kassenscheine in die Welt flogen, war noch gute Zeit,
Güter, Häuser, Waaren, Aktien, Alles grünte, glänzte, blähte sich vor Beha¬
gen, Niemand aHute das Verhängniß der neuesten Zeit. Nur Ihre Genien be¬
zweifelten prophetisch die Zukunft der soliden Stadtcasse, nur Sie, meine Herren,
wußten, daß eine Zeit herannahe, wo das Menschengeschlecht zahlungsunfähig
sein werde. Jetzt ist sie da. Wir haben kein Geld, die Regierungen haben kein
Geld, Niemand hat Geld, und weil Niemand Geld hat, fühlt sick jeder unbehag¬
lich, und weil sich Jeder unbehaglich fühlt, wird Jeder aussätzig und bekommt
Neigung socialistisch mit andern zu theile", ja er bemerkt mit Entsetzen, daß er
über Nacht Communist geworden ist, weil er mit allen das gemeine Schicksal hat,
kein Privatvermögen zu besitzen. So ist klar, daß das ungeheure Gesammtschick-
sal aufs Innigste damit zusammenhängt, daß die Einzelnen kein Geld haben, eS
ist klar, Ihre Genien haben dies ungeheure Verhängniß prophezeit und Ihre
Kassenanweisungen waren der Schatten, der zuerst in das Gemüth der Mensch¬
heit fiel und ihr die Ahnung beibrachte, daß eine Zeit kommen werde der allge¬
meinen Geldnoth, der allgemeinen Verlegenheit. War es Weisheit, war es Ver-
messenheit von Ihnen, daß Sie es unternahmen, den Völkern der Erde ihre Zu¬
kunft durch eine Pantomime zu zeige"?

Mir wird ernst zu Muth und das ironische Zucken Ihrer Augen wird mir
unheimlich. Wohl ist ein ewiger Zusammenhang zwischen den Ereignissen, ein
tiefer innerlicher Zusammenhang zwischen der großen That und der Ahnung, die
vor ihr durch die Welt fliegt und uur ein Thor oder ein Ruchloser, ja meine
Herren, ein Rnchloser kann ihn länanen. Und wenn ich den Zusammenhang suche
zwischen dem Verhängniß, das über uus hereingebrochen ist, und zwischen der
Prophezeihung davon, die Sie in glücklicher, sorgloser Vergangenheit durch die
erwähnte aufregende Pantomime gäbe", so faßt mich ein finsterer Verdacht und
schaudernd sehe ich tückische Gewalten geschäftig, mein edles Volt zu verwirren
und zu vernichten. Einzelne Beobachtungen, sast vergessene Eindrücke werden le¬
bendig und verschlingen sich zu einer Kette von Schlüsse", und Ihr Lächeln und
die furchtbare Pantomime Ihrer bösen Engel sind die Anfangspunkte dieser Kette.
Sehe" Sie zu, Magistrat von Hannover, ob Ihr Herz sich rein fühlt von arger
That. -- Es war an einem schönen Abend, Ihre Kassenscheine waren so eben
ausgegeben, unschuldsvoll glänzte das Sonnenlicht über dem königlichen Hannover,
ich schritt gedankenvoll durch die Straßen der Stadt. An der Straßenecke saß eine
ehrwürdige Frau, vor ihr stand ein Korb mit Aepfeln, ich wollte kaufen und


Hinweg mit der Frivolität! Zwischen Ihnen und mir paßt sie nicht. Den¬
ken Sie an den wahren Spruch der Weltgeschichte: großen Ereignissen fliegen
ihre Schatten voraus. Auch die symbolische Handlung der Cassenengel auf Ihren
Scheinen wurde ein solcher Schatten, der den großen Erschütterungen der Ge¬
genwart vorausflog, wie Wolkenschatten über die Flur ziehen, bevor der Platzre¬
gen dahinrauscht. Als Ihre Kassenscheine in die Welt flogen, war noch gute Zeit,
Güter, Häuser, Waaren, Aktien, Alles grünte, glänzte, blähte sich vor Beha¬
gen, Niemand aHute das Verhängniß der neuesten Zeit. Nur Ihre Genien be¬
zweifelten prophetisch die Zukunft der soliden Stadtcasse, nur Sie, meine Herren,
wußten, daß eine Zeit herannahe, wo das Menschengeschlecht zahlungsunfähig
sein werde. Jetzt ist sie da. Wir haben kein Geld, die Regierungen haben kein
Geld, Niemand hat Geld, und weil Niemand Geld hat, fühlt sick jeder unbehag¬
lich, und weil sich Jeder unbehaglich fühlt, wird Jeder aussätzig und bekommt
Neigung socialistisch mit andern zu theile», ja er bemerkt mit Entsetzen, daß er
über Nacht Communist geworden ist, weil er mit allen das gemeine Schicksal hat,
kein Privatvermögen zu besitzen. So ist klar, daß das ungeheure Gesammtschick-
sal aufs Innigste damit zusammenhängt, daß die Einzelnen kein Geld haben, eS
ist klar, Ihre Genien haben dies ungeheure Verhängniß prophezeit und Ihre
Kassenanweisungen waren der Schatten, der zuerst in das Gemüth der Mensch¬
heit fiel und ihr die Ahnung beibrachte, daß eine Zeit kommen werde der allge¬
meinen Geldnoth, der allgemeinen Verlegenheit. War es Weisheit, war es Ver-
messenheit von Ihnen, daß Sie es unternahmen, den Völkern der Erde ihre Zu¬
kunft durch eine Pantomime zu zeige»?

