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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Rechenschaft geben und darf, so oft er es für gut hält, im Interesse seines Staa¬
tes das Wort nehmen. Ans Stimmrecht darf er natürlich keinen Anspruch machen.
Er hat ebenso die Verpflichtung, seinen Comittenten von den sie betreffenden Be¬
schlüssen der Nationalversammlung offizielle Nachricht zu geben und dadurch die
nöthigen Schritte bei den Lvcalständcn zu veranlassen. Eine Vereinigung dieser
Abgeordneten in ein Corps ist überflüssig. Das Zweikammersystem wird ersetzt
durch die Nothwendigkeit einer dreimaligen Lesung einer jeden Bill, zwischen wel¬
cher das Gutachten -- nicht die Zustimmung -- der einzelnen Regierungen und
einzelnen Staude einzufordern ist. Unter solchen Umständen ist nicht zu erwarten,
daß die Centralgewalt von den einzelnen Staaten unbillige Opfer fordern wird;
zu billigen und nvtluvendigen Opfern werden sie sich verstehen müssen. Aber auch
nur, wenn diese Einrichtung ins Werk gesetzt wird! Denn die zufällige Notiz¬
nahme, wie wir sie jetzt bei deu einzelnen Landständen finden, ist eine willkürliche,
ungesetzliche und zweckwidrige.

Wir wollen den einen Fall dieser Notiznahme besprechen, der hier zunächst
vorliegt; ich meine den Jacoby'sehen Antrag in der preußischen Constituante.

Die Regierung hatte sich über die Wahl des Reichsverwesers den Ständen
gegenüber ungefähr folgendermaßen ausgesprochen: sie nehme das Resultat dersel¬
ben mit Freude und Genugthuung an, sie sehe die Nothwendigkeit ein, in der
sich die Nationalversammlung befunden habe, diese Wahl ohne Zuziehung der Re¬
gierungen zu veranstalten, und habe daher auch in formeller Beziehung nichts
einzuwenden; sie müsse sich aber gegen die rechtlichen Consequenzen eines solchen
Schrittes verwahren und das Recht der Natiomilvcrsammlung, in allen Fällen
unbedingt zu verfüge", ohne vorherige Anfrage bei dem preußischen Staate, in
Frage stellen. -- Man wird sich erinnern, daß Herr v. Gagern, dessen Rede bei
jenen Verhandlungen den Ausschlag gab, sich ungefähr in demselben Sinne er¬
klärt hatte; er meinte, die einzelne" Regierungen würden, aus Gründen der
Zweckmäßigkeit und in Anbetracht der dringenden Umstände, gegen jene Wahl¬
handlung kein Bedenken haben. In diesem Sinne hatte die große Majorität der
Versammlung die Wahl vollzogen, in diesem Sinne der erwählte Reichsverweser
ste angenommen.

Die radikale Partei in Berlin war aber mit einer solchen Wendung nicht
^frieden. Sie stellte durch Johann Iacobu, den berühmten Verfasser der "Vier
^gar," den Antrag: über jene Wahlhandlung das.....Mißfallen ^der Preußischen
a^^"^ dagegen das Recht derselben, nach Gutdünken über
7"- dusche.....Angelegenheiten zu verfügen, unbedingt anzuerkennen und daher
1''>'"> Vorbehalt der^Reierung für null und nichtig zu erklären.

^Jacoby sagte: unbillige Opfer wird ja wohl die Nationalversammlung
von Preuße" nicht fordern. Das Ministerium hätte eben so gut antworten kön¬
nen: gegen billige Anforderungen werden wir ja wohl keinen Protest einlegen.


Rechenschaft geben und darf, so oft er es für gut hält, im Interesse seines Staa¬
tes das Wort nehmen. Ans Stimmrecht darf er natürlich keinen Anspruch machen.
Er hat ebenso die Verpflichtung, seinen Comittenten von den sie betreffenden Be¬
schlüssen der Nationalversammlung offizielle Nachricht zu geben und dadurch die
nöthigen Schritte bei den Lvcalständcn zu veranlassen. Eine Vereinigung dieser
Abgeordneten in ein Corps ist überflüssig. Das Zweikammersystem wird ersetzt
durch die Nothwendigkeit einer dreimaligen Lesung einer jeden Bill, zwischen wel¬
cher das Gutachten — nicht die Zustimmung — der einzelnen Regierungen und
einzelnen Staude einzufordern ist. Unter solchen Umständen ist nicht zu erwarten,
daß die Centralgewalt von den einzelnen Staaten unbillige Opfer fordern wird;
zu billigen und nvtluvendigen Opfern werden sie sich verstehen müssen. Aber auch
nur, wenn diese Einrichtung ins Werk gesetzt wird! Denn die zufällige Notiz¬
nahme, wie wir sie jetzt bei deu einzelnen Landständen finden, ist eine willkürliche,
ungesetzliche und zweckwidrige.

Wir wollen den einen Fall dieser Notiznahme besprechen, der hier zunächst
vorliegt; ich meine den Jacoby'sehen Antrag in der preußischen Constituante.

