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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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anfangen wird, die wahre Realität der Freiheit in der größtmöglichen Selbststän-
digkeit der einzelnen Gemeinden zu suchen, wenn dann die "Landesstädte" durch
die Freiheit ihrer Verfassung mit den "Reichsstädten" zu wetteifern befähigt sind,
dann wird man über die alten Traditionen der Legitimität hinweggehen können
und die Wahl des deutschen Centralpnnkts lediglich nach Gründen der Zweck¬
mäßigkeit bestimmen.

Eigentlich ist diese Legitimität eine zweideutige. Die Centralgewalt beruhte
bisher in dem Bundestag und es wird nicht leicht ein politisches Institut gefun¬
den werden, das größern Haß und größere Verachtung aus sich gezogen hätte.
Dieser MMdxMg besteht nicht mehr. Sein Scheiden war würdevoller..als. .sei"
Leben. Seit der Revolution sowohl in Beziehung auf seine Stellung als auf
seine Zusammensetzung einer vollständigen Reorganisation unterzogen, trug er doch
die Sünden seines alten Namens und wurde bald als "Briefträger", bald als "Leiche",
bald als "Gespenst" der Kinderspott sämmtlicher Radikalen, das absolute Object des
Humors, an dem auch der Dumme seinen Witz schärfte. In dem Vorparlament
wie in dem Fünfziger-Ausschuß stand ihm eine illegitime Macht gegenüber und
um so bitterer traf ihn ihr Spott. Erst durch die Nationalversammlung war der
Weg des Gesetzes wieder betreten. Auch hier verfehlte die Linke nicht, in sehr
wohlfeilen und überflüssigem Heroismus die Versammlung -- welche man we¬
nigstens als diplomatisches Corps, als Gesandte der einzelnen
Staaten bei der Centralgewalt hätte respectiren sollen -- zu bru-
talisuen. Es mußte doch irgend ein Gegenstand sein, an dem die Männer des
"Volks" ihre Grobheit auslassen konnten; an Preußen wagte mau sich uicht mehr
recht, weil in der neuen Versammlung auch dieser bisher nur als Vogelscheuche
benutzte Staat seine Vertreter und seine Vertheidiger fand. Nur durch zwei Ab¬
geordnete in dein Parlament vertreten, setzte der Bundestag den fortwährenden ge¬
hässigen Angriffen eine himmlische oder diplomatische Sanftmuth entgegen. Endlich
erfolgte von Seiten des Parlaments die Wahl des Reichsverwesers und zugleich
die Aufhebung des Bundestags. Hier haben die Repräsentanten der Regierungen
eben so schicklich als offen gehandelt. Gleich nach der Wahl erklärten sie im Na¬
men ihrer Regierungen die aufrichtige Anerkennung derselben; eine Anerkennung,
aus die wenigstens der Reichsverweser, der doch zunächst auf die kräftige Unter-
Atzung von Seiten der einzelnen Staaten angewiesen war, ein größeres Gewicht
egen mußte als die Demagogen, deren wesentlichster Zweck darin bestand, die
rast derselben zu untergraben. Der Bundestag legte darauf die volle Gewalt, in
ereu besitz er sich bis dahin befunden hatte, in die Hände des Reichsverwesers
'"^er und löste sich selber auf.

L U.die deutsche Staatsverfassung, die. seit 1"l1 zu Recht bestand, nun
aus MWMU Mg^ und der.neue.Zustand. rxMK begründet: für
le Emeutters^" Prosesston ein eben so betrübendes Ereignis,.M es Jedem,
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anfangen wird, die wahre Realität der Freiheit in der größtmöglichen Selbststän-
digkeit der einzelnen Gemeinden zu suchen, wenn dann die „Landesstädte" durch
die Freiheit ihrer Verfassung mit den „Reichsstädten" zu wetteifern befähigt sind,
dann wird man über die alten Traditionen der Legitimität hinweggehen können
und die Wahl des deutschen Centralpnnkts lediglich nach Gründen der Zweck¬
mäßigkeit bestimmen.

Eigentlich ist diese Legitimität eine zweideutige. Die Centralgewalt beruhte
bisher in dem Bundestag und es wird nicht leicht ein politisches Institut gefun¬
den werden, das größern Haß und größere Verachtung aus sich gezogen hätte.
Dieser MMdxMg besteht nicht mehr. Sein Scheiden war würdevoller..als. .sei«
Leben. Seit der Revolution sowohl in Beziehung auf seine Stellung als auf
seine Zusammensetzung einer vollständigen Reorganisation unterzogen, trug er doch
die Sünden seines alten Namens und wurde bald als „Briefträger", bald als „Leiche",
bald als „Gespenst" der Kinderspott sämmtlicher Radikalen, das absolute Object des
Humors, an dem auch der Dumme seinen Witz schärfte. In dem Vorparlament
wie in dem Fünfziger-Ausschuß stand ihm eine illegitime Macht gegenüber und
um so bitterer traf ihn ihr Spott. Erst durch die Nationalversammlung war der
Weg des Gesetzes wieder betreten. Auch hier verfehlte die Linke nicht, in sehr
wohlfeilen und überflüssigem Heroismus die Versammlung — welche man we¬
nigstens als diplomatisches Corps, als Gesandte der einzelnen
Staaten bei der Centralgewalt hätte respectiren sollen — zu bru-
talisuen. Es mußte doch irgend ein Gegenstand sein, an dem die Männer des
»Volks" ihre Grobheit auslassen konnten; an Preußen wagte mau sich uicht mehr
recht, weil in der neuen Versammlung auch dieser bisher nur als Vogelscheuche
benutzte Staat seine Vertreter und seine Vertheidiger fand. Nur durch zwei Ab¬
geordnete in dein Parlament vertreten, setzte der Bundestag den fortwährenden ge¬
hässigen Angriffen eine himmlische oder diplomatische Sanftmuth entgegen. Endlich
erfolgte von Seiten des Parlaments die Wahl des Reichsverwesers und zugleich
die Aufhebung des Bundestags. Hier haben die Repräsentanten der Regierungen
eben so schicklich als offen gehandelt. Gleich nach der Wahl erklärten sie im Na¬
men ihrer Regierungen die aufrichtige Anerkennung derselben; eine Anerkennung,
aus die wenigstens der Reichsverweser, der doch zunächst auf die kräftige Unter-
Atzung von Seiten der einzelnen Staaten angewiesen war, ein größeres Gewicht
egen mußte als die Demagogen, deren wesentlichster Zweck darin bestand, die
rast derselben zu untergraben. Der Bundestag legte darauf die volle Gewalt, in
ereu besitz er sich bis dahin befunden hatte, in die Hände des Reichsverwesers
'"^er und löste sich selber auf.

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aus MWMU Mg^ und der.neue.Zustand. rxMK begründet: für
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/135>, abgerufen am 16.06.2024.