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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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ten ihre Gesellschaft nicht. Da schlugen die Völker, stammverwandte, auf einander.
Wir kamen gerade an die Thüre, als die Harfe kreischend zur andern hinaus¬
flüchtete, und da es sonst keinen Ausgang gab, mußten wir einen Augenblick Zu¬
schauer des widerwärtigen Kampfes sein. Uuritterlicher Weise nahm der Wirth
Partei gegen die Topsbinder, als die ärmern und schwächern, und Alles fiel über
die schlanken Slovaken her. Ein stämmiger Czeche in gelben Lederhosen und einer
Jacke von Schafpelz hatte das lange Haar eines Drahtbinders sich um den Arm
gewunden und suchte ihn umzureißen, während ein anderer mit dem Stuhlbein
dem Taumelnden und Wehrlosen schadenfroh auf die Kniee schlug. Wart nur,
Gevatterchen; ich will deine Beinchen tanzen lehren! Die Verkleinernngswörtchen
machten diesmal einen eigenthümlichen Eindruck. Die Kameraden des Slowaken
weinten und sangen abwechselnd oder suchten mit ihren Hackstöcken die Czechen von
sich abzuwehren. Der Wirth fluchte und die Amazone von Schenkmädchen hieb
mit dem Besen dazwischen. Endlich schlugen wir uns über die Wahlstatt durch
und vor der Thüre bemerkte ich erst die ominöse Aufschrift des Wirthshausschildes:
Zum böhmischen Dornbusch.

Als ich nun Abschied von der Gesellschaft nehmen wollte, drang Holweg fle¬
hentlich in mich, noch ein Paar Tage in Prag zu bleiben und der junge Walla¬
scheck unterstützte seine Bitte, indem er mich zu den Seinigen einlud. Wir gaben
uns auf den Abend ein Stelldichein am Altstädter Brückenthurm und ich sagte zu,
aus Neugierde sowohl wie ans Theilnahme für Holweg. Seine Schwärmerei
konnte ich mir wohl erklären. Mit den dentschen Revolutionsideen, die in ihm
gährten, umkleidete er die czechomanische Sache und die Slaven überhaupt beur¬
theilte er aus ihre" Liedern und Melodien, statt aus ihrem Thun und Wirth¬
schaften. Allein es war offenbar auch etwas Persönliches im Spiele. Panenka
Marie und das Benehmen Klut's standen in einem Zusammenhang, über den mir
allerhand Gedanken kamen. Wir machen vielleicht eine Moldaufahrt und Du sollst
in besserer Gesellschaft sein, als diesen Nachmittag, hatte mir Holweg versprochen.

Der Wind pfiff dnrch das Thor, des Brückenthurms, kupserrothe Abendwolken
warfen ihr schönes Licht auf das halb nbermooste dunkle Mauerwerk, ich hatte
alle Figürchen und Schnörkel daran schon fünfmal überzahlt und noch kam Niemand.

Ich wandte mich zur Heimkehr, da ruft die bekannte Stimme und, wie ich
umblicke, weht der Wind den Schleier von einem lieblichen Gesicht zurück. Ah!
Panenka Marie! rief ich unwillkürlich... --

(Die letzte Abtheilung folgt.,




ten ihre Gesellschaft nicht. Da schlugen die Völker, stammverwandte, auf einander.
Wir kamen gerade an die Thüre, als die Harfe kreischend zur andern hinaus¬
flüchtete, und da es sonst keinen Ausgang gab, mußten wir einen Augenblick Zu¬
schauer des widerwärtigen Kampfes sein. Uuritterlicher Weise nahm der Wirth
Partei gegen die Topsbinder, als die ärmern und schwächern, und Alles fiel über
die schlanken Slovaken her. Ein stämmiger Czeche in gelben Lederhosen und einer
Jacke von Schafpelz hatte das lange Haar eines Drahtbinders sich um den Arm
gewunden und suchte ihn umzureißen, während ein anderer mit dem Stuhlbein
dem Taumelnden und Wehrlosen schadenfroh auf die Kniee schlug. Wart nur,
Gevatterchen; ich will deine Beinchen tanzen lehren! Die Verkleinernngswörtchen
machten diesmal einen eigenthümlichen Eindruck. Die Kameraden des Slowaken
weinten und sangen abwechselnd oder suchten mit ihren Hackstöcken die Czechen von
sich abzuwehren. Der Wirth fluchte und die Amazone von Schenkmädchen hieb
mit dem Besen dazwischen. Endlich schlugen wir uns über die Wahlstatt durch
und vor der Thüre bemerkte ich erst die ominöse Aufschrift des Wirthshausschildes:
Zum böhmischen Dornbusch.

