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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Staates geradezu unerhört zu nennen und daher augenblicklich abzustellen sei.
Die naiven Bemerkungen der radikalen Herren Giskra und Berger, Oestreich
brauche sein Geld, um die rebellischen Italiener zu Paaren zu treiben und könne
daher vorläufig seine deutschen Gläubiger uicht bezahlen, übrigens sei es auch
anständig von Deutschland, die Ehre, Oestreich in seinen Schooß aufzunehmen,
mit einigen Millionen zu erkaufen: Deutschlands Einheit gehe ja über Alles, diese
Naivität, um mich eines passenderen Ausdrucks zu enthalten, kann nur von einem
Robert Blum aus eine schickliche Weise beantwortet werden, und ich schließe
mich diesmal den Worten dieses Redners: das sei eine schöne Einheit, wo zu
Gunsten von 10 Millionen die übrigen 30 des deutscheu Reichs um ihr Geld be¬
trogen werden sollten, von ganzer Seele an.

Ja.....wir wollen Eins mit euch sein, ihr Brüder in Oestreich! aber Eins im
Recht, nicht Eins in jenen ideellen, lustigen Beziehungen, wie man sie mit Tusche
auf der Landkarte für den Elementarunterricht aufzeichnet. Mit euch haben wir
dem verbannten Tyrannen unsern Fluch nachgerufen, als ihr ihn vou euch auS-
triebt, jenem Tyrannen, der eine abscheuliche Scheidewand zwischen Brüdern ge¬
zogen hatte, aber hütet euch, auf eine wo möglich noch gehässigere Art jene
Scheidewand von Neuem aufzurichten. Ihr seid noch immer gewöhnt, hinaus
"in's Reich" zu blicken, was ihr auch vou Einheit sprecht; verlerntes! Und wenn
es euch gelänge, selbst jenes Project zu realisiren und Wien zur Hauptstadt Deutsch¬
lands zu machen, ihr werdet nicht Eins sein mit dem Reich, wenn ihr nicht jene
Fictionen vou euch werft und Eins mit ihm werdet im Recht. Flieht die ver¬
führerische Stimme eurer Speculanten, ihre Weisheit ist Thorheit. Die Zeiten
sind dahin, wo Einer gut fortkam, wenn er den Andern übervorthcilte.

Was übrigens den Sitz der Centralgewalt betrifft, so liegt es in der Natur
der Sache, daß von Wien eben so wenig die Rede sein kann als von Berlin.
Nicht nnr die geographische Lage beider Städte verbietet das, sondern auch ihre
politische Stellung. An einen Wechsel zwischen beiden ist eben so wenig zu denken.
Frankfurt hat das historische Recht für sich und seine günstige Stellung als Frei¬
staat. Die Unionsstadt der deutschen Stämme -- unser Washington ^ muß
frei sein vou allen Einflüssen partikularistischer Tendenzen, wäre es auch nur, um
den üblen Schein zu vermeiden. Dagegen ist nicht zu verkennen, 'daß die geogra¬
phische Lage Frankfurts eine höchst ungünstige ist. Die unmittelbare Nähe der
französischen Grenze, die große Entfernung von allen Centralpunkten des deutsche"
Lebens, die durch die fehlende Eisenbahnverbindung noch vermehrt wird, lassen die
Wahl eines andern Sitzes als dringend wünschenswert!) erscheinen. Man hat
mehrfach auf Leipzig angespielt, und wir wüßten in der That keine günstigere
Combination. Daß Sachsen nicht reichsunmittelbar ist, bleibt vor der Hand ein
zwar nur formelles, aber unauflösliches Hinderniß. Wenn aber der erste Schwin¬
del mit dem Banen in's Große, Unbestimmte, Blaue sich gelegt haben, wenn nulii


Staates geradezu unerhört zu nennen und daher augenblicklich abzustellen sei.
Die naiven Bemerkungen der radikalen Herren Giskra und Berger, Oestreich
brauche sein Geld, um die rebellischen Italiener zu Paaren zu treiben und könne
daher vorläufig seine deutschen Gläubiger uicht bezahlen, übrigens sei es auch
anständig von Deutschland, die Ehre, Oestreich in seinen Schooß aufzunehmen,
mit einigen Millionen zu erkaufen: Deutschlands Einheit gehe ja über Alles, diese
Naivität, um mich eines passenderen Ausdrucks zu enthalten, kann nur von einem
Robert Blum aus eine schickliche Weise beantwortet werden, und ich schließe
mich diesmal den Worten dieses Redners: das sei eine schöne Einheit, wo zu
Gunsten von 10 Millionen die übrigen 30 des deutscheu Reichs um ihr Geld be¬
trogen werden sollten, von ganzer Seele an.

Ja.....wir wollen Eins mit euch sein, ihr Brüder in Oestreich! aber Eins im
Recht, nicht Eins in jenen ideellen, lustigen Beziehungen, wie man sie mit Tusche
auf der Landkarte für den Elementarunterricht aufzeichnet. Mit euch haben wir
dem verbannten Tyrannen unsern Fluch nachgerufen, als ihr ihn vou euch auS-
triebt, jenem Tyrannen, der eine abscheuliche Scheidewand zwischen Brüdern ge¬
zogen hatte, aber hütet euch, auf eine wo möglich noch gehässigere Art jene
Scheidewand von Neuem aufzurichten. Ihr seid noch immer gewöhnt, hinaus
„in's Reich" zu blicken, was ihr auch vou Einheit sprecht; verlerntes! Und wenn
es euch gelänge, selbst jenes Project zu realisiren und Wien zur Hauptstadt Deutsch¬
lands zu machen, ihr werdet nicht Eins sein mit dem Reich, wenn ihr nicht jene
Fictionen vou euch werft und Eins mit ihm werdet im Recht. Flieht die ver¬
führerische Stimme eurer Speculanten, ihre Weisheit ist Thorheit. Die Zeiten
sind dahin, wo Einer gut fortkam, wenn er den Andern übervorthcilte.