Mir wird ernst zu Muth und das ironische Zucken Ihrer Augen wird mir
unheimlich. Wohl ist ein ewiger Zusammenhang zwischen den Ereignissen, ein
tiefer innerlicher Zusammenhang zwischen der großen That und der Ahnung, die
vor ihr durch die Welt fliegt und uur ein Thor oder ein Ruchloser, ja meine
Herren, ein Rnchloser kann ihn länanen. Und wenn ich den Zusammenhang suche
zwischen dem Verhängniß, das über uus hereingebrochen ist, und zwischen der
Prophezeihung davon, die Sie in glücklicher, sorgloser Vergangenheit durch die
erwähnte aufregende Pantomime gäbe», so faßt mich ein finsterer Verdacht und
schaudernd sehe ich tückische Gewalten geschäftig, mein edles Volt zu verwirren
und zu vernichten. Einzelne Beobachtungen, sast vergessene Eindrücke werden le¬
bendig und verschlingen sich zu einer Kette von Schlüsse», und Ihr Lächeln und
die furchtbare Pantomime Ihrer bösen Engel sind die Anfangspunkte dieser Kette.
Sehe» Sie zu, Magistrat von Hannover, ob Ihr Herz sich rein fühlt von arger
That. — Es war an einem schönen Abend, Ihre Kassenscheine waren so eben
ausgegeben, unschuldsvoll glänzte das Sonnenlicht über dem königlichen Hannover,
ich schritt gedankenvoll durch die Straßen der Stadt. An der Straßenecke saß eine
ehrwürdige Frau, vor ihr stand ein Korb mit Aepfeln, ich wollte kaufen und


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[0122] Hinweg mit der Frivolität! Zwischen Ihnen und mir paßt sie nicht. Den¬ ken Sie an den wahren Spruch der Weltgeschichte: großen Ereignissen fliegen ihre Schatten voraus. Auch die symbolische Handlung der Cassenengel auf Ihren Scheinen wurde ein solcher Schatten, der den großen Erschütterungen der Ge¬ genwart vorausflog, wie Wolkenschatten über die Flur ziehen, bevor der Platzre¬ gen dahinrauscht. Als Ihre Kassenscheine in die Welt flogen, war noch gute Zeit, Güter, Häuser, Waaren, Aktien, Alles grünte, glänzte, blähte sich vor Beha¬ gen, Niemand aHute das Verhängniß der neuesten Zeit. Nur Ihre Genien be¬ zweifelten prophetisch die Zukunft der soliden Stadtcasse, nur Sie, meine Herren, wußten, daß eine Zeit herannahe, wo das Menschengeschlecht zahlungsunfähig sein werde. Jetzt ist sie da. Wir haben kein Geld, die Regierungen haben kein Geld, Niemand hat Geld, und weil Niemand Geld hat, fühlt sick jeder unbehag¬ lich, und weil sich Jeder unbehaglich fühlt, wird Jeder aussätzig und bekommt Neigung socialistisch mit andern zu theile», ja er bemerkt mit Entsetzen, daß er über Nacht Communist geworden ist, weil er mit allen das gemeine Schicksal hat, kein Privatvermögen zu besitzen. So ist klar, daß das ungeheure Gesammtschick- sal aufs Innigste damit zusammenhängt, daß die Einzelnen kein Geld haben, eS ist klar, Ihre Genien haben dies ungeheure Verhängniß prophezeit und Ihre Kassenanweisungen waren der Schatten, der zuerst in das Gemüth der Mensch¬ heit fiel und ihr die Ahnung beibrachte, daß eine Zeit kommen werde der allge¬ meinen Geldnoth, der allgemeinen Verlegenheit. War es Weisheit, war es Ver- messenheit von Ihnen, daß Sie es unternahmen, den Völkern der Erde ihre Zu¬ kunft durch eine Pantomime zu zeige»? Mir wird ernst zu Muth und das ironische Zucken Ihrer Augen wird mir unheimlich. Wohl ist ein ewiger Zusammenhang zwischen den Ereignissen, ein tiefer innerlicher Zusammenhang zwischen der großen That und der Ahnung, die vor ihr durch die Welt fliegt und uur ein Thor oder ein Ruchloser, ja meine Herren, ein Rnchloser kann ihn länanen. Und wenn ich den Zusammenhang suche zwischen dem Verhängniß, das über uus hereingebrochen ist, und zwischen der Prophezeihung davon, die Sie in glücklicher, sorgloser Vergangenheit durch die erwähnte aufregende Pantomime gäbe», so faßt mich ein finsterer Verdacht und schaudernd sehe ich tückische Gewalten geschäftig, mein edles Volt zu verwirren und zu vernichten. Einzelne Beobachtungen, sast vergessene Eindrücke werden le¬ bendig und verschlingen sich zu einer Kette von Schlüsse», und Ihr Lächeln und die furchtbare Pantomime Ihrer bösen Engel sind die Anfangspunkte dieser Kette. Sehe» Sie zu, Magistrat von Hannover, ob Ihr Herz sich rein fühlt von arger That. — Es war an einem schönen Abend, Ihre Kassenscheine waren so eben ausgegeben, unschuldsvoll glänzte das Sonnenlicht über dem königlichen Hannover, ich schritt gedankenvoll durch die Straßen der Stadt. An der Straßenecke saß eine ehrwürdige Frau, vor ihr stand ein Korb mit Aepfeln, ich wollte kaufen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/122>, abgerufen am 16.06.2024.