Als ich nun Abschied von der Gesellschaft nehmen wollte, drang Holweg fle¬
hentlich in mich, noch ein Paar Tage in Prag zu bleiben und der junge Walla¬
scheck unterstützte seine Bitte, indem er mich zu den Seinigen einlud. Wir gaben
uns auf den Abend ein Stelldichein am Altstädter Brückenthurm und ich sagte zu,
aus Neugierde sowohl wie ans Theilnahme für Holweg. Seine Schwärmerei
konnte ich mir wohl erklären. Mit den dentschen Revolutionsideen, die in ihm
gährten, umkleidete er die czechomanische Sache und die Slaven überhaupt beur¬
theilte er aus ihre» Liedern und Melodien, statt aus ihrem Thun und Wirth¬
schaften. Allein es war offenbar auch etwas Persönliches im Spiele. Panenka
Marie und das Benehmen Klut's standen in einem Zusammenhang, über den mir
allerhand Gedanken kamen. Wir machen vielleicht eine Moldaufahrt und Du sollst
in besserer Gesellschaft sein, als diesen Nachmittag, hatte mir Holweg versprochen.

Der Wind pfiff dnrch das Thor, des Brückenthurms, kupserrothe Abendwolken
warfen ihr schönes Licht auf das halb nbermooste dunkle Mauerwerk, ich hatte
alle Figürchen und Schnörkel daran schon fünfmal überzahlt und noch kam Niemand.

Ich wandte mich zur Heimkehr, da ruft die bekannte Stimme und, wie ich
umblicke, weht der Wind den Schleier von einem lieblichen Gesicht zurück. Ah!
Panenka Marie! rief ich unwillkürlich... —

(Die letzte Abtheilung folgt.,




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[0132] ten ihre Gesellschaft nicht. Da schlugen die Völker, stammverwandte, auf einander. Wir kamen gerade an die Thüre, als die Harfe kreischend zur andern hinaus¬ flüchtete, und da es sonst keinen Ausgang gab, mußten wir einen Augenblick Zu¬ schauer des widerwärtigen Kampfes sein. Uuritterlicher Weise nahm der Wirth Partei gegen die Topsbinder, als die ärmern und schwächern, und Alles fiel über die schlanken Slovaken her. Ein stämmiger Czeche in gelben Lederhosen und einer Jacke von Schafpelz hatte das lange Haar eines Drahtbinders sich um den Arm gewunden und suchte ihn umzureißen, während ein anderer mit dem Stuhlbein dem Taumelnden und Wehrlosen schadenfroh auf die Kniee schlug. Wart nur, Gevatterchen; ich will deine Beinchen tanzen lehren! Die Verkleinernngswörtchen machten diesmal einen eigenthümlichen Eindruck. Die Kameraden des Slowaken weinten und sangen abwechselnd oder suchten mit ihren Hackstöcken die Czechen von sich abzuwehren. Der Wirth fluchte und die Amazone von Schenkmädchen hieb mit dem Besen dazwischen. Endlich schlugen wir uns über die Wahlstatt durch und vor der Thüre bemerkte ich erst die ominöse Aufschrift des Wirthshausschildes: Zum böhmischen Dornbusch. Als ich nun Abschied von der Gesellschaft nehmen wollte, drang Holweg fle¬ hentlich in mich, noch ein Paar Tage in Prag zu bleiben und der junge Walla¬ scheck unterstützte seine Bitte, indem er mich zu den Seinigen einlud. Wir gaben uns auf den Abend ein Stelldichein am Altstädter Brückenthurm und ich sagte zu, aus Neugierde sowohl wie ans Theilnahme für Holweg. Seine Schwärmerei konnte ich mir wohl erklären. Mit den dentschen Revolutionsideen, die in ihm gährten, umkleidete er die czechomanische Sache und die Slaven überhaupt beur¬ theilte er aus ihre» Liedern und Melodien, statt aus ihrem Thun und Wirth¬ schaften. Allein es war offenbar auch etwas Persönliches im Spiele. Panenka Marie und das Benehmen Klut's standen in einem Zusammenhang, über den mir allerhand Gedanken kamen. Wir machen vielleicht eine Moldaufahrt und Du sollst in besserer Gesellschaft sein, als diesen Nachmittag, hatte mir Holweg versprochen. Der Wind pfiff dnrch das Thor, des Brückenthurms, kupserrothe Abendwolken warfen ihr schönes Licht auf das halb nbermooste dunkle Mauerwerk, ich hatte alle Figürchen und Schnörkel daran schon fünfmal überzahlt und noch kam Niemand. Ich wandte mich zur Heimkehr, da ruft die bekannte Stimme und, wie ich umblicke, weht der Wind den Schleier von einem lieblichen Gesicht zurück. Ah! Panenka Marie! rief ich unwillkürlich... — (Die letzte Abtheilung folgt.,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/132>, abgerufen am 16.06.2024.