Was übrigens den Sitz der Centralgewalt betrifft, so liegt es in der Natur
der Sache, daß von Wien eben so wenig die Rede sein kann als von Berlin.
Nicht nnr die geographische Lage beider Städte verbietet das, sondern auch ihre
politische Stellung. An einen Wechsel zwischen beiden ist eben so wenig zu denken.
Frankfurt hat das historische Recht für sich und seine günstige Stellung als Frei¬
staat. Die Unionsstadt der deutschen Stämme — unser Washington ^ muß
frei sein vou allen Einflüssen partikularistischer Tendenzen, wäre es auch nur, um
den üblen Schein zu vermeiden. Dagegen ist nicht zu verkennen, 'daß die geogra¬
phische Lage Frankfurts eine höchst ungünstige ist. Die unmittelbare Nähe der
französischen Grenze, die große Entfernung von allen Centralpunkten des deutsche»
Lebens, die durch die fehlende Eisenbahnverbindung noch vermehrt wird, lassen die
Wahl eines andern Sitzes als dringend wünschenswert!) erscheinen. Man hat
mehrfach auf Leipzig angespielt, und wir wüßten in der That keine günstigere
Combination. Daß Sachsen nicht reichsunmittelbar ist, bleibt vor der Hand ein
zwar nur formelles, aber unauflösliches Hinderniß. Wenn aber der erste Schwin¬
del mit dem Banen in's Große, Unbestimmte, Blaue sich gelegt haben, wenn nulii


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[0134] Staates geradezu unerhört zu nennen und daher augenblicklich abzustellen sei. Die naiven Bemerkungen der radikalen Herren Giskra und Berger, Oestreich brauche sein Geld, um die rebellischen Italiener zu Paaren zu treiben und könne daher vorläufig seine deutschen Gläubiger uicht bezahlen, übrigens sei es auch anständig von Deutschland, die Ehre, Oestreich in seinen Schooß aufzunehmen, mit einigen Millionen zu erkaufen: Deutschlands Einheit gehe ja über Alles, diese Naivität, um mich eines passenderen Ausdrucks zu enthalten, kann nur von einem Robert Blum aus eine schickliche Weise beantwortet werden, und ich schließe mich diesmal den Worten dieses Redners: das sei eine schöne Einheit, wo zu Gunsten von 10 Millionen die übrigen 30 des deutscheu Reichs um ihr Geld be¬ trogen werden sollten, von ganzer Seele an. Ja.....wir wollen Eins mit euch sein, ihr Brüder in Oestreich! aber Eins im Recht, nicht Eins in jenen ideellen, lustigen Beziehungen, wie man sie mit Tusche auf der Landkarte für den Elementarunterricht aufzeichnet. Mit euch haben wir dem verbannten Tyrannen unsern Fluch nachgerufen, als ihr ihn vou euch auS- triebt, jenem Tyrannen, der eine abscheuliche Scheidewand zwischen Brüdern ge¬ zogen hatte, aber hütet euch, auf eine wo möglich noch gehässigere Art jene Scheidewand von Neuem aufzurichten. Ihr seid noch immer gewöhnt, hinaus „in's Reich" zu blicken, was ihr auch vou Einheit sprecht; verlerntes! Und wenn es euch gelänge, selbst jenes Project zu realisiren und Wien zur Hauptstadt Deutsch¬ lands zu machen, ihr werdet nicht Eins sein mit dem Reich, wenn ihr nicht jene Fictionen vou euch werft und Eins mit ihm werdet im Recht. Flieht die ver¬ führerische Stimme eurer Speculanten, ihre Weisheit ist Thorheit. Die Zeiten sind dahin, wo Einer gut fortkam, wenn er den Andern übervorthcilte. Was übrigens den Sitz der Centralgewalt betrifft, so liegt es in der Natur der Sache, daß von Wien eben so wenig die Rede sein kann als von Berlin. Nicht nnr die geographische Lage beider Städte verbietet das, sondern auch ihre politische Stellung. An einen Wechsel zwischen beiden ist eben so wenig zu denken. Frankfurt hat das historische Recht für sich und seine günstige Stellung als Frei¬ staat. Die Unionsstadt der deutschen Stämme — unser Washington ^ muß frei sein vou allen Einflüssen partikularistischer Tendenzen, wäre es auch nur, um den üblen Schein zu vermeiden. Dagegen ist nicht zu verkennen, 'daß die geogra¬ phische Lage Frankfurts eine höchst ungünstige ist. Die unmittelbare Nähe der französischen Grenze, die große Entfernung von allen Centralpunkten des deutsche» Lebens, die durch die fehlende Eisenbahnverbindung noch vermehrt wird, lassen die Wahl eines andern Sitzes als dringend wünschenswert!) erscheinen. Man hat mehrfach auf Leipzig angespielt, und wir wüßten in der That keine günstigere Combination. Daß Sachsen nicht reichsunmittelbar ist, bleibt vor der Hand ein zwar nur formelles, aber unauflösliches Hinderniß. Wenn aber der erste Schwin¬ del mit dem Banen in's Große, Unbestimmte, Blaue sich gelegt haben, wenn nulii

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/134>, abgerufen am 16.06.2024.