Die Regierung hatte sich über die Wahl des Reichsverwesers den Ständen
gegenüber ungefähr folgendermaßen ausgesprochen: sie nehme das Resultat dersel¬
ben mit Freude und Genugthuung an, sie sehe die Nothwendigkeit ein, in der
sich die Nationalversammlung befunden habe, diese Wahl ohne Zuziehung der Re¬
gierungen zu veranstalten, und habe daher auch in formeller Beziehung nichts
einzuwenden; sie müsse sich aber gegen die rechtlichen Consequenzen eines solchen
Schrittes verwahren und das Recht der Natiomilvcrsammlung, in allen Fällen
unbedingt zu verfüge», ohne vorherige Anfrage bei dem preußischen Staate, in
Frage stellen. — Man wird sich erinnern, daß Herr v. Gagern, dessen Rede bei
jenen Verhandlungen den Ausschlag gab, sich ungefähr in demselben Sinne er¬
klärt hatte; er meinte, die einzelne» Regierungen würden, aus Gründen der
Zweckmäßigkeit und in Anbetracht der dringenden Umstände, gegen jene Wahl¬
handlung kein Bedenken haben. In diesem Sinne hatte die große Majorität der
Versammlung die Wahl vollzogen, in diesem Sinne der erwählte Reichsverweser
ste angenommen.

Die radikale Partei in Berlin war aber mit einer solchen Wendung nicht
^frieden. Sie stellte durch Johann Iacobu, den berühmten Verfasser der „Vier
^gar,« den Antrag: über jene Wahlhandlung das.....Mißfallen ^der Preußischen
a^^"^ dagegen das Recht derselben, nach Gutdünken über
7"- dusche.....Angelegenheiten zu verfügen, unbedingt anzuerkennen und daher
1''>'"> Vorbehalt der^Reierung für null und nichtig zu erklären.

^Jacoby sagte: unbillige Opfer wird ja wohl die Nationalversammlung
von Preuße« nicht fordern. Das Ministerium hätte eben so gut antworten kön¬
nen: gegen billige Anforderungen werden wir ja wohl keinen Protest einlegen.


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[0137] Rechenschaft geben und darf, so oft er es für gut hält, im Interesse seines Staa¬ tes das Wort nehmen. Ans Stimmrecht darf er natürlich keinen Anspruch machen. Er hat ebenso die Verpflichtung, seinen Comittenten von den sie betreffenden Be¬ schlüssen der Nationalversammlung offizielle Nachricht zu geben und dadurch die nöthigen Schritte bei den Lvcalständcn zu veranlassen. Eine Vereinigung dieser Abgeordneten in ein Corps ist überflüssig. Das Zweikammersystem wird ersetzt durch die Nothwendigkeit einer dreimaligen Lesung einer jeden Bill, zwischen wel¬ cher das Gutachten — nicht die Zustimmung — der einzelnen Regierungen und einzelnen Staude einzufordern ist. Unter solchen Umständen ist nicht zu erwarten, daß die Centralgewalt von den einzelnen Staaten unbillige Opfer fordern wird; zu billigen und nvtluvendigen Opfern werden sie sich verstehen müssen. Aber auch nur, wenn diese Einrichtung ins Werk gesetzt wird! Denn die zufällige Notiz¬ nahme, wie wir sie jetzt bei deu einzelnen Landständen finden, ist eine willkürliche, ungesetzliche und zweckwidrige. Wir wollen den einen Fall dieser Notiznahme besprechen, der hier zunächst vorliegt; ich meine den Jacoby'sehen Antrag in der preußischen Constituante. Die Regierung hatte sich über die Wahl des Reichsverwesers den Ständen gegenüber ungefähr folgendermaßen ausgesprochen: sie nehme das Resultat dersel¬ ben mit Freude und Genugthuung an, sie sehe die Nothwendigkeit ein, in der sich die Nationalversammlung befunden habe, diese Wahl ohne Zuziehung der Re¬ gierungen zu veranstalten, und habe daher auch in formeller Beziehung nichts einzuwenden; sie müsse sich aber gegen die rechtlichen Consequenzen eines solchen Schrittes verwahren und das Recht der Natiomilvcrsammlung, in allen Fällen unbedingt zu verfüge», ohne vorherige Anfrage bei dem preußischen Staate, in Frage stellen. — Man wird sich erinnern, daß Herr v. Gagern, dessen Rede bei jenen Verhandlungen den Ausschlag gab, sich ungefähr in demselben Sinne er¬ klärt hatte; er meinte, die einzelne» Regierungen würden, aus Gründen der Zweckmäßigkeit und in Anbetracht der dringenden Umstände, gegen jene Wahl¬ handlung kein Bedenken haben. In diesem Sinne hatte die große Majorität der Versammlung die Wahl vollzogen, in diesem Sinne der erwählte Reichsverweser ste angenommen. Die radikale Partei in Berlin war aber mit einer solchen Wendung nicht ^frieden. Sie stellte durch Johann Iacobu, den berühmten Verfasser der „Vier ^gar,« den Antrag: über jene Wahlhandlung das.....Mißfallen ^der Preußischen a^^"^ dagegen das Recht derselben, nach Gutdünken über 7"- dusche.....Angelegenheiten zu verfügen, unbedingt anzuerkennen und daher 1''>'"> Vorbehalt der^Reierung für null und nichtig zu erklären. ^Jacoby sagte: unbillige Opfer wird ja wohl die Nationalversammlung von Preuße« nicht fordern. Das Ministerium hätte eben so gut antworten kön¬ nen: gegen billige Anforderungen werden wir ja wohl keinen Protest einlegen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/137>, abgerufen am 16.06.2024.